Was macht eigentlich ein „Simultanübersetzer“?
Der Beruf des Übersetzens ist sehr vielfältig. So gibt es – um nur einige Bereiche zu nennen – Literaturübersetzerinnen, die u. a. Romane und Comics übersetzen, Fachübersetzer, die sich beispielsweise mit Gesetzestexten oder medizinischen Texten beschäftigen, Softwarelokalisiererinnen, die Computerprogramme und Videospiele übersetzen, Untertitler, die für die Filmbranche arbeiten, … und … Simultanübersetzer?
Um etwas Licht in diesen Dschungel aus Bezeichnungen und Tätigkeitsfeldern zu bringen, muss darauf hingewiesen werden, dass umgangssprachlich sehr oft von „Übersetzen“ gesprochen wird, wenn eigentlich „Translation“ gemeint ist. Translation umfasst nämlich sowohl das Übersetzen als auch das Dolmetschen. Wo genau liegt allerdings der Unterschied?
Kurz gesagt: Übersetzt werden schriftliche Texte, verdolmetscht werden gesprochene Texte (ja, auch rein gesprochene Aussagen werden in der Sprachwissenschaft als „Texte“ bezeichnet). Beim Übersetzen sind der Ausgangstext (in der Sprache, aus der übersetzt werden soll) und der Zieltext (in der Sprache, in die übersetzt werden soll) in irgendeiner Form fixiert; d. h., sie können jeweils wiederholt nachgeprüft werden. Beim Dolmetschen ist entweder der Ausgangstext oder der Zieltext – oder beides – nicht fixiert. Es handelt sich beispielsweise um eine einmalige mündliche Aussage, die nicht auf einem Tonträger aufgenommen wird.
Damit wäre der Unterschied zwischen Übersetzen und Dolmetschen geklärt. Wie aus der Einleitung bereits ersichtlich wurde, gibt es aber sowohl beim Übersetzen als auch beim Dolmetschen verschiedene Unterbereiche. Grundsätzlich können diese anhand unterschiedlicher Kriterien systematisiert werden. Die wichtigsten Aspekte sind:
- Textsorte (vor allem beim Übersetzen): Literatur, Fachtexte, Film, Websites, …
- Fachbereich (vor allem beim Übersetzen): Recht, Medizin, Technik, …
- Setting (vor allem beim Dolmetschen): Gerichtsdolmetschen, Konferenzdolmetschen, …
- Art (vor allem beim Dolmetschen): Konsekutivdolmetschen, Flüsterdolmetschen, …
Besonders in der letzten Kategorie liegt der Schlüssel zur Beantwortung unserer Frage. Deshalb werden wir einen genaueren Blick darauf werfen. Beim Konsekutivdolmetschen handelt es sich um eine zeitversetzte Übertragung einer Aussage in einer Sprache in eine andere Sprache. Es gibt also eine mehr oder weniger lange Rede, während der sich die Dolmetscherin oder der Dolmetscher Notizen macht und anschließend – sobald die Rede beendet ist – den Inhalt dieser Rede in der anderen Sprache wiedergibt. Beim Flüsterdolmetschen hingegen findet die Übertragung der Aussage gleichzeitig statt. In diesem Fall befindet sich die Dolmetscherin oder der Dolmetscher direkt neben oder hinter der Person, für die gedolmetscht werden soll, und flüstert ihr zeitgleich mit der Rede selbst die Inhalte in der Zielsprache ins Ohr.
Wenn wir nun zu unserem Simultanübersetzer zurückkommen, wird einigen aufmerksamen Leserinnen und Lesern vielleicht schon aufgefallen sein, dass es sich hierbei um ein Paradoxon handelt. Dies wird deutlich, wenn wir die beiden Teile des Kompositums genauer unter die Lupe nehmen. „Simultan“ heißt gleichzeitig. „Übersetzer“ haben wir bereits geklärt: Im Gegensatz zum Dolmetschen wird beim Übersetzen ausschließlich mit geschriebenen Texten gearbeitet. In der Regel ist es aber natürlich nicht üblich, dass eine Übersetzerin oder ein Übersetzer direkt neben der Autorin oder dem Autor eines Textes sitzt und Wort für Wort gleichzeitig mit der Entstehung des Ausgangstextes bereits die Übersetzung anfertigt.
„Simultan“ ergibt also nur im Bereich des Dolmetschens Sinn. So wie beim Konsekutivdolmetschen abwechselnd gesprochen und das Gesprochene verdolmetscht wird, so geschieht dies beim Simultandolmetschen gleichzeitig. Das oben beschriebene Flüsterdolmetschen ist demnach eine Art des Simultandolmetschens.
Alles in allem: Ein „Simultanübersetzer“ macht gar nichts, weil es dieses Berufsfeld nicht gibt. Es sind die Simultandolmetscher, die mit ihren Kopfhörern in einer Dolmetschkabine (oder zuhause) sitzen und dafür sorgen, dass eine Rede von allen Anwesenden mühelos verstanden wird, auch wenn nicht alle die Sprache des Referats verstehen.
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