Familie Müller, bestehend aus den vierzigjährigen Eltern Luisa, Markus und ihren beiden Kindern Lucas und Eva im Volksschulalter, lebt in einem kleinen Weiler in der Gemeinde Mühlwald. Der Alltag jedes Familienmitglieds wird durch individuelle Aktivitäten und Verpflichtungen gestaltet.
Luisa arbeitet halbtags am Morgen, was es ihr ermöglicht, familiäre und häusliche Verpflichtungen gut mit ihrer Arbeit in Einklang zu bringen. Um die Pendelwege zu minimieren, hat sie sich einen Arbeitsplatz nah an ihrem Zuhause in Mühlwald gesucht. Im Gegensatz dazu arbeitet Markus Vollzeit in Bruneck, eine halbe Stunde Autofahrt von seinem Heimatort entfernt. Um die verschiedenen Aktivitäten der Familie zu bewältigen, sind längere Strecken und die Nutzung der Autos unvermeidlich. Aus diesem Grund besitzt jedes Elternteil eines. Als Mutter von minderjährigen Kindern ist Luisa oft damit beschäftigt, diese zur Schule, zum Sporttraining oder zur Bushaltestelle zu begleiten. Aufgrund der gesellschaftlich zugewiesenen Verantwortung für Haushalt und Kinderbetreuung verbringt Luisa mehr Zeit zu Hause, während Markus den Großteil des Tages außerhalb des Hauses verbringt und längere Strecken zurücklegt.
Familie Müller bietet einen typischen Einblick in die Unterschiede der Erreichbarkeit im Alltag, also der Möglichkeit, das zu erreichen, was sie brauchen. Sie wird von vier Komponenten beeinflusst (Schema 1 – Dunkelblau):
Die Flächennutzungkomponente: Sie bezieht sich auf die räumliche Aufteilung der Einrichtungen (z.B. Haus, Arbeitsplatz, Schule und Geschäfte);
Die Verkehrskomponente: Sie bezieht sich auf den Aufwand, der erforderlich ist, um mit einem (oder mehreren) Verkehrsmittel ans Ziel zu gelangen;
Die zeitliche Komponente: Sie spiegelt die Zeit wider, die eine Person für Arbeitsverpflichtungen und Freizeit zur Verfügung hat;
Die individuelle Komponente: Sie umfasst die Fähigkeiten und Bedürfnisse einer Person.
Das Geschlecht beeinflusst jedoch die Erreichbarkeit durch eine Reihe zusätzlicher Komponenten, die vor allem Frauen benachteiligen (Schema 1 – Hellblau). Im Rahmen des EU-Projektes RAAV, das sich mit ländlicher Erreichbarkeit und automatisierten Fahrzeugen befasst, wurde ein Fragebogen zur Mobilität in der Gemeinde Mühlwald (Südtirol) erstellt. In dessen Auswertung konnten sechs Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt werden (Schema 2).
Frauen wie Luisa begleiten achtmal häufiger als Männer verschiedene Personen - meistens die eigenen Kinder - zu ihren täglichen Verpflichtungen. Es gibt auch signifikante Unterschiede in den zurückgelegten Entfernungen und in der Zeit, die tagsüber zu Hause verbracht wird. Während Markus längere Fahrten unternimmt und weniger Zeit zu Hause verbringt, konzentriert sich Luisa auf kurze Strecken und häusliche Aktivitäten. Diese Tatsache ist möglicherweise von den Unterschieden im beruflichen Kontext beeinflusst. Andere Faktoren wie die Wahl des Verkehrsmittels, der psychologische Einfluss und die Verfügbarkeit eines Autos spielen hingegen eine weniger bedeutende Rolle, vermutlich aufgrund eines günstigen sozialen Umfelds.
Diese Unterschiede stellen verschiedene Herausforderungen in der Erreichbarkeit für Männer und Frauen dar. Sie sollten bei der Planung von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen und der Schaffung einer förderlichen Umgebung für alle Mitglieder der Gesellschaft berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung und das Verständnis für die individuellen Bedürfnisse jedes Geschlechts tragen dazu bei, eine inklusive und zugängliche Gesellschaft für alle aufzubauen.
Bei Fragen zum Projekt wenden Sie sich bitte an den Leiter des Projektes RAAV bei Eurac Research, Alberto Dianin.
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