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Architektur und Tourismus – die Art des Diskurses ist essentiell

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Architektur und Tourismus – die Art des Diskurses ist essentiell
Tourismus-und-Architektur-AlpenCredit: Unsplash | All rights reserved
  1. Tourismusarchitektur entwickelt sich zu einem essentiellen Bestandteil des Tourismus- und Kulturdiskurses in Südtirol. Die Führung und Gestaltung dieses Diskurses wird die Zukunft des Tourismus wesentlich beeinflussen.
  2. Architekten sind bedeutende Akteure in dieser Leitdiskussion, die über ihr Wirken die Baukultur mitbestimmen und ihr eine Identität geben.
  3. Der aktuelle Diskurs ist verbesserungswürdig und erfordert Sensibilität von Seiten der Akteure für die Probleme des Tourismus

Am 05.06.2014 fand unter dem Titel „Fokus Architekturforschung – Erkundung der Tourismusarchitektur Südtirols (1918 – 1945)“ eine Abendveranstaltung zu ausgewählten Schnittstellen von Architektur und Tourismus statt. Sie wurde im Rahmen der Ausstellung „Alpen Architektur Tourismus. Am Beispiel Südtirol“, die vom 30.05. bis 07.09.2014 von Kunst Meran gezeigt wird, organisiert. Neben diversen Vorträgen fand eine Podiumsdiskussion statt, an der, neben Architekten und Architekturforschern, auch Harald Pechlaner von Seiten der Europäischen Akademie Bozen als Vertreter der Tourismuswissenschaften teilnehmen durfte. In den Vorträgen der Vertreter der Architekturforschung kam man – bezogen auf Südtirol – immer wieder auf die „üblichen Verdächtigen“ (Marcel Just, Publizist im Bereich Architekturgeschichte, Zürich) zu sprechen: Ob Briol, Monte Pana oder das Paradiso im Martelltal, die Vertreter der Architekten sprachen sich deutlich dafür aus, dass ein durchaus radikales Umdenken in der Tourismusarchitektur nötig sei und die genannten Beispiele im Sinne der Zeitlosigkeit die entsprechende Richtspur sein könnten. In der anschließenden Podiumsdiskussion waren die Fronten zwischen den Branchenvertretern relativ schnell gezogen, denn „der Tourismus ist brutal und muss immer alles verändern“ (Marcel Just, Publizist im Bereich Architekturgeschichte, Zürich).

Architectural Governance

Grundlage der an Intensität und Dynamik gewinnenden Diskussion war die Ankündigung von Harald Pechlaner, im Rahmen der EURAC eine Studie zur „Architectural Governance“ durchzuführen. Ziel der Studie sollte es sein, in einem Ländervergleich innerhalb des Alpenraums den Versuch zu unternehmen, kollektive Steuerungsprozesse auf kommunaler und regionaler Ebene, welche Architektur und Baukultur insgesamt beeinflussen, offen zu legen. Daraus ableitend ist es das Ziel, aufzuzeigen, wie denn ein Zusammenspiel von Landschaftsschutz, Landwirtschaft, Denkmalschutz, Architektur, Tourismusentwicklung und Raumordnung funktioniert, um ein gewisses Maß an Sensibilität für Ästhetik und Baukultur bei den Bauherren und jenen, die an den Genehmigungsprozessen teilnehmen, wirksam werden zu lassen. In der weiteren Diskussion offenbarte sich schnell einerseits die Intention, Verbündete zu finden, um Hoteliers Land auf Land ab von der Sinnhaftigkeit einer „guten“ Architektur zu überzeugen. Dem gegenüber stand die Aussage, dass sich gute Architektur nicht vorgeben oder über die Festlegung von Regeln determinieren lässt. Womöglich entsteht gute Architektur erst durch das Ignorieren bestimmter Regeln.

Was ist gute Architektur und wer bestimmt das? Architektur ist Teil der kulturellen Ausdrucksweisen einer Gesellschaft. Entsprechend macht es Sinn, möglicherweise weniger von Architektur als mehr von Baukultur zu sprechen. Baukultur umfasst neben den architektonischen Solitären und den „üblichen Verdächtigen“ auch die weniger profilierte, aber weiter verbreitete, an der Aufmerksamkeit der Medien vorbei bestehende Architektur. Durch den Perspektivenwechsel hin zur Baukultur wird klar, dass die Kultur des Bauens von sehr vielen gemacht wird. Das entscheidende Kriterium für das Werden und Vergehen von Baukultur ist Akzeptanz und damit einhergehend Tradition – also eine gewisse gesellschaftliche Breite und historische Tiefe. Professionelle Meinungen können darauf Einfluss nehmen, aber kaum zentral Baukultur vorgeben. Nur was von der Breite (aber auch den zuständigen Berufskategorien) akzeptiert und tradiert wird, kann Bau-Kultur werden. Entsprechend könnte gefragt werden: Ist die größtenteils angeprangerte Bauweise der touristischen Bauherren und deren Architekten, entstanden in den vergangenen Jahrzehnten, möglicherweise mittlerweile auch Teil der Südtiroler Baukultur geworden? Und wer bestimmt das? Die Antwort ist sehr komplex und sicher nicht eindeutig. Einen großen Einfluss darauf haben aber im Wesentlichen die Gesellschaft, sprich die Einwohner Südtirols und zu einem gewissen Grad auch Südtirols Gäste. Touristische Architektur bewegt sich in einem Spannungsfeld von Landschaft, Wirtschaft und regionaler Identität, in dem es um weit mehr geht als ausschließlich um Ästhetik. Touristische Architektur muss von den Menschen, sprich der Bevölkerung zumindest in einer zeitlichen Perspektive angenommen werden, für den Bauherrn wirtschaftlich rentabel sein und vom Gast nachgefragt werden.

Zwei Aspekte wurden von Harald Pechlaner als „Vertreter“ des Tourismus hervorgehoben

  1. Hoteliers und Tourismustreibende sind zu allererst – so wie Architekten – Unternehmer. Daher spielen betriebswirtschaftliche und Effizienzgesichtspunkte ebenso eine Rolle bei der Umsetzung „ortsgebundener“ Baukultur.
  2. Des Weiteren sei es möglicherweise zielführend, zusätzlich die „anonyme Architektur“ als Grundlage des Gesprächs zwischen Tourismustreibenden und Architekten zu verwenden. Anonyme Architektur meint die ohne Architekten aus einer bestehenden baulichen in der Regel lokal verankerten Tradition heraus, entstandenen Bauten. Durch die Kombination von Alt und Neu kann die anonyme Architektur, die hinsichtlich Materialität, Bautypologie, funktionaler Organisation und gestalterischer Details genau an einem Ort entstanden ist, bewahrt werden und zur Definition einer eigenen zeitgenössischen Architektursprache beitragen (Klaus Tragbar, Fakultät für Architektur der Universität Innsbruck).

Einige Tourismustreibende haben den Weg dieser Architektur bereits eingeschlagen und aufgezeigt, wie Alt und Neu kombiniert und dadurch Erhaltenswertes geschützt und durch Neues erweitert werden kann. Diese Architektur der kleinen Schritte und Veränderungen liegt zwischen den Extremen der strikten Konservierung von Bestehendem und der fundamentalen Neuentwicklung. Es sind die kleinen Dinge, die schrittweisen Veränderungen, die als Qualitätsmerkmale die notwendige Sensibilität bei den Bauherren schaffen können. Diese Sensibilität ist auch auf Seiten der Architekten notwendig, um zukünftig im Gespräch zu bleiben.

Gerade die schrittweise Veränderung, die Arbeit und Auseinandersetzung mit dieser anonymen Architektur erscheint aufwendig und mühsam und erfordert eine gewisse Bereitschaft und Demut, an den kleinen Dingen zu arbeiten. Die sich für Architekten ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten und die Chancen auf öffentliche Aufmerksamkeit sind bei einer schrittweisen Erneuerung bestehender Strukturen sicherlich geringer als bei einer radikalen Neuentwicklung. Dennoch ist diese Auseinandersetzung essentiell, um Baukultur in Südtirol nachhaltig weiterzuentwickeln.

Gesellschaftliche Entwicklungen und veränderte Bedürfnisse und Erwartungen der Gäste erfordern neben der bestehenden touristischen Architektur neue Ideen und Konzepte. Der Tourismus braucht beides: Er braucht die bestehende touristische Hotelarchitektur genauso wie die Weiterentwicklung bestehender und die Entwicklung neuer Architektur. Die „anonyme Architektur“, die aus der bestehenden baulichen, lokal verankerten Tradition heraus entstandene Bauten meint, könnte verbindendes Element oder anders formuliert, den Knotenpunkt an der Schnittstelle zwischen „Alt und Neu“ darstellen. Zu dieser Architektur gehörende Tourismusarchitektur und die Kombination aus Alt und Neu spielen in Südtirol bereits jetzt eine nicht zu unterschätzende Rolle – sie ist Teil der Baukultur geworden. Je besser es gelingt, traditionelle und zeitgenössische Architektur in einem konsensorientierten Prozess gegenüber zu stellen, desto eher kann es möglich sein, über eine aus Erhaltung und Weiterentwicklung gestaltete Mitte die Tourismusarchitektur, als wesentlichen Bestandteil der Baukultur in Südtirol, nachhaltig zu entwickeln.


© EURAC 2014

Nachhaltig ist eine Baukultur dann, wenn sie eine gewisse Dauerhaftigkeit hat. Nachhaltigkeit setzt eine Auseinandersetzung mit dem Lebensraum, seiner Identität und seinen Menschen voraus, und zwar von Seiten der Planer, Architekten und Bauherren im Zusammenspiel. Da der Tourismus einen bedeutenden Anteil am Baugeschehen in Südtirol hat, scheint es umso notwendiger, durch interdisziplinäre Diskussionen und Aktionen (Landschafts-)Architekten, Hoteliers, Bauherren, Tourismuswissenschaftler, Raumplaner sowie Entscheidungsakteure auf Gemeinde- und Landesebene zusammenzuführen und für regionale Identität und Baukultur nicht nur zu sensibilisieren, sondern sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Nicht zu unterschätzen ist die Sensibilisierung all jener Stakeholder, die wiederum in engem Kontext zu den Bauherren stehen, wie Unternehmensberater oder Wirtschafts- und Steuerberater. So wie überhaupt jene Akteure, die landschaftsprägend wirken (z.B. Bauern, Bauunternehmen, Seilbahnunternehmen oder eben die Hoteliers), stärker in die Diskussion zu integrieren sind.

Touristische Bauvorhaben sind und erfordern Eingriffe in die Natur- und Kulturlandschaft. Doch scheint es aus der Perspektive einer landschaftskonformen Gestaltung nicht zielführend, beliebige Formen und Abstrakte in einer Kultur- und Naturlandschaft zuzulassen, sondern eine Einbettung von Gebäuden und Architektur in die Landschaft anzustreben. An diesem Punkt sind nicht nur Architekten und Tourismustreibende gefordert.

Ziele

Basierend auf diesen Ausführungen mögen aus tourismuswissenschaftlicher Perspektive folgende Ziele an die Beteiligten des zukünftigen Diskurses gerichtet werden:

  • Kommunikation Öffentliche Diskussionen insbesondere rund um das Thema Architektur und Tourismus werden breit geführt. Dabei wird von Seiten der Architekten gerne die Kritik vorgebracht, dass mit den Diskussionsrunden und Veranstaltungen primär Architekten und Planer, nicht aber Tourismustreibende, Unternehmer und Hoteliers erreicht werden. Nun ja, das zeigt, dass die Kommunikation auszubauen ist und von Seiten der Architekten noch stärker auf bestimmte Problemstellungen zu fokussieren ist. Grundlage für eine inkludierende Kommunikation ist auf jeden Fall das Anerkennen der vielfältigen Stimmen im Diskurs von Architektur und Baukultur. Dass die Architekten eine mehr als relevante, aber in der Vergangenheit in manchen Teilen und Sparten Südtirols zu Unrecht wenig gehörte Stimme einnehmen, stellt niemand in Frage. Um einen vielfältigen Diskurs um das (touristische) Bauen in Südtirol anzutreiben, gilt es wohl allerseits, an der reziproken Sensibilität etwas zu arbeiten. Gefragt sind in diesem Projekt sensible und sich ihrer jeweiligen Kompetenzen bewusste, aber für die Anliegen und Zwänge der anderen Seite offene Architekten und Hoteliers.
  • Betriebswirtschaftliches Verständnis für Hotellerie und Gastronomie Architekten sollten ein wirtschaftliches, insbesondere betriebswirtschaftliches Verständnis für die Hotellerie entwickeln. Architektur ist kein Selbstzweck, vielmehr müssen auch Funktionalität, Nutzen und Sinn des Projektes Beachtung finden. Aus der Perspektive des touristischen Unternehmers müssen Wirtschaftlichkeit und Rentabilität gegeben sein. Fakt ist, dass viele Tourismusunternehmen in Südtirol nicht rentabel arbeiten. In der Regel handelt es sich bei den Akteuren der Hotellerie um private Unternehmer. Es geht bei deren Bauvorhaben weder um genossenschaftlich finanzierte Projekte noch um öffentliche Bauten. Ein Verständnis von Seiten der Architekten für betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen der Hoteliers (und ihrer Wirtschafts- und Steuerberater) sollte in der Folge auch ihre Kommunikation mit den Hoteliers und die Erreichbarkeit der Unternehmer erleichtern.

Regionale Baukultur – ein Erfolgsfaktor im Tourismus?

Aus touristischer Perspektive scheint Baukultur aus zweierlei Hinsicht relevant:

  1. Zahlreiche Touristen und Gäste bereisen die Destination Südtirol als Natur- und Kulturtouristen, um Landschaft und Kultur, sprich Land und Leute zu erleben. Es bleibt ein Faktum, dass diese Gäste grundsätzlich mit der Destination sehr zufrieden sind. Dies bestätigen viele Studien und die hohe Wiederbesuchsrate. Teil der Kultur und der Landschaft ist zweifelsohne auch die Baukultur.
  2. Um neue touristische Dienstleistungskonzepte umzusetzen oder bestehende weiterzuentwickeln, sind Anpassungen in der touristischen Architektur notwendig, die ausgehend von Punkt 1 allerdings nur dann zielführend sein können, wenn regionale Baukultur Beachtung findet und berücksichtigt wird. Und so schließt sich der Kreis. Im Optimalfall wird regionale Baukultur zum Erfolgsfaktor nicht nur im Tourismus, indem sie der Destination eine unverwechselbare, sichtbare Identität als Region gibt.

Architekten sind Produzenten einer in höchstem Maße öffentlichen Kunst (Klaus Tragbar, Fakultät für Architektur der Universität Innsbruck). Auch Architekten werden nolens volens die Rechnung mit ihren Auftraggebern und Finanziers, aber mehr noch auch mit der Gesellschaft, machen müssen. Architekten haben das Privileg, das gemeinsame Gut Landschaft ein Stück weit mitgestalten zu dürfen. Im Rahmen der Architektur ist Zusammenarbeit entsprechend nicht nur ein kaufmännisches Gebot, sondern resultiert vor allem auch aus gesellschaftlicher Verantwortung. Als Produzenten öffentlicher Kunst haben Architekten eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, da sie Räume und Orte gestalten, prägen und ihnen Identität geben. Diese Verantwortung sollten Architekten auch zukünftig wahrnehmen und den Dialog mit der Gesellschaft (inklusive der Bauherren) suchen. Denn, nur im Diskurs kann es gelingen, die touristische Architektur und Baukultur in Südtirol im Sinne von Einheimischen und Gästen, aber auch im Sinne von Bauherren und Architekten weiter zu entwickeln. Dazu ist es notwendig, die verschiedenen Akteure und deren vielfältigen Kontaktpunkte – von Diskussionsabenden wie jenem bei Kunst Meran bis hin zu den Baukommissionen in den Gemeinden – ins Blickfeld zu nehmen. Und das ist es, was Architectural Governance meint, und nicht das „zentralistische“ Bestimmen, was gute und schlechte Architektur ist und noch weniger ein Instrument, um Architekten oder Bauherren durch Top-Down-Strategien in ihrem Handeln einzuschränken.

Autoren: Harald Pechlaner, Elisa Innerhofer, Michael Volgger

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Tags

  • Culture
  • Tourism

Citation

https://doi.org/10.57708/b22008594
Pechlaner, H. Architektur und Tourismus – die Art des Diskurses ist essentiell. https://doi.org/10.57708/B22008594

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