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Besser integriert durch Freiwilligenarbeit?
Eine Studie untersucht die Freiwilligenarbeit von Jugendlichen in Südtirol und weiteren europäischen Gebieten
Laut Schätzungen sind weltweit eine Milliarde Menschen ehrenamtlich tätig. Die Bereitschaft unentgeltlich zu arbeiten gilt als Gradmesser für das Gemeinwohl in einer Gesellschaft. Könnte Freiwilligenarbeit die Integration fördern und Jugendliche aus Europa und anderen Ländern zusammenbringen? Diese Fragen stellte sich ein Forscherteam im Rahmen des EU-Projekts VOLPOWER. Um Antworten darauf zu finden, entwarfen die Forscher Fragebögen und organisierten neue Freiwilligentätigkeiten für die Jugendlichen, die am Projekt teilnahmen.
Die Fragebögen
Die Forscher wandten sich mit einem Online-Fragebogen an junge Menschen europäischer Herkunft als auch aus anderen Ländern zwischen 18 und 27 Jahren in sieben europäischen Gebieten (Österreich, Kroatien, Schottland, Niederlande, Slowenien, Malta und Südtirol). Insgesamt wurden 3.500 vollständige Antworten gesammelt, in Südtirol beantworteten 547 Jugendliche den Online-Fragebogen, auch dank der Zusammenarbeit verschiedener lokaler Freiwilligenverbände (Weißes Kreuz, Landesverband der Freiwilligen Feuerwehren Südtirols, viele Jugendzentren, Caritas und Young Caritas, politische Vereine und Vereine von oder für Migranten). 458 von ihnen sind derzeit ehrenamtlich tätig, 61 waren es in der Vergangenheit, und 28 haben noch nie eine solche Tätigkeit ausgeübt. Die Umfrage ist statistisch nicht repräsentativ, doch liefert sie interessante Informationen zur Freiwilligenarbeit von Jugendlichen in der Provinz Bozen. „Trotz ihres jungen Alters weisen viele der Befragten bereits erstaunlich häufig mehrjährige Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit auf. Zwei Drittel der befragten Jugendlichen engagieren sich ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen: Am häufigsten im Gesundheitsbereich, gefolgt von Jugend- und Sozialdiensten“, erklärt Heidi Flarer, Soziologin von Eurac Research.
Warum Freiwilligenarbeit?
Der Wunsch, Dinge zu verbessern und vor Ort etwas zu bewirken, ist für die Befragten der größte Beweggrund, warum sie sich ehrenamtlich engagieren. Es spielen auch persönliches Vergnügen eine Rolle und die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, die dann am Arbeitsplatz genutzt werden können. Für die 17 Befragten mit Migrationshintergrund wird das freiwillige Engagement vor allem als Möglichkeit gesehen, Kompetenzen für das Berufsleben zu erwerben.
Gründe, warum sich die Befragten freiwillig engagieren. In Anbetracht deiner persönlichen Erfahrungen im Freiwilligenbereich, inwieweit stimmst du den folgenden Aussagen zu/nicht zu?
Wie kamen die Befragten zum Ehrenamt?
Die 458 jungen Freiwilligen aus Südtirol, die an der Erhebung teilgenommen haben, kamen primär über den Freundeskreis zur Freiwilligenarbeit; an zweiter Stelle stehen die Teilnahme an Vereinsaktivitäten und die Entscheidung, dem Beispiel eines Familienmitglieds zu folgen. Für die wenigen Befragten mit Migrationshintergrund spielen das Internet und soziale Medien eine besondere Rolle.
Auswirkungen der Freiwilligenarbeit
Aus dem Vergleich zwischen den befragten Jugendlichen, die sich noch nie ehrenamtlich engagiert haben und jenen, die ehrenamtlich aktiv sind, geht hervor, dass sich Letztere im Durchschnitt als kommunikativer, empathischer und als sehr selbstbestimmt und eigenverantwortlich einschätzen. „Aus den Antworten des Fragebogens geht hervor, dass die Freiwilligenarbeit für die große Mehrheit dieser Jugendlichen eine Gelegenheit ist, neue Freundschaften und Kontakte zu knüpfen und mehr über die eigene Umgebung und das lokale Umfeld zu erfahren. Besonders für Stadtbewohner scheint die Freiwilligenarbeit das Verständnis für und die Kontakte mit Menschen aus anderen Kulturen zu erhöhen“, erklärt Andrea Carlà, Forscher von Eurac Research.
Eine neue Freiwilligenarbeit im Kulturbereich
Im Rahmen des Projekts nahmen 30 Jugendliche in den sieben teilnehmenden europäischen Gebieten an einer neuen Freiwilligenaktivität teil. Die Forscher begleiteten sie über einen Zeitraum von 13 Monaten, um die Auswirkungen dieser Arbeit auf Integrations- und Empowerment-Prozesse zu untersuchen. In Südtirol arbeiteten sieben junge Menschen - eine gemischte Gruppe in Bezug auf Geschlecht und Nationalität - als Freiwillige bei soziokulturellen Vereinen (OEW - Organisation für Eine solidarische Welt, COOLtour La Strada - Der Weg und die Vereine ArteViva und Trait d’Union). „Wir haben uns gefragt, wie wir die Erfahrungen der Jugendlichen verstehen und welche Methoden wir anwenden können, um mit Gruppen von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund auf eine kollaborative und inklusive Weise zu arbeiten. Durch künstlerische und kulturelle Aktivitäten haben wir einen Raum geschaffen, der die kritische Aufmerksamkeit, die Zusammenarbeit und die Freude am Experimentieren verbessert“, erklärt Eleonora Psenner, Wissenschaftlerin von Eurac Research.
„Durch gemeinsame sportliche, künstlerische und kulturelle Aktivitäten schaffen es Jugendliche Sprachbarrieren zu überwinden und besser miteinander zu kommunizieren. Wir hoffen, dass unsere Forschung die Wirkung aufzeigen kann, die die Freiwilligenarbeit im Hinblick auf die Stärkung des Einzelnen hat und nebenbei auch helfen kann, das gegenseitige Verständnis zu fördern“, sagt Umut Korkut, VOLPOWER-Koordinator und Professor an der Glasgow Caledonian University.
Vergleicht man die Antworten, die vor und nach diesem sozialen Experiment gegeben wurden, so wird ersichtlich, dass die Jugendlichen durch die Freiwilligenarbeit kulturelle Unterschiede positiver wahrnehmen und neue länger anhaltende Freundschaften geknüpft haben. Interessant ist, dass vor allem die männlichen Freiwilligen mit Migrationshintergrund die durch das Projekt entstandenen Kontakte auch außerhalb der Freiwilligentätigkeit aufrechterhalten.
Die Jugendlichen berichten, dass sie neue Fachkompetenzen erworben, ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessert und das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Gemeinschaft neu ausgehandelt haben. „Gleichzeitig nehmen die Jugendlichen interkulturelle Unterschiede bewusster wahr und berichten, dass sie den Grad der Integration in die Gesellschaft kritischer bewerten“, erklärt Flarer.
Die jungen Menschen, die an dem Projekt teilgenommen haben, sehen die Freiwilligenarbeit auch als eine Möglichkeit, persönlichen Nutzen in Form von neuem Wissen und sozialen Kontakten zu erlangen. Eine Hürde ist jedoch oft Zeitmangel, weshalb viele mit der freiwilligen Tätigkeit aufhören.
Ehrenamt fördern, um Integration zu schaffen
Die Ergebnisse zeigen im Einklang mit anderen Studien, dass die Freiwilligenarbeit eine Ressource ist, um Empowerment-Prozesse und die Inklusion junger Menschen zu erleichtern und die Gesellschaft und ihre Menschen zu stärken, indem ein Dialog zwischen "alten" und "neuen" Mitgliedern geschaffen wird. Darüber hinaus trägt die Freiwilligenarbeit dazu bei, die Wahrnehmung von Migration zu verändern, indem Migranten als aktive Bürger angesehen werden, die zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen und nicht als Problem oder als passive Hilfeempfänger.
„Insgesamt bestätigt die Studie die bedeutende Rolle der Freiwilligenarbeit in Südtirol und regt zum Nachdenken darüber an, wie Freiwilligenarbeit mit Migrationsfragen zusammenhängt. Migration wird es auch in Zukunft geben und die EU-Staaten werden kulturell vielfältiger. Laut eigenen Berechnungen auf Schätzungen des ASTAT wird in Südtirol im Jahr 2030 fast jeder fünfte Einwohner eine ausländische Nationalität besitzen. Folglich wird der mögliche Kreis an Freiwilligen immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund umfassen. Daher ist es wichtig, Instrumente zur Förderung der Freiwilligenarbeit bereitzustellen und den Vereinen zu helfen, junge Freiwillige zu rekrutieren und zu halten, auch unter der Migrantenbevölkerung“, sagt Carlà.
Basierend auf den Anregungen der Freiwilligen, die im Projekt mitgearbeitet haben, entstand eine Kunstausstellung, die unter diesem Link online besucht werden kann: http://www.volpower.eu/digital-exhibition/
VOLPOWER
VOLPOWER ist ein im Jahr 2019 gestartetes europäisches Forschungsprojekt, das vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfond (AMIF) finanziert wird. Ziel ist es, zu untersuchen, inwieweit ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Sport sowie Kunst und Kultur die Einstellung von Jugendlichen anderen Kulturen gegenüber beeinflusst, ihren Freundeskreis erweitert und Integrationsprozesse unterstützt.
Weitere Informationen zum Projekt: