Der Raum, der die heutige Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino umfasst, besaß über mehr als drei Jahrhunderte nur eine einzige Universität – die Universität Innsbruck. Heute hat sich dieses Bild deutlich gewandelt. Die Universität Innsbruck ist nur mehr eine unter mehreren Hoch- und Fachhochschulen. Ein Teil dieser Einrichtungen hat schon eine gewisse Tradition, der Großteil ist jedoch erst in den letzten Jahrzehnten in einer einmaligen Phase der Dynamisierung des tertiären Bildungssektors der Region entstanden. Doch wie sieht das Verhältnis der Region zu ihren Universitäten aus? Dem Zusammenspiel von Landschaft/Raum und Universitäten wurden bereits einige Forschungsarbeiten gewidmet. Einen wichtigen Ansatz hierzu bietet das Konzept des Bildungsraums (Töpfer 2016). Dieses ist aus der Diskussion um Bildungslandschaften der Frühen Neuzeit entstanden, welche die Beziehung zwischen einer Bildungsinstitution, deren Verortung im geografischen Raum sowie die Eigen- und Fremdpositionierung derselben im diskursiven und kommunikativen Raum und den Wissensordnungen beschreibt (Gerber 2018, S. 18–33). Das Konzept des Bildungsraums adaptiert nun diese Perspektive für die jüngere Bildungsgeschichte, indem sie die Rahmenbedingungen einer nunmehr institutionell verdichteten und von unterschiedlichen administrativen Ebenen durchzogenen Gesellschaft untersucht. Das Konzept der Bildungsräume ist außerdem relationaler und betrachtet die einzelnen Bildungsräume (lokal, regional, national und inter- und transnational) als verbunden und überlappend (Töpfer, S. 87–88; Gerber, S. 33–35).
Universitäten werden einerseits von dem sie umgebenden geografischen Raum in ihrer Rolle und Funktion geformt, andererseits positionieren sie sich und prägen den Raum wiederum. Raum wird dabei nicht allein ausschließlich unter territorialen Aspekten betrachtet, sondern auch als Kultur- und Wissensraum sowie als politischen Rahmen. Die historischen Vorstellungen von der Rolle der Landesuniversität Innsbruck sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung.
Gründungs- und Reformphasen bieten lohnende Ansatzpunkte, um das Verhältnis zwischen Universitäten und dem sie umgebenden Raum zu untersuchen, da zu diesen Zeiten meist nicht nur die Rolle der Universitäten, sondern auch deren räumliche Verortung diskutiert wird. Daneben bieten beispielsweise Mobilität und Herkunft von Studierenden und Lehrenden einer Universität, die Einbindung in unterschiedliche Wissensräume, in wissenschaftliche Netzwerke die Möglichkeit, danach zu fragen, welche Räume Universitäten bedienen und bespielen. Schließlich gilt es zu ergründen, inwieweit diskursive Verortungen und gelebte Realitäten zusammenpassen oder doch voneinander divergieren beziehungsweise vielmehr Wunsch- und Idealvorstellungen sind.
Um dies zu verdeutlichen, ist ein Blick in die Vergangenheit durchaus von Interesse. Die Vorstellung einer Landesuniversität, einer Universität des Landes und für das Land, war bereits prägend für die Gründung der Universität Innsbruck im Jahr 1669 (Friedrich 2018; Friedrich/Rupnow 2019). Als vom Land finanzierte Universität sollte sie die Studierenden des Landes versammeln und den Bedarf an Theologen, Juristen und Medizinern – dies war die Rangordnung innerhalb der Universität – im Land decken. Eine Möglichkeit der Untersuchung des Raums einer Universität ist der Zugang über die studentische Herkunft und Mobilität, die für Innsbruck nur in Ansätzen vorliegt, aber für die Frühzeit eine starke Dominanz aus dem Tiroler Raum zeigt. Anspruch und Wirklichkeit deckten sich somit (Matrikel 1951–1992).
Gleichzeitig sollte die Universität als geistiges Gravitationszentrum Wissen zur Verfügung stellen und war damit bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, mit wenigen Ausnahmen, die einzige wissenschaftliche Institution im Tiroler Raum. Schon in ihrer Gründungsurkunde wurde die Universität Innsbruck an einem Knotenpunkt zweier Kulturen situiert, der deutschen und italienischen, und somit in den europäischen Großraum, im Süden des Heiligen Römisches Reiches eingebettet.
Schließlich muss noch eine weitere, oft übersehene, räumliche Verortung der Universität betrachtet werden, nämlich jene im Netzwerk der jesuitisch geprägten Universitäten. Die Gesellschaft Jesu stellte bis zur Auflassung des Ordens 1773 fast ausnahmslos die Professoren an zwei der vier Fakultäten – der Philosophischen und der Theologischen. Diese wechselten, wie für den Orden üblich, regelmäßig ihren Wirkungsort und bildeten ein Netzwerk, das im süddeutschen und helvetischen Raum für eine ständige Zirkulation von Personen und damit von Wissen sorgte und damit den politischen Raum klar überschritt. Gleichzeitig pflegten und vermittelten die Jesuiten mit ihrem Studienplan und deren Methode, der Ratio Studiorum, eine Wissensordnung, die weltweit, zwar mit lokalen Anpassungen, an den Bildungsinstitutionen des Ordens in Gebrauch war und somit ein globalisiertes Wissensnetzwerk bildete (Friedrich 2016, S. 284–355). Auch der Gebrauch von Latein als universelle Sprache der Wissenschaft wirkte in diesem Sinn verbindend und band die Universität theoretisch in die gesamte wissenschaftliche Community der Zeit ein.
Allein dieser kurze Blick auf die Gründungsphase verdeutlicht die unterschiedlichen räumlichen Überlappungen und die unterschiedlichen Reichweiten der frühneuzeitlichen Landesuniversität. In den folgenden Jahrhunderten schufen politische Reformen und neue Grenzziehungen neue Vorstellungen von der Aufgabe der Landesuniversität und dem Verhältnis zur Region. Deutlich wird dies etwa, als Joseph II. die Universität zum Lyzeum degradierte, stattdessen die Volksschulen förderte und damit Volksbildung und Elitenbildung gegeneinander aufwog.
Interessante Einblicke erlauben auch die Regierungswechsel während und nach den napoleonischen Kriegen: Als Tirol und damit die Universität unter bayerische Herrschaft gelangten, wurde sie in die bayerische Universitätslandschaft integriert und mit neuen gesetzlichen Regelungen einer neuen Organisationsform konfrontiert. Der bayerische Kurfürst (später König) war gewillt, die Universität zu fördern und sie als Institution zur Durchsetzung des neuen Regimes zu nutzen, indem er gezielt auf die geistige Elite des Landes einwirkte und die Universität den Idealen der Aufklärung verschrieb. Erst als nach dem Tiroler Aufstand die südlichen Tiroler Landesteile dem Königreich Italien zugeschlagen wurden, entfiel die Notwendigkeit einer Universität in Innsbruck. Die Studierenden aus diesen Gebieten wurden nun an die norditalienischen Universitäten, allen voran Padua verwiesen, jene aus dem bayerischen Teil Tirols an die Universität Landshut (Oberkofler/Goller 1996, S. 89–97).
Mit der Rückkehr Tirols unter Habsburgische Herrschaft 1814/15 wurde diese Grenzziehung rückgängig gemacht und das Kronland Tirol etabliert. Die neuen/alten Machthaber und die Tiroler Stände sahen in der Universität ein wichtiges Mittel zur Etablierung einer gemeinsamen Tiroler Identität im nunmehrigen Kronland, schließlich wurden mit den Studierenden die zukünftigen führenden Verwaltungsbeamten des Landes ausgebildet. In der Folge war es tatsächlich die regionale Elite, die an der Universität studierte, Ausländern war der Besuch der Universität nur in Ausnahmefällen erlaubt. So schön diese Idealvorstellung war – Ausbildung einer gemeinsamen Identität durch gemeinsames Studium und gegenseitiges Kennenlernen – so zaghaft funktionierte dies in der Praxis. So wurden etwa Lehrveranstaltungen nur auf Deutsch angeboten, weshalb italienische Studierende oft auf das private Selbststudium zurückgreifen mussten. Als das Privatstudium in den 1850er Jahren schließlich abgeschafft wurde, waren die nationalen Gräben innerhalb der Habsburgermonarchie und Tirols schon so tief, dass die Universität eher zum Kampfplatz der unterschiedlichen Sprachgruppen wurde als zum Ort der Verständigung.
Die politische Führung des Landes hielt zwar am Konzept der Landesuniversität fest, aber letztlich spiegelten die Konflikte an der Universität die wachsende Trennung im Land wider, anstatt eine Landeseinheit zu repräsentieren. Viele italienischsprachige Studierende Tirols nahmen die Universität Innsbruck nicht mehr als ihre Landesuniversität war. Diese Trennung wurde spätestens nach dem Ersten Weltkrieg auch Realität, wenngleich anders als erwartet, indem auch Südtirol vom Rest des Kronlandes abgetrennt wurde. Der vormalige Bildungsraum der Universität war nun von einer Grenze durchzogen. Die Universität war auf das verbliebene Bundesland Tirol zurückgeworfen, Südtirol und das Trentino verblieben ohne eigene Universität.
Vollzieht man nun einen großen Schritt in die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit, so zeigt sich ein vollkommen anderes Bild. Zwar gilt die Universität Innsbruck auch heute noch als Landesuniversität der Provinz Bozen, gleichzeitig befinden sich auf dem Gebiet des ehemaligen Kronlandes Tirol mittlerweile fünf Universitäten – private und öffentliche. Dazu kommen mehrere Hoch- und Fachhochschulen sowie diverse Forschungszentren, wie Eurac Research in Bozen.
Diese Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen sind allerdings nicht mehr an einem Ort konzentriert, sondern verteilen sich auf die gesamte Europaregion, wobei hier die jüngste der drei Universitäten, jene in Bozen, durchaus eine Vorreiterrolle besaß. Die Universitäten beziehungsweise einzelne Fakultäten kamen damit gewissermaßen zum Land, anstatt umgekehrt, wie es bisher üblich war.
Diese Veränderung und die Dynamisierung des Bildungsraums geschahen unglaublich rasch, nämlich innerhalb von nur 25 Jahren. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs hatte in Südtirol und dem Trentino die Diskussion um eine Universität im Land nur zaghaft Fahrt aufgenommen, nicht zuletzt, da andere Themen – etwa die Elementar- und Sekundarbildung – wichtiger erschienen und gleichzeitig die Universität Innsbruck als Landesuniversität für Südtirol angesehen und propagiert wurde (Peterlini 2008; Peterlini 2008a).
Während in Südtirol diese Haltung auch in den 1960er Jahren trotz zahlreicher Vorschläge für eine Universitätsgründung in Bozen dominierte, war die politische Führung in Trient dahingehend offener. Hier entfaltete einerseits das Bekenntnis zur Innsbrucker Landesuniversität weniger Wirkung, andererseits gab es dort nicht die Sorge vor einer geistigen und sprachlichen Unterwanderung von italienischer Seite. Wenngleich der Initiator Bruno Kessler und der spätere Rektor Paolo Prodi durchaus die Idee verfolgten, die Universität zu einer Landesuniversität der Region Trentino-Südtirol zu machen, war dies für die Südtiroler Politik keine Option. Vielmehr wirkten die Studentenunruhen der 1960er Jahre sowie der Zuzug von Studierenden aus ganz Italien abschreckend, weshalb man an Innsbruck als Landesuniversität festhielt (Vecchio, S. 195–198).
Erst Ende der 1980er Jahre beziehungsweise Anfang der 1990er Jahre kam wirklich Bewegung in die Universitätslandschaft der Region, als in Südtirol ernsthaft über eine Universitätsgründung diskutiert wurde, die schließlich 1997 in Bozen erfolgt ist. Ausschlaggebend war nunmehr eine gesamtstaatliche Gesetzesänderung, die für zahlreiche Berufe einen Hochschulabschluss vorsah, aber auch wirtschaftliche Überlegungen, die geringe Quote an Akademikerinnen und Akademikern und der Braindrain in der Provinz. Das Mantra einer besseren Wettbewerbsfähigkeit durch Forschung und Entwicklung hatte nun Einzug in die Köpfe der Politik gehalten. Wirtschaftliche Hoffnungen übertrafen die kulturellen Befürchtungen der 1960er Jahre, zumal letztere durch das Paket nicht mehr so dominant waren, wie in den Nachkriegsjahrzehnten (Peterlini 2008b; Obermair 2008, Nr. 68, 69, 88, 108).
Allerdings wurde die Politik in Bozen nicht müde, Innsbruck weiterhin als Landesuniversität zu betrachten. So wurden nicht nur semantische Verrenkungen vorgenommen, sondern der zu gründenden Universität einige Entwicklungshemmnisse – wie ein Verzicht auf Forschung oder ein verordneter Fokus auf Ausbildungsnischen – auferlegt. Auch die Gründung von Eurac Research als postuniversitäre Institution im Jahr 1992 war gewissermaßen ein Produkt dieser Abwehrhaltung, die akademische Infrastrukturen schaffen und gleichzeitig eine Universität verhindern wollte. Allerdings sollte es dann gerade Eurac Research sein, die bei der Gründung der Universität in Bozen mit ihrer Expertise eine tatkräftige Rolle spielte (Peterlini 2008b, S. 289–293).
Wenngleich die zuvor genannten Einschränkungen für die Universität schon im Gründungsprozess und schließlich in den ersten Jahren des Bestehens der Freien Universität Bozen abgebaut wurden, dauerte es dennoch, bis die jüngste Universität in der Region ihre Position fand, sowohl in Bezug auf die bestehenden Universitäten in der Nachbarschaft als auch im Hinblick auf die Frage nach ihrer nationalen und regionalen Einbettung (Oberhuber 2018). Anlässlich einer ersten Standortbestimmung 2007 war es dann vor allem die Positionierung zwischen den beiden Universitäten im Norden und Süden und ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den beiden Sprach- und Kulturkreisen, die dominant für das Selbstverständnis geworden waren. Eine Positionierung die somit von Innsbruck auf Bozen übergegangen war.
Auf Seiten der Universität Innsbruck hatte es zunächst aufmerksames Beobachten gegeben, waren Südtiroler Studierende doch eine wichtige Klientel der Hochschule. Die Sorgen vor einem Studierendenschwund waren indes nicht berechtigt, ist die Zahl der Südtiroler Studierenden durch den allgemeinen Studierenden-Anstieg seither sogar noch gewachsen. Nach einer Phase des gegenseitigen Beschnupperns Anfang der 2000er Jahre einigten sich die drei Universitäten schon 2005 im Rahmen der BIT School (Bozen-Innsbruck-Trento Joint School for Information Technology) auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Informatikausbildung und schließlich auf eine verstärkte Kooperation im Rahmen der Europaregion. Seit 2012 haben sich daraus Kooperationen, etwa im Bereich der Mobilität von Studierenden und Lehrenden, ein gemeinsames Studienangebot in einigen Masterstudienprogrammen sowie eine Zusammenarbeit bei einzelnen Forschungsinitiativen ergeben (Tasser/Schennach 2019).
Die Europäische Union und die seit Mitte der 1990er Jahren laufende gesamteuropäische Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums, in den diese Universitäten nun auch eingepasst waren, waren hierzu sicherlich hilfreich. Auch wenn Wissenschaft in vielerlei Hinsicht per se international ist, so spielte für den Ausbau der internationalen Beziehungen auch die gestiegene Bedeutung von Hochschulrankings eine Rolle, in denen Internationalität und internationale Kooperationen oftmals ein wichtiges Bewertungskriterium darstellen. Vor allem für Innsbruck bedeutet dies, dass die Südtirolerinnen und Südtiroler, welche den „Landeskindern“ ohnehin weitgehend gleichgestellt sind, für die Statistik zu internationalen Studierenden werden. Für Bozen bot die Etablierung des Europäischen Hochschulraums umgekehrt die Möglichkeit, sich vom nationalen, italienischen Bildungsraum zu emanzipieren.
Der Raum des historischen Tirols war über Jahrhunderte von der Universität Innsbruck dominiert, man könnte somit mit Blick auf diese Landesuniversität von einem einheitlichen Bildungsraum sprechen. Gleichzeitig zeigte sich schon in der Frühzeit der Universität, dass dieser Bildungsraum je nach Perspektive unterschiedlich geformt und von anderen Bildungsräumen überlappt oder durchbrochen wurde. Auch deckten sich Anspruchsdenken an die Aufgabe und den Wirkungskreis der Universität und die Wirklichkeit nicht immer. Dieses Auseinanderklaffen bietet durchaus interessante Einblicke, die auch für aktuelle Diskussionen um die räumliche und diskursive Verortung von Universitäten sowie der Anspruchshaltung gegenüber Universitäten von Interesse sind.
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzogen sich allmählich einige Veränderungen, die sich in den letzten beiden Dekaden massiv beschleunigt haben. Konstant blieb lediglich die Positionierung der Universität Innsbruck als Landesuniversität Tirols, wenngleich das Trentino davon nach dem Ersten Weltkrieg, spätestens aber mit der Gründung der Universität in Trient weitgehend ausgenommen und erst in jüngerer Zeit wieder eingebunden worden ist. Auch wenn das Diktum der Landesuniversität nach 1945 die Universitätsdiskussion besonders in Südtirol hemmte, so muss doch festgehalten werden, dass die Universität Innsbruck eine der wenigen Institutionen war, die die geistige Einheit des Landes zumindest zum Teil aufrechterhalten hat und aufgrund derer der universitäre Bildungsraum die nationalstaatliche Grenze durchbrochen und etwas durchlässiger gemacht hat (Heiss 2019, S. 309).
Auffallend ist überdies, dass gerade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Debatte um die Gründung einer Universität in Südtirol und auch in der Wahrnehmung der Universität in Trient immer wieder Argumente und Topoi auftauchen, die aus dem Diskurs zur Gründung der Universität Innsbruck oder den späteren Jahrzehnten bekannt sind. Damit zeigt sich nicht nur eine strukturelle Kontinuität, sondern letztlich eine Kontinuität im Diskurs über Aufgabe und Rolle, aber auch über die Gefahren einer Universität. Erst in den vergangenen Jahren hat sich dieses Denken in Richtung einer weitgehend ökonomischen Betrachtung des Bildungsraums verschoben.
Die Diskussion um das Verhältnis zwischen Region und Universität hat sich mit den zahlreichen Universitätsgründungen und Ausgründungen schließlich zu einer Diskussion um das Verhältnis der einzelnen Universitäten zueinander innerhalb der Region gewandelt. Auffallend ist dabei, dass es kaum Konkurrenzdiskurse gab: Die Gründung der Universität Trient war, auch durch das neuartige Studienangebot, weitgehend auf den nationalstaatlichen Bildungsraum ausgerichtet und war für Innsbruck keine Konkurrenz; bei der Universität Bozen wurde eine Konkurrenz schon mit Blick auf den Status der Landesuniversität Innsbruck von vornherein ausgeschlossen. In dieser Hinsicht war es eher die Einrichtung von Fachhochschulen Anfang der 1990er Jahre, die Druck auf die Universität(en) ausübten und diese zu Modernisierungsleistungen zwangen, zumal die jüngere Konkurrenz neue Fächer und Studien sowie eine bessere Betreuung anbot.
Eine der wohl markantesten Veränderungen im Hinblick auf die Frage nach der Ausgestaltung des Bildungsraumes ist die Entwicklung hin zu einer ‚flächigen’ Ausbreitung der Universitäten. In Nordtirol spricht man bereits vom Campus Tirol (Tilg 2019, S. 299–300), um das Netzwerk an Universitäten und universitären Ausgründungen in den verschiedenen Bezirken zu fassen. Erweitert man den Blickwinkel auf den gesamten Bereich der Region und denkt die bisherige Entwicklung weiter, so ist der Campus Europaregion vielleicht ein nächster Schritt.
Gleichzeitig kann man die Universitätslandschaft der Europaregion auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Covid-19-Pandemie betrachten, die die physische Präsenz an den Universitäten radikal eingeschränkt hat. Zwar sehnen sich wohl die meisten Studierenden und Lehrenden nach einer physischen Rückkehr an die Hochschulen, gleichzeitig werden einige digitale Formate der Lehre wohl bleiben. Dies würde einerseits die Kooperation innerhalb des Bildungsraums der Europaregion weiter erleichtern und räumliche Distanzen noch irrelevanter machen, gleichzeitig ist der virtuelle Raum Innsbruck gleich weit entfernt wie Australien und damit stellt sich die Raumfrage noch einmal aus einer ganz neuen – hier aber zu weit führenden Perspektive.
Friedrich, Margret (2018). Regionale Bedarfe, landesfürstliche Planungen, Austausch von Wissen. Universität und Räume im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert am Beispiel der Universität Innsbruck. In: Geschichte und Region/Storia e Regione 26/2, 44–71.
Friedrich, Margret/Rupnow, Dirk (Hrsg.) (2019). Geschichte der Universität Innsbruck 1669–2019. Band I: Phasen der Universitätsgeschichte. Teilband 1. Von der Gründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Innsbruck: IUP.
Friedrich, Markus (2016). Die Jesuiten: Aufstieg, Niedergang, Neubeginn. München: Piper.
Gerber, Stefan (2018). Universitäten und (ihre) Räume. Theoretische und methodische Überlegungen zu regionalgeschichtlicher Universitäts- und Hochschulgeschichte. In: Geschichte und Region/Storia e Regione 26/2, 17–43.
Heiss, Hans (2019). LFU 350: Südtirols wichtigster Hochschulstandort, Garantin der Verbindung mit Österreich. In: Tilmann Märk/Birgit Holzner (Hrsg.). Umbrüche und Perspektiven am Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 305–310). Innsbruck: IUP.
Matrikel der Universität Innsbruck (1951–1992), 3 Abteilungen, 11 Bände. Innsbruck, Wagner.
Oberhuber, Michaela (2018). Gedankenspiele zur Selbstverortung einer jungen Universität. Raumbeschreibungen in den Rektoratsreden der Freien Universität Bozen. In: Geschichte und Region/Storia e Regione 26/2, 163–171.
Oberkofler, Gerhard/ Goller, Peter (1996). Geschichte der Universität Innsbruck 1669–1945. Frankfurt a.M.: Peter Lang.
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Peterlini, Hans Karl (2008a). Rebellenjahre. Aufbrüche in der Südtiroler Bildungspolitik. Anläufe gegen ein Tabu. In: Universitas est. Essays und Dokumente zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol (Bd. 1, S. 201–254). Bozen: Edition Raetia.
Peterlini, Hans Karl (2008b). Im Wendekreis der Autonomie. Vom ethnischen Schützengraben zur bildungspolitischen Offensive. Weichenstellungen für die Freie Universität Bozen, In: Universitas est. Essays und Dokumente zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol (Bd. 1, S. 257–295). Bozen: Edition Raetia.
Tasser, Barbara/Schennach, Matthias (2019). Die Entwicklung der Universität Innsbruck im internationalen Kontext – ein Streifzug. In: Tilmann Märk/Birgit Holzner (Hrsg.). Umbrüche und Perspektiven am Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 189–204). Innsbruck: IUP.
Tilg, Bernhard (2019). 350 Jahre Universitas Oenipontana – ein Jubiläum nicht nur für das Land Tirol. In: Tilmann Märk/Birgit Holzner (Hrsg.). Umbrüche und Perspektiven am Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 297–304). Innsbruck: IUP.
Töpfer, Thomas (2016). „Bildungsräume“ und „Bildungslandschaften“ − Raumbezogene Forschungskategorien aus Sicht der Bildungsgeschichte Konzeptionelle und methodische Perspektiven. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 19/1, 83–99.
Vecchio, Concetto (2008). Figli della Facoltà. L’università di Trento tra nascita democristiana e adolescenza rivoluzionaria, in: Universitas est. Essays und Dokumente zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol (Bd. 1, S. 191–200). Bozen: Edition Raetia.
Abstract
Der vorliegende Beitrag untersucht das Verhältnis der Universitäten in der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino zu dem sie umgebenden Raum. Dazu wird auf das Konzept der Bildungsräume zurückgegriffen, welches die Verortung von Bildungsinstitutionen im geografischen Raum sowie die Eigen- und Fremdpositionierung derselben untersucht. In einem ersten Teil wird nach historischen Vorstellungen von der Rolle und Verortungen der Landesuniversität Innsbruck gefragt und damit aufgezeigt, wie das Verhältnis von Universität und Raum untersucht werden kann. Im zweiten Teil werden rezente Entwicklungen dargestellt, die insbesondere von einem massiven Ausbau der Universitäten in den vergangenen drei Jahrzehnten geprägt waren. In diesem Sinn wird ausgehend von der Frage nach dem Verhältnis von Universität und Raum nunmehr auch danach gefragt, wie sich das Verhältnis der Universitäten zueinander gestaltet.