Gemeinsam mit Gemüse gegen Konventionen
Eine Reise nach Tscherms ist wie ein One-Way-Ticket in das Land der Monokultur. Nachdem wir an einem Julinachmittag den Bozner Verkehr verlassen haben, finden wir uns inmitten von Reihen von Apfelplantagen wieder, alle gleich, alle geometrisch geordnet, viele von ihnen mit teuren Hagelnetzen bedeckt. Die Spiritualität der Landwirte im Angesicht von schlechtem Wetter reicht nur bis zu einem gewissen Punkt; von da an ist es besser, auf Nummer sicher zu gehen, und sich nicht auf Gebete, sondern auf technologische Entwicklungen zu verlassen.
Um es gleich vorwegzusagen: Wir sind nicht hierhergekommen, um einen Artikel gegen intensive Apfelkulturen zu verfassen. Stattdessen wollen wir über Veränderungen schreiben, die bereits stattfinden und darstellen, dass Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und der Wille gegen den Strom zu schwimmen, zu konkreten Ergebnissen führen können.
Wir treffen Maximilian von Pfeil am Anfang des Gewerbegebietes. Seine Schrebergärten liegen etwas versteckt und sind nicht leicht zu finden. Er kommt uns auf seiner Vespa entgegen, begrüßt uns mit einem breiten Lächeln und lädt uns ein, ihm zu folgen. Ein Spaziergang über den kurzen Feldweg, der seine Gemüsegärten von der Straße trennt, ist wie der Eintritt in eine neue Welt. Auf der einen Seite die typischen dunklen Straßenschilder und Apfelnreihen, die uns wie Soldaten bewachen. Auf der anderen Seite ein Fest der Farben, Gemüse und Blumen, unordentlich auf dem Boden verteilt.
Wir hatten Max ein paar Fragen geschickt, um sich auf das Interview vorzubereiten. Einige seiner Notizzettel, auf denen er seine Gedanken geordnet hatte, hingen aus seiner Tasche als wir ankamen. Um die Wahrheit zu sagen, braucht er sie nicht wirklich. Das Gespräch beginnt sofort und schreitet zügig voran. Wir haben viele Fragen, er hat viele Dinge zu sagen. Mit Freude und Enthusiasmus erzählt er von der Initiative "Gartenfreunde Tscherms", ein Projekt, für das er einen kleinen, großen persönlichen Kampf, innerhalb der Familie, und darüber hinaus, hat beginnen müssen. Max' Vater ist ein konventioneller Landwirt, der aber dennoch die innovativen Ideen seines Sohnes unterstützte und ihm die Chance gab, sich an einem Teil des Familienbesitzes zu versuchen. Bis vor kurzem war das Land, das jetzt in Gemüsebeete unterteilt ist und auf dem viele Bienen schwärmen, mit Apfelbäumen bedeckt.
Um die Gründe zu verstehen, die ihn dazu brachten, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, muss man die Biografie von Max kennen. Als Sohn interkultureller Eltern besuchte er die Waldorfschule, eine Schule, die seine Sicht der Dinge prägte. Es war eine zweisprachige Südtiroler Schule mit einem Semester in Italienisch und einem in Deutsch. "Dantes Verse auf Italienisch zu studieren war nicht so einfach, auch nicht für die Italienischsprachigen, auch sie wollten Dante lieber auf Deutsch lernen. Manchmal wurden die Sprachen auch gemischt, damit jeder dem Unterricht folgen konnte", sagt er. Die Hälfte der Klasse kam aus Südtirol, die andere Hälfte aus anderen Regionen Italiens. "Wir waren eine kleine Gruppe und hatten keine feste Klasse", erklärt Max, "wir waren ständig in Bewegung. In den zwei Jahren, die sie an der Waldorfschule verbrachten, hatten Max und seine Klassenkameraden das Glück, viele Ausflüge zu machen und biologische und biodynamische Betriebe in Italien und im Ausland zu besuchen. Leider war das Experiment nur von kurzer Dauer; diese Schule existiert nicht mehr. Die Schönheit der Landwirtschaft wurde in Frankreich zur Lammzeit entdeckt, als er bei einer Tante war, die Schafe züchtete. Als er sich später in einer Berufsschule für junge Landwirte einschrieb, wollte er die Konventionen des Unterrichts und den fehlenden Raum für die Entwicklung innovativer Produktionsmethoden nicht akzeptierten.
"Niemand hat mich ernst genommen, als ich über ökologische Landwirtschaft gesprochen habe“.
Die letzte Station vor der Rückreise nach Südtirol ist das Bodenseeufer, wo Max auf einen Biohof gearbeitet hat. "Während meiner Zeit im Ausland habe ich mit vielen alternativen Techniken experimentiert. Aber als klar wurde, dass meine Familie mich in Tscherms braucht, habe ich mich entschieden, zurückzukommen".
Hier sind wir wieder am Ausgangspunkt, könnte man sagen. Nicht ganz: Derjenige, der uns seine zwanzig Parzellen zeigte, die der Monokultur ein paar Quadratmeter gestohlen haben, ist nicht mehr derjenige, der Angst hatte, sich gegen das gängige Denken der Mehrheit der Südtiroler Bauern zu stellen.
"Ich bin für Veränderung", sagt er schlicht.
Mit dem Projekt Gartenfreunde hat er sich entschlossen, einen Teil seines Privatgrundstücks Menschen zur Verfügung zu stellen, die keinen Gemüsegarten zu Hause haben (ja, so etwas gibt es auch in Südtirol) oder die in die Region gezogen sind und sich im Selbstanbau versuchen wollen. Einige der Parzellen produzieren bereits mit voller Kapazität Gemüse, andere warten auf neue Besitzer. Am besten wären Familien mit Kindern, die in der Nähe wohnen und ihren Garten mit dem Fahrrad oder Bus erreichen können.
Max ist der festen Überzeugung, dass die Zukunft nicht in Monokulturen liegt, sondern in einer Rückkehr zu Regionalität, Einfachheit und kurzen Lieferketten, die die Pflanzenvielfalt fördern. Die Menschen, die sich entschlossen haben, eine Parzelle von Max gegen eine Jahrespacht zu bewirtschaften, hacken und bewässern das Land, essen (fast) kilometerfreie Produkte aus eigenem Anbau und leisten ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die Arbeit im Garten hat eine „therapeutische und meditative“ Wirkung.
Familien, die hierherkommen, können vom Alltag abschalten und sich entspannen, indem sie ihre Hände in die Erde legen.
Jedes Grundstück hat eine andere Form und einen anderen Stil. Jeder Gartenpächter verwendet seine eigenen bevorzugten Anbaumethoden und Nutzpflanzen. In einer Parzelle sehen wir Baumrinde, in einer anderen hat eine junge Besitzerin Wollfäden angebracht. Mit beiden Methoden kann mehr Wasser im Boden aber auch das Unkraut zurückgehalten werden.
Wie zu Zeiten der Waldorfschule spielen auch bei Max' Projektidee der soziale Aspekt und die Vielfalt eine wichtige Rolle. Die Schlüsselwörter in dieser Oase in Tscherms sind Harmonie, Gemeinschaft und Solidarität. Im Moment zieht es jeder Besitzer vor, seine eigenen Werkzeuge und Maschinen zu benutzen, obwohl Max gerne einen größeren Sinn für das Teilen entwickeln würde und eine gemeinsame Nutzung von Hacken, Schaufeln und Spaten vorschlägt. An Ideen für die Zukunft mangelt es nicht und auch nicht an Träumen. Ein Trampolin würde für die Kinder ausreichen, Max würde gerne einen Imker finden, der ein paar Bienenstöcke in seinem Garten aufstellt, einen Pizzaofen bauen und einen gemeinsamen Raum für Verarbeitung und Lagerung des angebauten Gemüses einrichten.
Er denkt auch darüber nach, wie man Bewohner von Altersheimen und Migranten in Südtirol einbeziehen oder ganztägig geöffnete Direktverkaufsstellen eröffnen könnte, die es Vollzeitbeschäftigten ermöglichen, regionale Produkte zu kaufen. Ein weiteres großes Projekt, das den 33-Jährigen aus Tscherms umtreibt, ist die Umstellung von konventioneller auf biologische Produktion. Die Herausforderung liegt hier vor allem darin, dass er in den ersten Jahren Ertragseinbußen haben wird und es für diese Anbauform notwendig sein wird, mehr Personal einzustellen.
Wir verbrachten einen schönen Nachmittag in der Gesellschaft von Max und seiner Hündin Luna. Es ist sehr angenehm, ihm zuzuhören, er ist einer dieser Menschen, die es schaffen, eine Leidenschaft für das, was sie tun, zu vermitteln. Wir wissen nicht, wie wir ihn beschreiben sollen: Ein alternativer Junglandwirt scheint zu kurz gegriffen. Er selbst gibt zu, dass er nicht der typische Landwirt ist, der sein Land selten verlässt, und dass er sehr neugierig ist: Es ist ihm wichtig, weiter zu reisen, Neues zu sehen, Methoden zu lernen, die ihn inspirieren und die er auch in Südtirol verbreiten will.
Wir verabschieden uns mit der Hoffnung, bald gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und mit dem Versprechen, unsere Amazon-Konten für immer zu schließen.
Text: Elisa Agosti
Übersetzung: Theo Mannmeusel
Das Institut für Regionalentwicklung von Eurac Research unterstützt das Projekt „Gartenfreunde Tscherms“, weil dieses integrativ die soziale Zusammenarbeit der Kleingartenbetreiber fördert und über die Ernte aus dem eigenen Garten Kinder wie Erwachsene spielerisch für die ökologischen Zusammenhänge der Natur und die Artenvielfalt sensibilisiert werden.
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