Italien, Frankreich, England, Armenien, Ukraine, Tadschikistan, Iran: Im Netzwerk IERA (International Education and Research Alliance) haben sich Forschungs- und Bildungseinrichtungen aus all diesen Ländern zusammengeschlossen, um Wissensaustausch, Kooperation und hohe wissenschaftliche Standards zu fördern. Eurac Research gehört zu den Gründungsmitgliedern.
Die Lage ist schwierig, das sagt Heghine Bisharyan in klaren Worten: „Armenien hat der Welt große Wissenschaftler geschenkt, doch seit Jahren entwickelt die Forschung sich nur langsam – intellektuelles Kapital fließt ab, es fehlt an finanziellen Ressourcen. Wir hinken hinterher.“ Für die Entwicklung ihres Landes sei die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern deshalb außerordentlich wichtig, erklärt die Rektorin der European University of Armenia (EUA): „Wir möchten uns an internationalen Best Practices orientieren, Wissen und Fertigkeiten erwerben, die unser Land voranbringen.“
Die Internationale Bildungs- und Forschungsallianz (IERA) wird all diese leichter machen, hofft Bisharyan; die Initiative, Institutionen aus Zentralasien und dem südlichen Kaukasus mit Einrichtungen in Europa zu vernetzen, ging von Armenien aus, wo die Allianz auch ihren Sitz hat. Das erste große Treffen aber findet am 22./23. September in Bozen statt, organisiert vom Gründungsmitglied Eurac Research. „Die Allianz ist aus der Überlegung heraus entstanden, dass sich viele Staaten der Region in einer ähnlichen Lage wie Armenien befinden“, erklärt Direktor Stephan Ortner, der wie Bisharyan im Vorstand von IERA sitzt. „Sie hängen immer noch von Russland ab, das unter anderem Energie liefert und Sicherheit verspricht, und sie werden stark von China bedrängt, das seinen Einfluss ausweiten will. Die jungen Generationen aber schauen auf Europa, orientieren sich an europäischen Werten.“ Diesen Ländern Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu eröffnen, sei deshalb auch im europäischen Interesse.
Ortner gehört auch dem Aufsichtsrat der EUA an. Die Beziehungen zwischen dem Forschungszentrum in Bozen und der Privatuniversität in Jerewan reichen bis in die ersten postsowjetischen Jahre Armeniens zurück – und sie kamen tatsächlich über das Wort „europäisch“ zustande. Als die „Europäische Universität Armenien“ erst ein Projekt war, stießen seine Initiatoren nämlich bei Recherchen auf eine „Europäische Akademie“, wie Eurac Research damals hieß, und nahmen Kontakt auf. Der Moment war günstig, denn auch in Bozen befasste man sich damals gerade mit der Gründung einer Universität. Man diskutierte Ausrichtung, Programme, Organisation. Die EUA , die sich ganz an europäischen Mustern ausrichten wollte, war dankbar für die Starthilfe.
In den mehr als zwanzig Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sie sich zu einer der größten Universitäten Armeniens entwickelt, mit 5000 Studenten, 17 Bachelor- und 16 Masterstudiengänge und, neben dem Hauptsitz in Jerewan, vier Zweigstellen im Land. Verschiedene Fachbereiche von Eurac Research haben schon mit der Universität kooperiert, etwa im Bereich Tourismus und Destinationsmanagement. Mit der Informatikfakultät könnte Zusammenarbeit auf Distanz für westliche Partner interessant sein, erklärt Ortner – Armenien hat in mathematischen Fächern eine große Tradition (ein Potenzial, das Firmen wie Google und Microsoft schon mit Außenstellen nutzen).
Eine Herausforderung für ihre Universität, sagt Rektorin Bisharyan, sei derzeit die Integration in den Europäischen Hochschulraum, die die Harmonisierung der Qualifikationen verlangt: „Wir scheinen es aber erfolgreich zu meistern.“ Eine andere große Aufgabe ist es, Forschende, Studierende und Lehrende zu integrieren, die im September 2023 aus Bergkarabach flüchteten, als sich nach einer Offensive Aserbaidschans praktisch die gesamte armenische Bevölkerung der umkämpften Region –120.000 Menschen – nach Armenien rettete. Zur schwierigen Lage Armeniens gehört auch die Kriegsbedrohung.
IERA muss in einer Welt voller Unwägbarkeiten operieren. Im Iran wurden zwei Rektoren, die der Allianz beitraten, inzwischen ihres Amts enthoben; nun ist alles offen, aber weil„99,9 Prozent der Studierenden gegen das Regime sind, hoffen wir, dass sich die Möglichkeiten für diese jungen Menschen nicht verschließen“, sagt Ortner. Auch der Rektor der Technischen Universität Zaporizhzhia in der Ukraine wird nicht dabei sein, wenn die Allianz in Bozen die nächsten Schritte und mögliche neue Partnerschaften mit Einrichtungen in Deutschland bespricht – wegen der kritischen Lage im Krieg hat man ihn gebeten, das Land nicht zu verlassen.