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„Kluft zwischen Forschung und Politik schließen“

Anpassungsstrategien an den Klimawandel: In Bergregionen besonders dringend

Julien Leblay
Credit: Adobe Stock | Julien Leblay | All rights reserved
by Rachel Wolffe

Von den Alpen bis in die Anden: Vom 7. bis 17. Juni 2022 kamen Fachleute aus Wissenschaft und Praxis aus Bergregionen weltweit zu einem internationalen Trainingskurs in Bozen zusammen. Ziel war es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die notwendigen Instrumente sowie Schritte für eine Planung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel auf regionaler und lokaler Ebene näher zu bringen. Wir haben mit zwei von ihnen - Stefan Schneiderbauer und Fabiana Mercado Blanco - gesprochen.

Berge machen 27 Prozent der weltweiten Landfläche aus. Sie versorgen 50 Prozent davon – einschließlich des Flachlandes – mit wichtigen Ökosystemdienstleistungen wie zum Beispiel Trinkwasser. Gleichzeitig sind gerade in Berggebieten die Auswirkungen des Klimawandels besonders deutlich zu spüren: Die Temperaturen steigen schneller als im globalen Durchschnitt. Dies wirkt sich unter anderem auf den Wasserhaushalt aus – mit Folgen nicht nur vor Ort, sondern für gesamte Kontinente. Fachleute aus Bergregionen weltweit haben sich in einem zehntägigen Trainingskurs im Juni 2022 in Bozen getroffen, um sich zu Anpassungsstrategien an den Klimawandel im Bereich von Boden- und Wassermanagement in Berggebieten auszutauschen.

Das Wasser des Bodensees besteht zum Großteil, nämlich zu 78 Prozent, aus Regen- und Schmelzwasser, das aus den Alpen stammt. Die Bodensee-Wasserversorgung beliefert rund vier Millionen Menschen in ganz Baden-Württemberg mit Trinkwasser aus dem Bodensee. Dies ist nur ein Beispiel, das die existentielle Bedeutung von Berggebieten für die Menschen auch in ihrem Umland verdeutlicht. Ein weiteres Beispiel: In den Anden befindet sich der Ursprung des Amazonasbeckens – dem größten tropischen Ökosystem der Welt, dem biologisch vielfältigsten Ort der Erde und Heimat hunderter indigener Völker. Es ist auch das größte Süßwassersystem der Welt, das 15 Prozent der Süßwassereinleitung in die Weltmeere ausmacht. Im Rahmen des “Interregional Training Course on Climate Change Adaptation Strategies for Soil and Water Management in High Mountainous Regions”, organisiert durch das ans Forschungszentrum Eurac Research angesiedelte UNO-Programm GLOMOS (LINK: https://www.eurac.edu/de/institutes-centers/zentrum-zum-schutz-und-erhalt-von-gebirgsraeumen) und die United Nations University (UNU), haben wir mit Stefan Schneiderbauer, dem Leiter des GLOMOS-Programms in Bozen, und Fabiana Mercado Blanco von der Stadtverwaltung für Risikomanagement in La Paz, Bolivien, über die größten Herausforderungen in der Anpassung an den Klimawandel in Berggebieten gesprochen.

Wir wissen, dass gerade Berggebiete besonders betroffen sind von den Auswirkungen des Klimawandels. Zum einen gibt es sehr düstere Prognosen, zum anderen aber auch optimistische Aussagen von Experten, dass wir noch rechtzeitig „die Kurve kriegen“. Was sind speziell für die Alpen die Herausforderungen?

Stefan Schneiderbauer: Eine große Herausforderung weltweit und auch für die Alpen ist sicher die Verfügbarkeit und das Management von Wasser. Die Temperaturen werden ansteigen und damit auch die Verdunstung, die Niederschlagsmuster ändern sich, es fällt weniger Schnee, die Gletscher schmelzen, wir haben mehr Energie in der Atmosphäre und dadurch mehr Starkregenereignisse, also mehr Niederschlag in sehr kurzer Zeit – all das macht es schwieriger, die Wassermengen bereit zu stellen, die man für die verschiedenen Wirtschaftssektoren über das ganze Jahr hinweg benötigt. Dazu kommt – und das ist nicht nur hier in den Alpen, sondern auch weltweit ein großes Thema für Berggebiete: Selbst wenn das Wasser für das Berggebiet selbst ausreichend zur Verfügung stehen würde, sind in fast allen Fällen „downstream“, also weiter flussabwärts, große Flachlandregionen auf das Wasser angewiesen, das von den Berggebieten kommt. Wenn also weniger Wasser zur Verfügung steht und die Berggebiete die gleiche Wassermenge oder sogar mehr verbrauchen, dann fehlt dieses Wasser weiter unten im Flusseinzugsgebiet. Das hat großen Einfluss zum Beispiel auf die Landwirtschaft hier in den Alpen und auch weltweit und damit auch auf die globale Ernährungssicherheit.

Forschungsexkursion in den Oberen Vinschgau

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Können Sie uns etwas über die aktuellen Herausforderungen in dem Gebiet in den Anden erzählen, in dem Sie tätig sind?

Fabiana Mercado Blanco: In diesem Gebiet gibt es viele hohe Berge, die mit Schnee bedeckt sind und Gletscher, die sich immer mehr zurückziehen. In Bolivien gibt es viel Schnee und Hagel, doch im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Menge deutlich verringert – wir haben weniger Wasser für unsere Städte. Ein Viertel der Wasserversorgung der Städte stammt von den Gletschern. Wir haben zwar noch andere Wasservorräte, aber ein Viertel ist eine Menge – außerdem wächst die Bevölkerung, vor allem in El Alto. Der Zuwachs in den letzten Jahren betrug etwa fünf Prozent, das ist das Doppelte der Bevölkerung von La Paz. Im Fall des Berges Huayna Potosí ist es lebenswichtig – diese Ressourcen sind kostbar. In diesem Kurs über interregionale Anpassungsstrategien für das Boden- und Wassermanagement in Gebirgsregionen haben wir einige Maßnahmen vorbereitet, die nicht nur die Berge selbst betreffen, sondern sich auf die Biologie und die Biodiversität konzentrieren. Ab Dezember werden wir zum Beispiel den Cosmic Ray Neutron Sensor (CRNS) aufstellen, der zur Überwachung der Bodenfeuchtigkeit eingesetzt werden soll, um das Wassermanagement in der Landwirtschaft zu verbessern. Jetzt müssen wir damit beginnen, Daten zu sammeln, um der Regierung den Schwerpunkt der Studie und unsere Pläne zu erläutern. Bevor wir etwas tun, müssen wir messen und beobachten.

Welche Unterschiede gibt es, wenn man Alpen und Bergregionen weltweit vergleicht?

Stefan Schneiderbauer: Die Herausforderungen im Kontext von Klimawandel sind weltweit schon sehr ähnlich. Aber es gibt große Unterschiede in den Möglichkeiten, Anpassungsmaßnahmen zu planen und durchzuführen. Das beginnt schon bei der Information, was in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich passieren wird. In den Alpen ist diese Information in detaillierter Form vorhanden, und es existieren hier auch die Kompetenzen und Institutionen, um daraus Folgerungen zu schließen, Maßnahmen zu planen und durchzuführen. In anderen Bergregionen fehlt es häufig an den finanziellen Mitteln, den technischen Kompetenzen und auch an einer konsistent agierenden öffentlichen Verwaltung.

Ein wichtiger Teil des internationalen Workshps: Wie werden die Ressourcen in Südtirol gehandhabt?

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2022 ist das Jahr der nachhaltigen Entwicklung der Berggebiete – wie können wir erreichen, dass sich alle für den Schutz dieser wertvollen Lebensräume einsetzen?

Mercado Blanco: Die meisten Menschen sind sich sehr bewusst, dass der Klimawandel unsere Ökosysteme beeinflusst, aber die meisten wissen nicht, wie sie dazu beitragen können, die Auswirkungen einzudämmen. Wir müssen vor allem mit Kindern zusammenarbeiten, um einen Weg und ein Verständnis dafür zu schaffen, wie wir eine nachhaltige Zukunft aufbauen können. Wir haben an einigen Strategien gearbeitet, um die Menschen über die Folgen des Klimawandels aufzuklären und darüber, was im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken zu tun ist. Wir brauchen zum Beispiel Teams, die die Bofedales – die Feuchtgebiete in den Anden – erforschen. Die Bofedales sind von entscheidender Bedeutung für die Landnutzung und die Ökologie in den Höhenlagen; sie können dauerhaft oder saisonal, vom Menschen geschaffen oder natürlich sein. Die Bofedales speichern das Schmelzwasser aus den Gletschern im Boden, Wasser aus Schnee und aus den Regenschauern und gibt es langsam wieder ab. Für die Menschen, die in der Umgebung dieser Becken leben, müssen wir uns auf Maßnahmen und Anreize zur Erhaltung konzentrieren und ihnen beibringen, wie wichtig der Schutz des Bofedal ist. Diese Becken sind eine Grundlage für ihren Lebensunterhalt, sie sind nicht nur mit unserer Kultur verbunden, sondern auch mit unserem wirtschaftlichen Überleben. Sowohl die Quechua als auch die Aymara arbeiten in der Landwirtschaft, sie versorgen die Stadtbewohner mit Lebensmitteln, Früchten und anderen Ressourcen, und wir arbeiten sehr eng mit diesen beiden bolivianischen Völkern zusammen. Im Hochland ist es sehr trocken, die Landwirtschaft muss das einzigartige Terrain berücksichtigen und ist den extremen klimatischen Bedingungen der Region unterworfen – das Wichtigste, was produziert wird, ist die Kartoffel – all diese Menschen sind sehr wichtig für Bolivien.

Es besteht immer die Gefahr einer „schlechten Anpassung“, also dass man Techniken oder Maßnahmen von einem Gebiet ins andere überträgt, die dann jedoch negative Konsequenzen haben können. Ein Beispiel dafür ist das Aufforsten.

Stefan Schneiderbauer, Leiter des UN-Programms GLOMOS in Bozen

Was können wir in den Alpen von anderen Gebieten lernen?

Stefan Schneiderbauer: Wir können sehr viel von andere lernen, gerade im Bereich der Verantwortung. Ich glaube, wir sind sehr stark geprägt davon, dass wir ein großes Vertrauen in unsere Behörden haben und auch haben können, so dass die Eigenverantwortung eher klein ausfällt. In anderen Gebieten sieht dies mitunter ganz anders aus, wo die Leute selbst viel mehr Verantwortung übernehmen müssen, weil sie wissen, dass sie sich nicht auf die Behörden verlassen können. Ich glaube, generell sind wir sehr gut aufgestellt, aber im Detail gibt es viele Verbesserungsmöglichkeiten: Das Thema Klimawandel zum Beispiel ist zwar im Lauf der letzten Jahre stärker ins Bewusstsein gerückt, es ist aber noch lange nicht auf dem Niveau, wo es sein müsste, um Maßnahmen zu akzeptieren, deren Durchführung einen wirklichen spürbaren Impakt auch für unsere Region haben.

Frau Mercado Blanco, wurden im Rahmen des Trainingsprogramms gut funktionierende Strategien diskutiert, die Sie gerne auf die bolivianischen Anden übertragen würden?

Mercado Blanco: Ja, etwa an Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu arbeiten, indem wir uns nicht nur auf die Verwaltung konzentrieren, sondern auch darauf, wie wir den Schwerpunkt auf die Natur legen können. Oder Dinge, die wir mit geringen Kosten bewältigen können, die aber eine Menge Geld an Einsparungen bedeuten, wie die Analyse von Ökosystemen und Ökophysiologie. Wir haben viele verschiedene Ökosysteme, die nebeneinander existieren. Deshalb müssen wir sie monitorieren und die lokale Bevölkerung einbeziehen, damit sie weiß, wie man diese einzigartigen Merkmale kartiert und mit uns zusammenarbeitet, nicht nur beim Monitoring, sondern auch beim Schutz dieser Ökosysteme. Die Gemeinden müssen einbezogen werden.

Teilnehmer aus der ganzen Welt trafen sich in Bozen, um über Strategien zur Eindämmung des Klimawandels nachzudenken. Der Kurs wurde von GLOMOS, dem Zentrum zum Schutz und Erhalt von Gebirgsräumen von Eurac Research, koordiniert.

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Wir haben viele verschiedene Ökosysteme, die nebeneinander existieren. Deshalb müssen wir sie monitorieren und die lokale Bevölkerung einbeziehen, damit sie weiß, wie man diese einzigartigen Merkmale kartiert und mit uns zusammenarbeitet – auch beim Schutz dieser Ökosysteme. Die Gemeinden müssen einbezogen werden.

Fabiana Mercado Blanco Fabiana, Verantwortliche für Risikobewertung der Autonomen Regierung von La Paz, Bolivien

Was werden Sie noch aus diesem Kurs mitnehmen?

Mercado Blanco: In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit Risikomanagement. Und hier etwas über das RM-Protokoll vor Ort zu hören, war wichtig, weil wir das Risikomanagement in La Paz, Bolivien, verstärken, um das, was wir dort bereits haben, zu verbessern. Es gibt viele Probleme im Zusammenhang mit unseren geodynamischen Bewegungen, die durch die vielen Flüsse in der Stadt verursacht werden. 1998 gab es ein Erdbeben, bei dem Hunderte von Menschen starben und viele Gebäude zerstört wurden. SENAMHI - Servicio Nacional de Meteorología e Hidrología ist die für die technische Verwaltung der meteorologischen Aktivitäten zuständige Stelle, die die nationale meteorologische Überwachung durchführt, die Ausarbeitung von meteorologischen Vorhersagen und Warnungen koordiniert und die Überwachung von Satelliten-, konventionellen und automatischen Wetterstationen durchführt. Neben der Kommunikation von Risiken und Gefahren durch das SENAHMI nutzen wir auch die sozialen Medien, das Fernsehen, das Radio und jetzt auch WhatsApp. Zu den häufigsten Risiken gehören Erdrutsche. Wir haben viele Häuser in sehr steilem Gelände, die extrem anfällig sind. Und dann ist da noch die ganze Kette von Risiken, die Stromversorgung, die Zugänglichkeit... Das ist unsere Realität. Wir haben etwa 146 Flüsse in La Paz. Die meisten von ihnen sind unterirdisch und bilden Netze, die die gesamte Stadt unterirdisch durchziehen, wir müssen diese Bedrohung ständig überwachen. Im Kurs habe ich vieles gesehen, was wir tun können, um eine „Risikokultur“ in der Bevölkerung zu schaffen und die Resilienz gegenüber Gefahren zu erhöhen. Eine transparente Beteiligung ist der Schlüssel und wird unsere Risikokompetenz erhöhen, die Sicherheit verbessern und die Solidarität stärken.

Globale Auswirkungen:

Interregional Training Course on Climate Change Adaptation Strategies for Soil and Water Management in High Mountainous Regions


11 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis aus Bergregionen weltweit – Chile, Argentinien, Bolivien, Nepal, Pakistan, Peru – kamen vom 7. bis 17. Juni 2022 im Rahmen des internationalen Trainingskurses in Bozen zusammen. Ziel war es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die notwendigen Instrumente sowie Schritte für eine Planung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel auf regionaler und lokaler Ebene näher zu bringen.

Zur Person

Fabiana Mercado Blanco ist Bauingenieurin mit Master-Abschlüssen von der Universität Fukushima (Bodenerosion aufgrund des Klimawandels), der Escuela Abierta de Desarrollo en Ingeniería y Construcción (EADIC - UDIMA) Spain EXPLOTACION DE OBRAS HIDRAULICAS (Hydraulics Buildings Explotation). In den letzten zehn Jahren war sie in ihrem Heimatland Bolivien als Managerin eines mehrjährigen und millionenschweren Programms zur Verringerung des Katastrophenrisikos und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit tätig, das durch ein Darlehen der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) an die bolivianische Regierung finanziert und vom Ministerium für Umwelt und Wasser umgesetzt wurde. https://www.canva.com/design/DAFEnUnMLuQ/i8g5kJc1oNLvCzZS706a3Q/edit

Zur Person

Stefan Schneiderbauer ist Geograph und seit über 20 Jahren tätig im Bereich (Klima-) Risikomanagement in Berggebieten. Er hat in Köln, Berlin und Louvain-La-Neuve (Belgien) studiert und leitet am Forschungszentrum Eurac Research für die Universität der UNO das Programm GLOMOS, das die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung von Berggebieten weltweit unterstützt.

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