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Das Netzwerk im Untergrund
Ein neues Projekt untersucht im Rahmen des „Biodiversitätsmonitoring Südtirol“ Pilze, um zu verstehen, wie diese unglaublichen Organismen Ökosysteme zusammenfügen.
Obwohl Pilze eine grundlegende Rolle in unserer Umwelt spielen, ist nur ein kleiner Teil der Pilzspezies bekannt. Die Initiative Biodiversitätsmonitoring Südtirol sammelt nun Daten über diese Arten, um ihre Auswirkungen auf die Ökosysteme besser verstehen zu können.
Pilze sind definitiv keine Pflanzen und auch keine Tiere. Mehr Ähnlichkeiten haben sie allerdings mit den Tieren. Im Gegensatz zu Pflanzen, die ihre Energie durch Photosynthese gewinnen, erhalten Pilze ihre Nährstoffe nämlich durch die Zersetzung organischer Stoffe. Ihre heterotrophe Lebensweise, dank der sie Nahrung aus externen Quellen beziehen, erinnert somit eher an Tiere als an Pflanzen.
Die Welt der sogenannten Fungi ist ein eigenes Reich: von riesigen Schirmpilzen bis hin zu mikroskopisch kleinen Hefepilzen. Sie sind im Brot enthalten. Sie werden in der Medizin eingesetzt. Sie beseitigen Ölkatastrophen. Es ist zwar nur ein kleiner Teil der Pilzarten erforscht, aber ihre tragende Rolle in unserer Umwelt ist unumstritten, denn sie bauen organische Stoffe ab und tragen dazu bei, den Boden wieder zu regenerieren, indem sie lebenswichtige Nährstoffe in die Erde zurückführen.
Das Reich der Pilze wurde erst vor etwa 50 Jahren als eigenständiger Hauptstamm der mehrzelligen Lebewesen erkannt und wird immer noch unterschätzt und missverstanden. Das hat dazu geführt, dass Pilze in den wichtigsten Schutz- und Bildungskonzepten vernachlässigt wurden. Auf dieses Defizit geht eine neue Initiative von Eurac Research ein.
Wie und warum wird die Verbreitung von Pilzen überwacht?
Neben ihrem Nutzen für die Umwelt haben Pilze die einzigartige Fähigkeit, mit Pflanzen oder Bäumen symbiotische oder mykorrhizische Beziehungen einzugehen. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, die Wurzeln dieser Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor zu versorgen, um ihr Wachstum zu fördern: Durch diese Optimierung des Nährstoffaustauschs wird die Produktivität der Pflanzen und Bäume gesteigert. Im Gegenzug „füttert“ die Pflanze den Pilz mit Zucker, den sie aus der Photosynthese gewonnen hat.
Außerdem bauen bestimmte saprotrophe Pilze totes organisches Material ab und nehmen damit eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung von kohlenstoffhaltigen Stoffen ein. Indem sie organisches Material zersetzen und in den Waldböden speichern, tragen Pilze auch dazu bei, dass Wälder den Klimawandel abmildern. Gesunde Wälder existieren aufgrund intakter Pilznetzwerke.
Nun hat sich Eurac Research im Rahmen des „Biodiversitätsmonitoring Südtirol“ daran gemacht, die Pilzvielfalt zu beobachten und zu erfassen.
Es gibt keine einheitliche Methode oder ein Standardprotokoll, um Pilze zu monitoren. Die gängigste Erfassungsmethode besteht darin, den Fruchtkörper (den die meisten von uns für den Pilz an sich halten) zu sammeln und zu dokumentieren, wo und in Verbindung mit welchen Bäumen er wächst. Denn verschiedene Pilzarten gehen Verbindungen mit bestimmten Baum- oder Pflanzenarten ein. Diese Mykorrhiza-Netzwerke helfen auch bei der Bestimmung bestimmter Pilze.
Ebenso hilfreich, wenn auch auf eine andere Art und Weise, ist die Zusammenarbeit von Eurac Research mit dem Südtiroler Ableger der Associazione Micologica Bresadola – einer großen italienischen mykologischen Stiftung –, deren Fachwissen und Erfahrung bei der Erfassung und der Bestimmung der Funde von unschätzbarem Wert ist.
Die Pilze, die wir sehen können, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Im Wald lebt unter der Laubdecke, im Boden, in den Bäumen und sogar in der Luft eine Vielzahl anderer Fungi etwa in Form von Sporen oder Myzelien. Um ein präziseres Bild der Pilzvielfalt zu erhalten, kombiniert das Team von Eurac Research traditionelle Erfassungsmethoden mit komplexen Analysen der Umwelt-DNA (eDNA). Die Ergebnisse werden im Rahmen des Projekts Biodiversitätsmonitoring Südtirol verwendet und erweitern zusätzlich die Pilzdaten für ein größeres europäisches Forschungsprojekt namens Fun Dive.
Zu diesen Techniken gehört etwa die Entnahme von Boden- und Totholzproben. Unter der Erde, versteckt vor dem menschlichen Auge, wimmelt es im Boden von Leben. Ein Großteil der lebenden Masse im Boden besteht aus Pilzen, die riesige unterirdische Netze bilden, mit Pflanzen zusammenarbeiten und deren Wurzelsysteme nähren. Diese Myzel-Netzwerke, die Pflanzen und Pilze miteinander verbinden, um Ressourcen in einem natürlichen Ökosystem zu teilen, werden oft als das „Wood Wide Web“ bezeichnet . Indem sie aus mehreren Bodenproben eDNA entnehmen und analysieren, können die Forscher und Forscherinnen feststellen, welche „unsichtbaren“ Pilze im Wald tatsächlich vorhanden sind – und welche verschlungenen Beziehungen sie unter unseren Füßen eingehen.
Mit einem Bohrer werden auch Proben aus Totholz entnommen. Die Sägespäne werden dann mittels eDNA-Sequenzierung analysiert, um festzustellen, welcher unsichtbare Pilz am Werk ist und das organische Material abbaut.
Eine weitere innovative Methode besteht darin, sogenannte Sporenfallen aufzustellen: Diese speziellen Filter werden an Pfählen im Wald angebracht und fangen die Fortpflanzungszellen der Pilze ein, die durch den Wind verbreitet werden. Mit dieser speziellen Technik, die als aerial eDNA bezeichnet wird, ist es nicht nur möglich, zu erheben, ob bestimmte Pilze in einem Gebiet vorkommen, sondern auch den Zeitpunkt und den Verlauf ihrer Fortpflanzung.
Die Kombination dieser Methoden und das Fachwissen des Forschungsteams und der beteiligten Hobby-Mykologen und Mykologinnen, die in ständigem Austausch stehen, erinnern an den symbiotischen Charakter der untersuchten Myzel-Netzwerke. Eurac Research hat es sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten vier Jahren fünfzig Waldstandorte in verschiedenen Höhenlagen in Südtirol zu monitoren. Die gesammelten Daten zu Flora, Fauna und Fungi werden kombiniert, um zu untersuchen, wie sich diese Organismen entwickeln. Die Erkenntnisse darüber, wie sich Pilze in das Gesamtbild der biologischen Vielfalt einfügen und wie sie mit ihrem Lebensraum interagieren, werden es ermöglichen, ihr Potenzial als natürliche Ressource besser zu verstehen und folglich besser zu schützen.