Sharing Economy im Tourismus: Was sagen uns die Daten zu Airbnb?
Allzu lange gibt es sie noch gar nicht. Angebote rund um die sogenannte „Sharing Economy“ im Tourismus sind – selbst in tourismushistorischer Betrachtung – ein junges Phänomen. Airbnb, die wohl bekannteste Online-Plattform für das peer-to-peer Vermitteln und Buchen von Unterkünften, wurde 2008 gegründet. Uber, ein online-basierter Vermittlungsdienst im Bereich der Personenbeförderung, gibt es seit 2009. BlaBlaCar, eine Online-Plattform für Mitfahrgelegenheiten, besteht seit 2006. Aus dieser Sicht muss das seit 2003 existierende Couchsurfing schon fast als früher Vorläufer eingestuft werden.
Trotz dieser jungen Geschichte, sorgen einige dieser Angebote für Furore, um nicht zu sagen für Aufregung. Das hängt zweifellos mit ihrem immens schnellen Wachstum zusammen, was ihnen bisweilen auch die Einstufung als disruptive Innovation einbrachte. So schaffte es Airbnb dank einer exponentiellen Wachstumskurve bis Mitte 2016 weltweit etwa 80 Millionen Gästen Unterkunft zu geben; gleichzeitig waren im letzten Quartal 2016 etwa 2,3 Millionen Angebote (‚listings‘) über Airbnb verfügbar. Die Dimension wird klar, wenn man vergleicht, dass die größte Hotelkette der Welt (nach der Fusion von Marriott und Starwood) etwa 1,1 Millionen Zimmer im Angebot haben wird und der größte generalisierte Online-Vermittlungsdienst von Zimmern und Unterkünften im Tourismus (booking.com) es auf ebenfalls etwa 1,1 Millionen Vertragspartner bringt. Angesichts dieser Dynamik mag es nicht verwundern, dass vor allem einige Städte versuchen, sich die Steuerungshoheit in diesem Bereich explizit zurückzuholen, und teilweise auf die Bremse drücken. Die Motivation dahinter ist aber weniger von touristischen Überlegungen getrieben, sondern beruht vor allem auf der Sorge um Auswirkungen auf den Miet- und Wohnungsmarkt.
So hat Berlin etwa ein relativ striktes Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Während es weiterhin möglich ist, einzelne Zimmer bei gleichzeitiger Anwesenheit des Wohnungseigentümers kurzfristig unterzuvermieten, ist das Untervermieten von ganzen Wohnungen deutlich erschwert worden. Ähnlich restriktiv geht die Stadt New York gegen die Untervermietung von Wohnungen für touristische Zwecke vor. Andere europäische Städte wie Florenz, Rom oder auch Amsterdam haben hingegen Vertragslösungen mit Airbnb gesucht, um gewisse Standards zu sichern und bezüglich des Eintreibens von Steuern zusammenzuarbeiten. Auch aus Innsbruck sind solche Überlegungen zu hören. Allerdings reagieren nicht alle Städte restriktiv. Das besagte Amsterdam, aber auch London haben ihre Gesetzte spezifisch auf die neuen Entwicklungen angepasst: Klare Grenzen (wie ein 90-Tage Maximum) sollen Exzesse verhindern, aber es gleichzeitig der Bevölkerung ermöglichen, die neuen Möglichkeiten mit mehr Rechtssicherheit wahrnehmen zu können.
Wie ist das Phänomen nun aber aus der Sicht des Tourismus einzuschätzen? Durch die geringe zeitliche Tiefe der Entwicklungen sind fundierte Daten relativ spärlich gesät. Um dem entgegenzusteuern, untersuchen Tourismusforscher der Curtin University (Prof. Christof Pforr) und der EURAC (Michael Volgger) seit 2016 die Auswirkungen von Airbnb auf den Tourismus im australischen Bundesstaat Westaustralien. Erste Erkenntnisse für diese Destination zeigen, dass das Wachstum von Airbnb sowohl auf der Nachfrageseite als auch auf der Angebotsseite beträchtlich ist. So kann von angebotsseitigen Zuwachsraten von knapp 5 Prozent pro Monat ausgegangen werden. Während auf der Nachfrageseite 2015 knapp 3 Prozent der internationalen Gäste in Westaustralien ihre Unterkunft über Airbnb buchten, deuten erste zahlen für 2016 daraufhin, dass dieser Anteil fast auf 6 Prozent angewachsen ist.
Vertreter der etablierten Beherbergungsangebote (insbesondere Hoteliers) kommentieren das Aufkommen des Phänomens auch in Westaustralien teilweise kritisch. Speziell wird auf die Gefahr ungleicher Wettbewerbsbedingungen verwiesen. Aus Destinationssicht ist aber die Frage interessant, ob durch Airbnb überhaupt neue Konkurrenz für die etablierten Anbieter entsteht oder ob dadurch nicht möglicherweise gänzlich andere Arten von Gästen in die Destination gelockt werden. Die durchgeführten Untersuchungen weisen in der Tat auf eine gewisse „Andersartigkeit“ von Airbnb-Gästen hin. Nebst der Tatsache, dass es sich primär um ein ferientouristisches Phänomen handelt, weisen beispielsweise gewisse Märkte und Herkunftsländer ein wesentlich höheres Interesse an Airbnb-Angeboten auf. In Westaustralien sind es vor allem die online-affinen asiatischen Boom-Märkte wie Singapur oder Malaysia. Aber auch kontinentaleuropäische Gäste sind hier gut vertreten. Neben Online-Affinität scheint auch eine gewisse Offenheit für Innovationen Airbnb-Gäste auszuzeichnen. Es mag den einen oder anderen vielleicht erstaunen, dass vor allem Paare und Familien zu den häufigsten Airbnb-Nutzern in Westaustralien gehören. Sicherheitsbedenken spielen bei der Wahl dieser Unterkunftsform also wohl eher eine untergeordnete Rolle.
Neben der etwas unterschiedlichen Gästestruktur unterscheiden sich Airbnb-Gäste von Nicht-Airbnb-Gästen auch in ihrer geographischen Verteilung in der Gesamtdestination. Das mag zum Teil mit der Struktur des Angebots zusammenhängen. Städtische Randgbeiete profitieren; es ist aber ganz speziell auch festzustellen, dass es sich in Westaustralien bei Airbnb nicht um ein rein auf den städtischen Tourismus beschränktes Phänomen handelt. Gerade stadtnahe, ländliche Feriendestinationen werden vom Airbnb-Gast sehr gerne besucht.
Für zwei Klischees konnten keine eindeutigen Belege gefunden werden: Zum einen scheint es in Westaustralien nicht so zu sein, dass Airbnb nur den alternativen Reisenden anspricht, der angenommenerweise ein ganz besonders ausgeprägtes Interesse an der einheimischen Kultur hat, ansonsten aber touristische Attraktionspunkte meidet. Zum anderen geht aus der Analyse auch nicht statistisch stichhaltig hervor, dass Airbnb-Gäste grundsätzlich weniger ausgabefreudig wären als Gäste, die andere Unterkunftsformen vorziehen.
Ein vorläufiges Fazit aus tourismuswissenschaftlicher Sicht könnte im Falle der Destination Westaustralien wie folgt lauten: Der Airbnb-Gast unterscheidet sich vom Durchschnittsgast der Destination – mehr als Kritiker zugeben, aber weniger als man vielleicht auf Befürworterseite unter dem Bild des ‚alternativen Reisenden’ gerne beschwört. Spannend ist vielmehr, dass eine Destination damit offenbar verstärkt innovationsaffine Gäste anzuziehen vermag. Insofern scheint aus touristischer Sicht ein ausgeglichener Umgang mit dem Phänomen Airbnb ratsam. Der ‚goldene Mittelweg’, so es ihn gibt, ist gefragt. Voraussetzung dafür ist aber jedenfalls eine datenbasierte, kontinuierliche Beobachtung des Phänomens. Das sollte bei den genannten Wachstumsraten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Autoren: Michael Volgger und Christof Pforr
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