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Ötzi wird die Forschung noch lange beschäftigen
30 Jahre Iceman: Rückblick und Vorausschau
Viele Geheimnisse über den Mann aus dem Eis sind 30 Jahre nach seiner Entdeckung gelüftet: Wir wissen heute, wie und wo er gelebt hat, wie er ums Leben gekommen ist, was seine letzte Mahlzeit war, welche Krankheiten ihn plagten. Und doch hält die Forschung in den nächsten Jahren noch einiges für uns bereit.
Die Wissenschaft ist sich einig: Ötzi ist ein Jahrtausendfund. „Was mich am meisten überrascht hat als ich die 5300 Jahre alte Gletschermumie zum ersten Mal gesehen habe ist, dass sich der Körper trotz seines immensen Alters nicht wesentlich von den zeitgenössischen Toten unterscheidet“, erinnert sich der ehemalige Konservierungsbeauftragte und Pathologe Eduard Egarter Vigl. Ötzi ist nicht nur erstaunlich gut erhalten, er ist auch eine einzigartige Momentaufnahme des realen frühgeschichtlichen Lebens in den Alpen. „Im Unterschied zu den ägyptischen oder südamerikanischen Mumien, mit denen ich es bis dato zu tun hatte, war Ötzi kein Grabfund,“ erzählt Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung. Man habe ihn nicht nach bestimmten Ritualen mumifiziert und beigesetzt. Der rund 45 Jahre alte Mann sei nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung einfach am Berg liegen geblieben.
Seit seiner Entdeckung vor 30 Jahren, am 19. September 1991, wurde er umfangreich untersucht: Der Mann aus dem Eis litt unter anderem an Karies und verkalkten Gefäßen. In seinem Magen fanden sich Überreste des Bakteriums Helicobacter pylori, das heute noch etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in sich trägt. Ötzis Beifunde und Kleidung, aber auch Ausgrabungen von Siedlungsresten im Tal haben die alpine Kupfersteinzeit neu geschrieben.
30 Jahre Ötzi: Expertinnen und Experten schildern, was sie am meisten an der Gletschermumie beeindruckt hat, was die Wissenschaft über Ötzi herausgefunden hat und welche Überraschungen er in Zukunft noch für uns bereithalten könnte.
Mittlerweile haben über 5,5 Millionen Menschen aus aller Welt den Mann aus dem Eis gesehen. „Der Fund beziehungsweise die Person Ötzi berührt emotional und beschäftigt die Menschen auch über den Museumsbesuch hinaus“, meint Angelika Fleckinger, Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, Bozen. Die Forschung beschäftigt er nach wie vor. So kann der Mann aus dem Eis wichtige Impulse für die Mikrobiom-Forschung liefern. Die medizinische Forschung entdeckt gerade die Bedeutung der Bakterienbesiedlung – also der Billionen Mikroben, die am und im Menschen leben. Man vermutet zum Beispiel, dass die zunehmende Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen und Allergien damit zusammenhängt, dass das humane Mikrobiom durch den Lebensstil unserer westlichen Zivilisation – den Einsatz von Antibiotika oder die Ernährung mit stark veränderten Lebensmitteln – dramatisch schrumpft.
Mumien und menschliche Überreste aus unterschiedlichen Zeitepochen können vor diesem Hintergrund Aufschluss über die Evolution des Mikrobioms geben und wichtige Erkenntnisse für die moderne Medizin liefern. Ebenfalls neue Erkenntnisse liefert die Forschung zur Geschichte des Iceman sowie der Alpenvölker in prähistorischer Zeit und ihrer Rolle bei der Besiedlung Europas ab der Jungsteinzeit.