Digitaler Wandel und Tourismus: ‚Hurra‘ – der Wandel kommt!
Gibt es ihn, den e-Touristen, oder ist es nach wie vor so, dass Wandertouristen, Genusstouristen, Kreuzfahrttouristen, Skitouristen, Radtouristen oder wie auch man sie nennen mag, auf Reise gehen oder in den Urlaub fahren?
Fakt ist, dass wir uns in einer Epoche befinden, die als Zeit des Wandels bezeichnet werden kann. Hier sind sich Boulevardpresse und Wissenschaft einig, auch wenn Ursachen und Folgen dieses Wandels unterschiedlich interpretiert werden. Dieser Wandel betrifft einige Kernbereiche unserer Lebenswelt: Klima, Energie, Mobilität, Arbeitswelt, Ernährung und Landwirtschaft – viele Sphären unseres Lebens sind gekennzeichnet von einem lauten ‚Hurra‘ und einem gleichzeitig erklingenden ‚Horror‘. Aber dieses gleichzeitige ertönen von ‚Hurra‘ und ‚Horror‘ gibt uns die Gewissheit, dass wir uns in einer Zeit des Wandels befinden. Nicht mehr und nicht weniger. Auch der digitale Wandel manifestiert sich als gestaltende Kraft, die fast alle Lebensbereiche tangiert.
Auch der Wandertourist, der Genusstourist, der Wintergast, etc. erleben diesen digitalen Wandel und ändern ihr Gästeverhalten. Den Touristikern ist dies schon seit geraumer Zeit klar: unverbindliche Reservierungen, Preissuchmaschine, Wetter-App, Storno. Flexibilität ist nicht mehr betriebswirtschaftliche Kür, sondern Basiskompetenz. Hinter diesem digitalen Wandel steht eine technologische Entwicklung, die von Palo Alto in Kalifornien ausgehend die Menschheit revolutionieren möchte. Technologie spielt für den Wandel immer eine entscheidende Rolle – Dampfmaschine, Elektrizität, Verbrennungsmotor, Atomenergie – jeder Wandel fußte auch auf neuen, technologischen Erkenntnissen. Aber es wäre ein Irrtum, den Fokus für Strategien zur Gestaltung des Wandels auf die Technologie zu zentrieren. Dies kann in Zeiten des Wandels auch zu einer falschen Allokation der Ressourcen führen – möglicherweise vernebelt dies den Blick auf das Wirkliche. Technologie ist und bleibt Mittel zum Zweck. Erst dann, wenn Technologie auch zur sozialen Innovation wird, verändert dies unsere Lebensweise und die Art des Reisens.
Der digitale Wandel hat sich im Tourismusmarketing schon in den späten Neunzigern angekündigt. ‚Hurra‘ johlten die einen und freuten sich, dass sie keine Urlaubskataloge mehr drucken und verschicken mussten, denn dass www war da. Doch das euphorische ‚Hurra‘ verstummte recht schnell zu einem wimmernden ‚Horror‘. Die neuen Technologien änderten peu à peu die Spielregeln. Der Gast wurde Autor und Kritiker und hat seine Stimme im Netz deponiert. Neue Endgeräte kamen auf den Markt und die Marketingkosten schnellten in die Höhe; globale Konzerne fotografierten die Umgebung des Hotel und Glaubwürdigkeit wurde die entscheidende Währung.
Der digitale Wandel macht keine Rast und zahlreiche, technologisch getriebene Entwicklungen werden die touristische Lebenswelt beeinflussen, sowohl im Positiven wie auch im Negativen. Das Tourismusmarketing tut gut daran, sich nicht irritieren zu lassen, dennoch aber Strategien zu artikulieren, die sich mit dem digitalen Wandel aktiv auseinandersetzen.
Die Orientierung am Gast hat dabei oberste Priorität. Die Customer-Journey wird in ihren Grundzügen immer dieselbe bleiben, das Digitale wird die Customer-Journey aber noch stärker beeinflussen – und wie ein unsichtbarer Schleier ummanteln. Die Konzentration auf das Destinationsportal wird zukünftig nicht ausreichen, um die Customer-Journey zu beflügeln; auch Youtube-Image-Videos sind eher ein Muss als ein Mittel der Differenzierung. Booking.com und Airbnb zu verteufeln, um dann destinationsgebundene, halbherzige Booking-Insellösungen auf den Markt bringen, ist nicht so sehr ein Zugewinn an digitaler Service-Qualität, sondern vielmehr ein Zeugnis der Ratlosigkeit vieler Destinationen, wenn es darum geht, das Internet auch als Transaktionsraum zu begreifen.
‚Hurra‘ – Vieles wird bleiben, wie es ist, aber dies ist keine neue Erkenntnis und hilft kaum weiter, den Gast von morgen zu überzeugen. Der Anfang war schwer und auch der digitale Wandel wird kein Honigschlecken werden, aber eine optimistische Grundeinstellung ist ratsam. Es braucht kein ‚Hurra’, aber ein ‚Yes, we can‘ schadet sicherlich nicht. Dann wird schnell klar, dass das neue Grundmuster im digitalen Tourismusmarketing vor allem eines nicht mehr ist: Die Destination ist der Sender und der Gast der Rezipient.
Teil 1 – digitaler Wandel und Tourismusmarketing
Autor Manuel Demetz
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