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Die Devise: Sparen!

Eine Software optimiert die energetische Sanierung großer Immobilien

Credit: Eurac Research | Ivo Corrà

Bei der Sanierung großer Immobilien, etwa öffentlicher Gebäude, gibt es viele Unsicherheiten: Was ist zu tun? Womit fängt man an? Antwort darauf verspricht die Software CERPlan, die von Eurac Research in Zusammenarbeit mit der Autonomen Provinz Bozen entwickelt wurde.

Seit Herbst 2022 werden in öffentlichen Gebäuden in Italien mit wenigen Ausnahmen die Thermostate nicht mehr auf 20 Grad eingestellt wie in den Jahren zuvor, sondern auf 19 Grad, und die Heizung ist eine Stunde weniger am Tag im Betrieb; außerdem wurde die Heizsaison um zwei Wochen verkürzt. So bestimmte es ein Regierungsdekret, als der Krieg in der Ukraine eine Energiekrise auslöste. Die Autonome Provinz Bozen hat die Maßnahmen umgesetzt und sogar noch verschärft, mit sichtbarem Erfolg.

Laut dem letzten Energiebericht ist der Verbrauch der öffentlichen Gebäude der Provinz Bozen im Jahr 2023 im Vergleich zum Durchschnitt der letzten sieben Jahre um etwa vier Prozent zurückgegangen. Die Heizkosten sind ebenfalls leicht gesunken, aber da die Energiepreise noch immer über dem Niveau von vor 2022 liegen, sind die Einsparungen nicht proportional zum Verbrauchsrückgang (die Grafik unten zeigt deutlich die Ausgabenspitze von 2022).

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Die Grafik zeigt den effektiven Verbrauch und die Ausgaben. Das Forschungsteam hat auch eine genauere Analyse durchgeführt, die den möglichen Einfluss der klimatischen Bedingungen auf den Verbrauch berücksichtigt, etwa mildere Winter, in denen weniger geheizt wird; im Fachjargon wird dies als „Normalisierung auf der Grundlage von Gradtagen“ bezeichnet. Die Trends bei Verbrauch und Ausgaben wurden aber bestätigt.

„Das sind bemerkenswerte Ergebnisse“, sagt der Ingenieur Marco Castagna, Forscher bei Eurac Research und Teil des Teams, das den Energiemanager der Provinz bei diesem Monitoring unterstützt. „Aber diese Maßnahmen werden flächendeckend angewendet, unabhängig von den spezifischen Gegebenheiten, und man kann sie nicht weiter ausbauen, ohne dass es für jene, die sich tagsüber in den Gebäuden aufhalten, unangenehm würde. Wirksamer wäre, gezielt dort einzugreifen, wo das Einsparpotenzial am größten ist“, erklärt er, während er durch die Daten auf dem Bildschirm scrollt. Dies ist aber keine resignierte Einschätzung. Castagna hat sehr wohl eine Idee – er arbeitet schon seit Jahren daran.

 CERPlan heißt eine Software, die er gemeinsam mit der Forschungsgruppe, die sich bei Eurac Research mit der Energieeffizienz von Gebäuden beschäftigt, programmiert hat. Auf Grundlage einer Reihe von Daten über den Verbrauch und die Eigenschaften von Gebäuden schlagen die Algorithmen Maßnahmenpakete vor, um den Verbrauch der öffentlichen Einrichtungen zu optimieren, und zwar mit möglichst geringen Kosten. Es geht also nicht um teure flächendeckende Interventionen oder pauschal angewandte Sparmaßnahmen, sondern um eine möglichst rationale Kombination von Eingriffen: von der Wärmedämmung bis zur Einstellung der Thermostate, vom Austausch der Heizkessel bis zum Einbau neuer Fenster.

„Unsere Software bietet Simulationen, die die zweckmäßigsten Maßnahmen vorschlagen, wobei auch verfügbare Förderungen und geplante außerordentliche Wartungsarbeiten berücksichtigt werden – diese sind nämlich eine hervorragende Gelegenheit, gleichzeitig die Energieeffizienz zu verbessern."

Marco Castagna, Forschungsingenieur

„Auf dem Markt gibt es Verwaltungssoftware zum Monitoring des Energieverbrauchs“, erklärt Castagna. „Unsere Software bietet jedoch Simulationen, die die zweckmäßigsten Maßnahmen vorschlagen, wobei auch verfügbare Förderungen und geplante außerordentliche Wartungsarbeiten berücksichtigt werden – diese sind nämlich eine hervorragende Gelegenheit, gleichzeitig die Energieeffizienz zu verbessern.“ Das Dach eines Gebäudes etwa muss alle vierzig bis siebzig Jahre einer gründlichen Wartung unterzogen werden. Wenn die Bautrupps, während sie Dächer und Dachböden abdichten, auch gleich 18 bis 20 Zentimeter Dämmung anbringen oder Fotovoltaikanlagen installieren, lassen sich zumindest die Kosten für den Gerüstbau optimieren. Und nicht nur das: Dieser Ansatz, „synergetisch“ genannt, weil energetische Sanierung und eingeplante Instandhaltung koordiniert werden, senkt die Gesamtkosten für künftige Reparaturen und macht den Betrieb von Gebäuden langfristig nachhaltiger. In der CERPlan-Software wird diese Einsparung berechnet und als „vermiedene Kosten“ bezeichnet.

„Ideal sind Eingriffe, die gleichzeitig das bestmögliche Ergebnis garantieren und sich am schnellsten amortisieren und so Geld für weitere Sanierungen freisetzen."

Marco Castagna, Forschungsingenieur

Das wichtigste Kriterium ist die Reduktion der Kosten

In Europa werden jedes Jahr nur elf Prozent der Gebäude renoviert, und nur bei einem Prozent davon ist auch eine Verbesserung der Energieeffizienz vorgesehen. Verschiedenen Studien zufolge sind die Bedenken in erster Linie wirtschaftlicher Natur: Geht es um größere Investitionen, fallen den Verantwortlichen die Entscheidungen schwer und sie zögern. Auch in Mehrfamilienhäusern kommt es immer wieder vor, dass jemand grüne Investitionen ausbremst, weil sie als zu teuer, nicht dringlich genug oder nicht unmittelbar vorteilhaft empfunden werden. Ganz zu schweigen von den öffentlichen Liegenschaften mit Hunderten von Gebäuden: Entscheidungen zu treffen ist hier noch riskanter.

 

In Europa:

 75%

energieineffiziente Gebäude

11%

Renovierungen pro Jahr

1%

der Renovierungen verbessern die Energieeffizienz

„Das vorrangige Kriterium, nach dem wir CERPlan konzipiert haben, ist das der Einsparungen: Von allen Eingriffen, die das bestmögliche Ergebnis garantieren, sind jene ideal, die sich am schnellsten amortisieren und so Geld für weitere Sanierungen freisetzen. Die Verwaltung gibt ein Ziel vor, und mit Hilfe der Software können wir die Ausgaben optimieren, indem wir vorschlagen, welche Maßnahmen in welchem Zeitraum durchgeführt werden sollten, um das Ziel zu erreichen und die verfügbaren Synergien bestmöglich zu nutzen“, erklärt Castagna und tippt schnell auf der Tastatur seines Computers, während sich die Softwaremaske mit Informationen füllt. „Stehen beispielsweise 800.000 Euro zur Verfügung, schlägt die Software 46 Maßnahmen vor und ordnet sie nach der Amortisationszeit. Die besten sind jene, die sich innerhalb eines Jahres oder in anderthalb Jahren amortisieren.“ Denn das heißt, dass die Behörde nach Ablauf dieser Zeit bei dem betreffenden Gebäude wirklich Geld spart und diese Einsparungen in andere Immobilien investiert werden können. Und so weiter … Einmal angestoßen, setzt die positive Entwicklung sich im besten Fall fort, bis der gesamte Immobilienbestand saniert ist.

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Schulgebäude und Büros allein machen schon mehr als zwei Drittel der Immobilien des Landes aus. Es mangelt hier nicht an Möglichkeiten, vorgesehene Instandhaltungsarbeiten mit Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz zu verbinden. Aber auch bei Tunneln besteht beträchtliches Einsparpotenzial durch gezielte, schnelle und einfache Eingriffe, indem man beispielsweise die Gewölbe weiß ausmalt, Glühbirnen gegen LED-Beleuchtung austauscht oder die Lüftung an das Verkehrsaufkommen anpasst.

Das Projekt Building Renovation Plus


Dieses Projekt mit Start im Dezember 2024 sieht die Renovierung von 25 öffentlichen Gebäuden vor, mit einer erwarteten Energieeinsparung von 40 Prozent – das entspricht 36 Tausend Tonnen CO₂; die Investition beläuft sich auf 56 Millionen Euro. Eurac Research hat das Land bei der Vorstudie zur Vorbereitung der Ausschreibung unterstützt, deren Sieger der Energieversorger Engie war.

Die Datenbeschaffung ist alles andere als einfach

Marco Castagna streicht sich den Bart glatt: „Wir sind von dieser Software sehr überzeugt, aber...“ Aber Geduld ist gefragt.
Die CERPlan-Software funktioniert, entwirft solide Szenarien und würde auch kleineren Verwaltungen helfen, die nicht über spezialisiertes technisches Personal verfügen. Aber um genaue Simulationen zu erhalten, muss die Software mit ebenso genauen Daten gefüttert werden. Und wenn Hunderte von Immobilien betroffen sind, ist das alles andere als einfach.
Castagna kennt das Problem nur zu gut. Es hat ihn viel Zeit gekostet, die Energiekarte der Liegenschaften und Straßen der Autonomen Provinz Bozen zu erstellen, um die Daten in den Energiebericht aufzunehmen: 324 Gebäude und 102 Tunnel.

„Im Moment berücksichtigt die Software die Förderungen für den öffentlichen Sektor. Aber wir würden uns freuen, wenn der private Sektor Interesse an CERPlan hätte und wir eventuelle Anpassungen überlegen könnten."

Marco Castagna, Forschungsingenieur

Im Laufe der Zeit ist es normal, dass in einer Immobilie neue PODs, also Energieversorgungspunkte, dazu kommen und man den Überblick über die Rechnungen verliert, ohne es zu merken. Andererseits ist die Überwachung des Verbrauchs nur der Ausgangspunkt. Es braucht viel mehr Daten, um wirklich eine Diagnose zu erstellen und um zu verstehen, ob der Verbrauch den Gebäudeeigenschaften entspricht oder ob tatsächlich Energie verschwendet wird.
So muss man beispielsweise wissen, wo genau sich das Gebäude befindet und welche klimatischen Bedingungen dort herrschen, in welchem Jahr es gebaut wurde, wie die Räume angelegt sind, ob es Aufzüge gibt und wie viele, wie groß die zu beheizende Fläche ist und so weiter. Diese Informationen zu sammeln (im Fall der Provinz übernimmt es das Team von Eurac Research mit Unterstützung der Klimahausagentur und anderen), ist mit Kosten verbunden. Man kann diese Ausgaben fast als die erste Investition betrachten.
Es ist kein Zufall, dass die CERPlan-Software zwei Schritte vorsieht: Auf der Grundlage einiger leichter zu ermittelnden Daten liefert sie erste grobe Hinweise; sobald die Interventionsbereiche ausgewählt sind, werden detailliertere Informationen eingegeben, um die Eingriffe und das anschließende Monitoring zu planen.
All dies braucht Zeit, besonders im Fall der öffentlichen Verwaltung. Interesse an einer Beschleunigung könnten private Unternehmen mit großem Immobilienbestand und steigenden Ausgaben haben, obwohl für diese Anwendung die Algorithmen teilweise neu zu programmieren wären. „Im Moment berücksichtigt die Software die Förderungen für den öffentlichen Sektor“, so Castagna. „Aber wir würden uns freuen, wenn der private Sektor Interesse an CERPlan hätte und wir eventuelle Anpassungen überlegen könnten.“

 

Zugang zur Software CERPlan


Die Software ist nicht frei zugänglich, für weitere Informationen steht das Forschungsteam zur Verfügung. Ein wissenschaftlicher Artikel, der kürzlich in der Zeitschrift „Energies“ veröffentlicht wurde, enthält weitere technische Einzelheiten.

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