Basler Mumienrätsel gelöst
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Basler Mumienrätsel gelöst
In Gewebeproben einer Kirchenmumie aus dem 18. Jahrhundert entdeckten Forschungsteams von Eurac Research und dem Naturhistorischen Museum Basel einen unbekannten Erreger und konnten so klären, an welcher Krankheit die Frau litt.
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Die Mumie ist als „Dame aus der Barfüsserkirche“ bekannt, weil sie 1975 bei Bauarbeiten in der Basler Barfüsserkirche gefunden wurde. Verschiedene Hinweise wie charakteristische Veränderungen am Schädelknochen legten zunächst nahe, die Frau – 2018 dank interdisziplinärer Zusammenarbeit unter der Leitung des Naturhistorischen Museums Basel schließlich als die Pfarrerswitwe Anna Catharina Bischoff identifiziert – habe an Syphilis gelitten. Bei der Analyse durch ein Team des Instituts für Mumienforschung wurden jedoch keine Spuren des Syphilis-Erregers gefunden. Mittels einer neuen, bislang an alter DNA selten angewandten Methode, gelang es aber, das Genom eines noch unbekannten nichttuberkulösen Mycobakteriums zusammenzusetzen und auszuschließen, dass die Frau an Syphilis starb. Die Möglichkeit, auch in sehr altem Genmaterial neue und seltene Mikroorganismen zu entdecken, erlaubt der Wissenschaft Einblicke in wichtige Aspekte der Entwicklung menschlicher Infektionserkrankungen.
Großes Potenzial hat sie auch für die Mikrobiomforschung, erklärt der Mikrobiologe und Hauptautor der Studie Mohamed Sarhan: „Um bewerten zu können, wie die menschliche Bakterienbesiedelung sich verändert hat, muss man wissen, welche Mikroben in der Darm- oder Mundflora unserer Vorfahren vorhanden waren.“ Die „de-novo assembly“-Methode, bei der Basensequenzen wie ein großes Puzzle zu einem bislang unbekannten Gesamtgenom zusammengesetzt werden, wird aber auch in der modernen medizinischen Diagnostik zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist Frank Maixner überzeugt, ebenfalls Mikrobiologe von Eurac Research und Leiter der Studie: „Das Verfahren kann ein wichtiges Hilfsmittel sein, die Ursachen von Krankheiten zu klären, bei denen der verantwortliche Erreger noch nicht bekannt ist.“ Das Bakterium, das Anna Catharina Bischoff befallen hatte, gehört zu den nichttuberkulösen Mykobakterien, die Teil einer Bakterienfamilie sind, zu der auch die Erreger von Lepra und Tuberkulose gehören; nichttuberkulöse Mykobakterien werden im allgemeinen als Umweltbakterien betrachtet, die im Boden und Wasser präsent sind. Sie sind selten Krankheitserreger, können aber bei immungeschwächten Menschen Lungenentzündungen und andere Infektionen auslösen. Dass die Pfarrerswitwe Bischoff mit 68 Jahren starb, hatte aber aller Wahrscheinlichkeit weniger mit ihrer Infektion zu tun, als mit der Behandlung: Im Europa jener Zeit wurde gegen Syphilis und andere Infektionen häufig Quecksilber eingesetzt, und die Quecksilberkonzentration im Gehirn der Frau war extrem hoch. Offenbar hatte man ihr Quecksilberdämpfe oder -salben verabreicht. Das Quecksilber hat höchstwahrscheinlich auch den Mumifizierungsprozess unterstützt. Diese hohe Quecksilberkonzentration und die charakteristische Veränderungen am Schädelknochen hatten die Forscher ursprünglich in ihrer Hypothese einer Syphiliserkrankung bestärkt.
Mit der Entdeckung des Krankheitserregers hat das Wissen vom Leben und Tod der Anna Catharina Bischoff eine neue Richtung bekommen, das Bild von ihr ist wieder ein wenig vollständiger geworden. Zur Beantwortung der ersten großen Frage, nämlich wer die Frau war, hatte das Institut für Mumienforschung zusammen mit dem Genealogen des Naturhistorischen Museums Basel ebenfalls entscheidend beigetragen, indem es durch genetische Analyse eine Verwandtschaft mit lebenden Nachkommen nachwies und so die vermutete Identität der Mumie bestätigte.
Link zur wissenschaftlichen Publikation „A nontuberculous mycobacterium could solve the mystery of the lady from the Franciscan church in Basel, Switzerland”: https://bmcbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12915-022-01509-7
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