Von marktfähiger zu weltfähiger Innovation
Einander zu vertrauen und an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten, ist angesichts der gegenwärtigen Krisen wichtiger denn je. Dafür braucht es Orte der Begegnung und der Inspiration. Einen solchen hat Jana Ganzmann gegründet. Viel wird darüber schwadroniert, was aufregt oder falsch läuft. An einem Impact Hub werden Lösungen geschaffen und Ideen in die Tat umgesetzt. Wie? Das haben wir mit ihr anlässlich der "Churburger Wirtschaftsgespräche 2.0" besprochen.
Eurac Research: Frau Ganzmann, beginnen wir mit einer Begriffserklärung. Was ist ein Impact Hub und welchen Impact, welche Wirkung soll er denn haben?
Jana Ganzmann: Ein Impact Hub ist ein Knotenpunkt, ein physischer und digitaler Begegnungsort für soziale und ökologische Innovation. Wir unterstützen Menschen, die mit ihren Ideen eine positive Wirkung haben wollen. Wir glauben, dass unser Beruf immer auch ein Ausdruck dessen ist, wer wir sind. Und die meisten Menschen möchten mit ihrer Arbeit etwas Positives, Sinnstiftendes beitragen und wissen vielleicht noch nicht, wie. Wir vernetzen sie mit Expertinnen und Investorinnen, inspirieren durch Veranstaltungen, Coaching und Trainingsprogramme. Wirtschaftswelt, Non-Profit-Welt, aber auch die Welt der Wissenschaft bewegen sich meist aneinander vorbei, in ihren eigenen Kreisen. Im Impact Hub geht es darum, diese Kreise aufzubrechen und zu verbinden.
Warum können gerade ländliche Regionen ideale Räume für die Entwicklung neuer Ideen sein?
Ganzmann: Natürlich bieten Städte numerisch gesprochen eine größere Anzahl an Möglichkeiten und Treffpunkten. Ländliche Regionen haben aber den Vorteil, dass Begegnungen langfristiger sind, Beziehungen tiefer gehen. Im ländlichen Raum liegt ein unglaubliches Potential. Dort wird sehr wertebasiert gearbeitet – vor allem in Familienunternehmen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, den globalen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren.
Wir vergessen oft, dass auch der Markt nur eine Erfindung des Menschen ist. Warum also nicht mit demselben Erfinder:innengeist einen neuen Fokus setzen?
Jana Ganzmann
Enkelgerecht, nachhaltig, zukunftsfähig sind Begriffe, die uns immer wieder begegnen. Sie bevorzugen das Adjektiv „weltfähig“. Wann ist etwas – ein Projekt, ein Unternehmen, ein Produkt - weltfähig?
Ganzmann: Diese Begriffe – enkelgerecht, zukunftsfähig – geben mir das Gefühl, dass wir Herausforderungen in die Zukunft projizieren. Wir entkoppeln sie von unserer Gegenwart, dabei müssten wir sie hier und jetzt lösen. Da spreche ich tatsächlich lieber von Weltfähigkeit. Leider stellen wir noch immer die falschen Fragen: Wie bauen wir Wirtschaft auf? Wie steigern wir unsere Marktfähigkeit? Wie verkaufen wir unser Produkt? Besser wäre: Wie schaffen wir es, die Herausforderungen zu bewältigen, die unsere Gesellschaft und unser Planet als Ganzes haben? Wie schaffen wir Angebote, die es Menschen ermöglichen, sich gesund und ressourcenschonend zu ernähren? Wir vergessen oft, dass auch der Markt nur eine Erfindung des Menschen ist. Warum also nicht mit demselben Erfinder:innengeist einen neuen Fokus setzen?
Gehen wir etwas ins Detail. Was wären denn nun konkrete Beispiele für sozialen und ökologischen Erfinder:innengeist?
Ganzmann: Eines unserer Start-ups, das wir am Impact Hub Tirol betreuen, stellt Lautsprecher her. Sie sind „designed for life“, haben also den Anspruch, besonders langlebig zu sein und den Ressourcenaufwand zu minimieren. Ein Unternehmen hat eine App zum Tausch von Kleidern entwickelt – immer vor dem Hintergrund, dass die Kleidungsindustrie zu den größten Verschmutzern der Erde gehören. Manchmal geht es auch darum, bestehende Businessmodelle, wie sie etwa in Hotels oder Gastronomiebetrieben angewendet werden, zu überdenken und zu hinterfragen, welchen Zweck sie eigentlich erfüllen sollten. Es sollte nicht mehr darum gehen, einfach ein Hotel zu eröffnen, sondern stattdessen einen Ort zu schaffen, an dem Menschen eine sinnstiftende Beschäftigung finden. Ein weiteres Start-up entwickelt ein Virtual-Reality-Spiel, das es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, spielerisch verschiedene Lebensmöglichkeiten auszuprobieren. Auch bereits lange bestehende Unternehmen wenden sich an uns, weil sie etwas verändern möchten. Wir versuchen dabei, in einer sehr persönlichen Art und Weise mit ihnen zu arbeiten und von der Wertehaltung jener Personen auszugehen, die im Unternehmen tätig sind. Sozialökologische Verantwortung gehört nicht – wie es leider noch oft praktiziert wird – ans Marketing angehängt, sondern auf die höchste strategische Ebene, ins heart of leadership.
Gründen ist eine wunderbare Möglichkeit, sehr aktiv und sehr selbstwirksam zu werden.
Jana Ganzmann
Was hat Sie selbst dazu bewogen, als Gründerin und Sozialunternehmerin aktiv zu werden?
Ganzmann: Ich hatte bereits als Kind die Möglichkeit, vieles von der Welt zu sehen – auch vieles Schlechte. Die Begegnung mit verschiedensten Menschen hat mir dabei auch immer wieder meine eigene Privilegiertheit vor Augen geführt. Dieses Bewusstsein, eigentlich alles machen zu können, was ich möchte, wenn ich mich etwas anstrenge und etwas Glück habe. Für andere bleiben ihre Träume, trotz ihrem unbedingten Einsatz dafür, das, was sie sind. Träume. Die Bequemlichkeit in Europa steht in unmittelbaren Kontrast dazu. Mir ging es darum, zu verstehen: welche Probleme sehe ich? Was regt mich auf? Und was könnte ich dagegen tun? Gründen ist eine wunderbare Möglichkeit, sehr aktiv und sehr selbstwirksam zu werden. In Berlin habe ich viele Gründerinnen getroffen, viele Gespräche geführt. Dadurch hat sich ein völlig neuer Möglichkeitsraum geöffnet. Interessanterweise haben wir oft einen absurden Respekt vor den Thema. Wir meinen, Gründung hätte mit Mut zu tun, dabei ist es eine Tätigkeit wie jede andere. Das machen ganz normale Menschen.
Mit Blick auf unsere Gegenwart und unsere Zukunft, was ärgert Sie? Was motiviert Sie?
Ganzmann: In den verschiedensten Gesprächen zu all den gegenwärtigen Krisen hört man oft die Aussage, dass die neue Generation Hoffnung mache. Das ist wohl wertschätzend gemeint, solange aber jungen Menschen keine Stimme gegeben wird, bleiben es leere Worte. Es ist eine Verantwortungsverschiebung auf junge Menschen, die es zwar irgendwie richten sollen, aber wohl erst in 20 Jahren in die Position dazu kommen. Mich motivieren Menschen, die Dinge vorantreiben, authentisch handeln und Kooperationen schaffen.
Zur Person
Jana Ganzmann hat in Innsbruck Nonprofit-, Sozial- und Gesundheitsmanagement studiert. Sie spezialisierte sich auf Innovations- und Entrepreneurship-Methodik und arbeitete in einem inklusiven Start-up-Inkubator in Berlin. Gemeinsam mit Johannes Völlenklee und Alexander Auer gründete sie den Impact Hub Tirol. Am 22. Oktober 2022 spricht sie anlässlich der „Churburger Wirtschaftsgespräche 2.0“ in Schluderns.
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