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Über Grenzen hinweg zusammenarbeiten – Alpenregionen sind Vorbild

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Über Grenzen hinweg zusammenarbeiten – Alpenregionen sind Vorbild
EVTZ-EUSALPCredit: | All rights reserved

Die „Älpler“ sind vorbildliche Europäer. Das Europäische Rechtskonstrukt EVTZ (Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit) findet in den Alpen besten Anklang. In kaum einer anderen Region Europas wird diese rechtlich bindende Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit so aktiv gelebt wie hier in den Alpen. Das haben Prof. Dr. Tobias Chilla (Nachfolger von Prof. Dr. Werner Bätzing) und seine Mitarbeiterin Frau Dipl. Ing. Franziska Sielker vom Institut für Angewandte und Europäische Regionalentwicklung der Universität Erlangen zum Anlass genommen, sich im Rahmen ihrer zweiwöchigen Alpenexkursion, an der Europäischen Akademie (EURAC) ganz genau zu diesem Thema zu informieren.

Gemeinsam mit 26 Studenten sind sie zu ihrem großen Alpenpraktikum aufgebrochen, um in verschiedenen Alpenstaaten Fragen zur Regionalentwicklung, und vor allem die Rolle der ‚Makroregionalen Strategie‘ – im Europäischen Jargon der ‚EUSALP‘ – zu diskutieren. Nach Treffen beim Bayrischen Umweltministerium, der Cipra Österreich und der Arge Alp sowie der Besichtigung des BBT hat die Gruppe die akademische Diskussion zuerst am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung in Innsbruck (IGF) und danach an der EURAC vertieft, ehe es in die Westalpen nach Frankreich und die Schweiz weiterging.

 

Grundlage und Beispiele zum Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit

Ergänzend zum politisch wie rechtlich komplexen Umfeld der makroregionalen Alpenstrategie „EUSALP“ konnten in der Auseinandersetzung mit dem EVTZ an der EURAC sehr anschauliche und praxisrelevante Beispiele zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit diskutiert werden. Ass. jur. Carolin Zwilling und MMag. Greta Klotz vom EURAC Institut für Föderalismus- und Regionalismusforschung informierten im Detail über die rechtlichen Grundlagen des EVTZ zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus. Allgemeine Vorteile der europäischen Rechtsgrundlage, wie sie sich aus der EVTZ Verordnung 1082/2006 mit ihrer Änderung 1202/2013 ergeben, wurden ebenso erläutert wie einzelne Details, etwa die gezielte Wahl des Rechtssitzes in einem der Mitgliedsstaaten oder die Regeln betreffend den Errichtungszweck, Mitglieder, Ziele, Aufgabe, Sprache sowie Dauer der Zusammenarbeit. Unterstrichen haben die beiden Rechtsexpertinnen die Bedeutung der eigenen Rechtspersönlichkeit eines EVTZ nach Unionsrecht und die Möglichkeit der Co-Finanzierung seitens der EU, um Maßnahmen zur territorialen Zusammenarbeit umzusetzen. Trotz trockener Rechtsmaterie wurde durch die vielfältig und erfolgreich umgesetzten Beispiele klar, dass der EVTZ über Grenzen hinweg unabhängig von der Thematik und geographischen Dimension wirtschaftliche Prosperität fördert und identitätsstiftend wirkt:

  1. Als im September 2014 in den Pyrenäen im Cerdanya Tal unmittelbar an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien das erste grenzübergreifende Krankenhaus Europas eröffnete, um sowohl Spaniern als auch Franzosen unbürokratisch Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, setzte der EVTZ ein Zeichen für höchste Solidarität und grenzübergreifendes Denken.
  2. Oder auch die grenzübergreifende Kooperation zwischen dem National Park „Mercantour“ der Region Départements of Alpes-de-Haute-Provence in Frankreich und dem Naturpark „Alpi Marittime“ der Provinz Cuneo verdeutlicht, dass grenzübergreifende Themen und Interessen wie nachhaltiger Tourismus, Bildungs- und Forschungsinitiativen sowie die Problematik der großen Karnivore – Bär, Luchs und Wolf – gemeinsam in konstruktiver Zusammenarbeit anzugehen sind.
  3. Geographisch eine andere Dimension nimmt der EVTZ „Regione Senza Confini“ Kärnten, Friaul Julisch Venetien und Veneto mit 6,6 Millionen Bewohnern ein. Auch hier ist es das Ziel, grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit unter den Mitgliedern zu fördern und zu vereinfachen und wirtschaftliche und soziale Kohäsion zu stärken.
  4. Etwas Ungewöhnlicher ist der geplante transnationale Zusammenschluss des bisherigen Vereins nach österreichischem Recht „Alpine Pearls“ zu einem EVTZ. Ohne dass die alpenweit verteilten Mitgliedsgemeinden territorial aneinandergrenzen, wird hier das Ziel verfolgt, sanfte Mobilität im Tourismus zu fördern.

Nach einer intensiven Diskussion zum EVTZ im Alpenraum leiteten die beiden Expertinnen zum Thema EUSALP über und erörterten die mögliche Wechselbeziehung von EVTZ und Makroregionaler Strategie. Beide Konzepte basieren auf der Grundidee, die territoriale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen lokalen, regionalen und nationalen Gebietskörperschaften und Akteuren zu unterstützen.

Die brennenden Fragen sind daher zum einen, welche Auswirkungen die EUSALP auf bestehende Strukturen wie den EVTZ haben wird und zum anderen, ob und wenn ja wie diese beiden Kooperationsformen miteinander interagieren werden. Die Wissenschaftlerinnen zeigten eine Reihe von Berührungspunkten auf, die auf eine konkrete Rolle der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino innerhalb der Alpenstrategie hinweisen. Der Generalsekretär der Europaregion bestätigte später ebenso, dass die Struktur des EVTZ ideal zur Implementierung der EUSALP dienen könne.

 

Die Europaregion – EUREGIO – Tirol, Südtirol und Trentino

Das Paradebeispiel für einen funktionierenden und aktiv gelebten EVTZ ist die Europaregion – EUREGIO – Tirol, Südtirol und Trentino. Der Generalsekretär dieser EUREGIO, Mag. Matthias Fink, hebt hervor, dass diese drei Mitglieds-Regionen des EVTZ, das Bundesland Tirol, die Autonomen Provinzen Bozen Südtirol und die autonome Provinz Trient traditionell eng miteinander verwoben sind.

Somit war der Schritt zur Gründung eines EVTZ eine logische Folge, um einen entsprechenden rechtlichen Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu schaffen. Der Rechtssitz und auch die gesamte EUREGIO Verwaltung mit seinen acht Mitarbeitern ist an der Europäischen Akademie (EURAC) in Bozen angesiedelt.

Die Europaregion bietet neue Chancen für Bürgerinnen und Bürger der drei Regionen. Die gemeinsame geschichtliche Vergangenheit, die Mehrsprachigkeit, Tourismus, Kultur und Lebensqualität, und die naturräumlichen Rahmenbedingungen des Alpenraums wirken verbindend. Infolge der großen Entfernungen zu den nationalen Hauptstädten gründet auch der politische Wille zur Kooperation, um gemeinsame Herausforderungen effektiver lösen und politisch stärkere Sichtbarkeit zeigen zu können.

Das EUREGIO-Büro koordiniert die Umsetzung gemeinsamer Projekte durch die zuständigen Fachabteilungen der Landesverwaltungen. Diese Initiativen zur Netzwerkbildung sind eng mit den Zielen des EVTZ abgestimmt. Projekte zur Europäischen territorialen Zusammenarbeit sollen hier mit und ohne die Kofinanzierung der EU umgesetzt werden. Zur Weiterentwicklung der Zielsetzungen entstand unter der Leitung des Direktors des Innsbrucker Föderalismusinstituts, Prof. Dr. Peter Bußjäger und in Zusammenarbeit mit den EUAC Instituten für Föderalismus- und Regionalismusforschung sowie für Minderheitenrecht, im Rahmen des EUREGIO-Lab am Forum Alpbach ein Thesenpapier mit Vorschlägen für die Vertiefung grenzüberschreitender Zusammenarbeit in strategisch relevanten Politikfeldern, die sich aus der besonderen gemeinsamen Situation der drei beteiligten Regionen heraus ergeben.

Damit die Bevölkerung die Europaregion stärker wahrnimmt, forciert die Europaregion ihre Aufgaben in jenen Bereichen, die für die Bürgerinnen und Bürger von spürbarer Relevanz sind und/oder die Zusammenarbeit besonders sichtbar machen. Dafür sind eine verstärkte institutionelle Zusammenarbeit, Partizipationsprozesse in gemeinsamen intergenerationalen Beteiligungsformen und eine Kommunikationsstrategie über diverse Medien vorgesehen. Konkrete Projekte wurden auf den Weg gebracht. Das EUREGIO-Summer-Camp für Kinder zum Erlernen der Zweitsprache, eine Studie zur Vernetzung der ambulanten und stationären Pflege in den drei Ländern oder die Homepage mit der Vorstellung je einer Person, eines Ortes und einer Rechtsfrage des Monats setzen erste Maßstäbe in diese Richtung. Leuchtturmprojekte sollen den Fußabdruck der EUREGIO sichtbarer machen. Neben dem EU-Mega Infrastrukturprojekt Brennerbasistunnel setzt die EUREGIO einen ersten Schritt dazu mit dem Forschungsförderungsfonds. Ab 2015 stellt dieser jährlich eine Million Euro für grenzüberschreitende Forschungsprojekte in der Europaregion zur Verfügung. Begleitend dazu gibt es auch einen Mobilitätsfonds in der Höhe von 100.000 Euro, der es Lehrenden und Studierenden ermöglicht, Seminare im jeweils anderen Landesteil zu halten oder zu besuchen. Darüber hinaus konnte 2015 erstmals eine EUREGIO-Akademie organisiert werden. Weitere Schwerpunktprojekte sind der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs mit besseren Zug- und Busverbindungen zwischen den Landesteilen und einer durchgehenden Fahrkarte sowie der Ausbau des Schüleraustausches. Und auch die beiden Wettbewerbsverfahren zur Vergabe des EUREGIO Umweltpreises und des Jungforscherinnenpreises machen die Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino sichtbar, erlebbar und bürgernah.

 

Der Community led local development (CLLD) Ansatz

Ergänzend zu den durchgeführten Initiativen und Projekten des EVTZ, hat Dr. Christian Hoffmann vom EURAC Institut für Regionalentwicklung und Standortmanagement mit dem Communiy led local development (CLLD) Ansatz ein weiteres Instrument zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit vorgestellt. Verankert ist diese Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der EU Verordnung 1303/2013 (§32-§35). Im Gegensatz zum EVTZ, dessen Projekte und Initiativen von seinen Mitgliedern in dem Fall den öffentliche Verwaltungseinheiten ausgehen, nehmen die hier initiierten Aktivitäten ihren Ursprung bei den Stakeholdern und Akteuren vor Orten. Denn sie verfügen am besten über das lokale Wissen, wie endogene Potenziale und lokale Assets vor Ort in Wert gesetzt werden können.

Die Ausschreibung zur Kandidatur als grenzübergreifende CLLD Region im Rahmen des Interreg V Programms Italien Austria, sah diesen CLLD Ansatz obligatorisch vor. Im Wettbewerb mit den Regionen Terra Raetica zwischen Graubünden, dem Vinschgau und dem Bezirk Landeck, sowie dem nördlichen und südlichen Wipptal hat sich auch die Dolomiti Live Region – Alto Bellunese, Osttirol und das Pustertal – diesem integrativen Prozess unter der Leitung des Regionsmanagements Osttirol (RMO) zur Herleitung einer grenzübergreifenden Entwicklungsstrategie gestellt. In Anlehnung an den gemeinsamen strategischen Rahmen (GSR) der EU2020 Ziele wurde die Strategie nach vier Modulen aufgebaut: Gebietsbeschreibung, SWOT – Analyse, Zielhierarchie und Maßnahmenplan. Die Inhalte dazu mussten nachweislich durch die Einbindung von lokalen Experten und Stakeholdern erarbeitet werden. Eine repräsentative Telefonumfrage zu Themen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit und mehrere Workshops zur Ableitung von Zielsetzungen und möglichen grenzübergreifenden Projektansätzen lieferten für die einzelnen Module die notwendigen partizipativ erarbeiteten Inputs. Vor dem Hintergrund, dass die Moderatoren der Arbeitsgruppen auf diesen Workshops die diskutierten Inhalte möglichst simultan zu übersetzen hatten, sind die erbrachten Outputs und gemeinsam vereinbarten Ergebnisse nicht hoch genug einzuschätzen. Aus diesem partizipativen Prozess kristallisierten sich drei strategische Achsen heraus, die jene Themen vorgeben, für die interessierte Stakeholder und Experten grenzüberschreitende Projekte einreichen. Deren Relevanz für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist vom Interregrat Dolomiti Live bestehend aus GAL Alto Bellunese, der Bezirksgemeinschaft Pustertal und RMO Osttirol anhand der Vorgaben durch die gesetzten Schwerpunkte der Entwicklungsstrategie zu bewerten:

  • Ein Schwerpunkt konzentriert sich dabei auf den Tourismus und hier auf die Gemeinsame Produktentwicklung und den Aufbau von grenzübergreifenden Managementsystemen sowie die Initiativen zur Förderung der Innovationsorientierung und Kooperationen zwischen Betrieben.
  • Ein zweites Maßnahmenpaket bemüht sich um den Schutz und die Inwertsetzung des natürlichen und kulturellen Erbes, die Bewahrung und Steigerung der Attraktivität der Naturräume bzw. die Verbesserung der Ressourceneffektivität und -effizienz.
  • Und die dritte Achse setzt ihrerseits für eine Ausgeglichene sozio-demographische Entwicklung ein, und versucht das durch Verwaltungs- und Gestaltungskooperationen bzw. durch die Ausarbeitung von Programmen und Studien zu Gesundheitsthemen und sozialen Ungleichheiten zu erreichen.

Autor: Christian Hoffmann

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https://doi.org/10.57708/b22008428
Hoffmann, C. Über Grenzen hinweg zusammenarbeiten – Alpenregionen sind Vorbild. https://doi.org/10.57708/B22008428

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