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Der Monat des Eises
Im Icing-Wind-Tunnel des terraXcube fliegen Drohnen zum Test durch eisige Wolken
Wie eine Kobra bäumte sich im Februar eine meterhohe metallene Röhre im Extremklimasimulator von Eurac Research auf und blies ihren eisigen Atem auf verschiedene Drohnenrotoren. Bei bis zu -20°C strömt ein feiner Wassernebel aus diesem Icing-Wind-Tunnel, den verschiedene Forschungsteams nutzen, um das Phänomen des Icing zu erforschen, das die Flugtüchtigkeit von Drohnen und Helikoptern stark beeinträchtigt. Wassertröpfchen können in den Wolken weit unter den Gefrierpunkt abkühlen und trotzdem flüssig bleiben. Sie gefrieren erst, wenn sie einen festen Gegenstand berühren - mit fatalen Folgen.
Tests bei solchen Vereisungsbedingungen sind aufgrund der genannten Schwierigkeiten sehr gefährlich und riskant, weil sie die aerodynamischen Eigenschaften von Rotoren und Hubschrauberblättern stark verändern. Eine Lösung dafür bieten hochkomplexe technische Infrastrukturen, die diesen Nebel bei Temperaturen unter 0°C in Innenräumen erzeugen können. Einer dieser Icing-Wind-Tunnel wurde im terraXcube entwickelt und von der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega kofinanziert – 2021 wurden die ersten Proben durchgeführt, im Februar kam es zu einer ausgedehnten Testreihe.
Icing behindert Rettungsflüge
Die Idee, den Extremklimasimulator von Eurac Research mit dieser Infrastruktur auszustatten und in Bozen einen Icing-Wind-Tunnel zu bauen, entspringt einer Anfrage von Rega. Sie nutzt Drohnen, um vermisste Personen – genauer gesagt deren Mobiltelefone – in unwegsamen Gelände im Gebirge schneller zu orten und damit die Rettungscrew, in enger Zusammenarbeit mit der Polizei, zielgerichtet zum Unfallort zu führen. Dabei überfliegt die Drohne die Gegend, in der die gesuchte Person vermutet wird.
Diese ausgeklügelte Suche kann jedoch am Wetter scheitern: Vereisungsbedingungen, wie beispielsweise bei tiefen Temperaturen in Wolken oder bei Schneefall, beeinträchtigen die Rotoren. Aus diesem Grund dürfen in diesen Fällen weder Drohnen noch Hubschrauber abheben. Wie kritisch die Witterung bei Flugrettungen besonders in den Alpen ist, zeigen Daten aus der Schweiz: Derzeit können dort gegen 600 Patientinnen und Patienten pro Jahr wegen schlechten Wetters nicht aus der Luft versorgt werden. Für vermisste oder verunglückte Personen im Berg kann das gravierend sein.
Da besonders die rotierenden Elemente von Vereisungsbedingungen betroffen sind, arbeitet Rega intensiv an der Entwicklung einer Enteisungstechnologie, die dafür sorgt, dass sich kein Eis auf den Rotorblättern ansammeln kann. Ziel der Tests im terraXcube ist es nachzuweisen, dass diese neu entwickelte Technologie auch unter den schwersten Bedingungen voll funktionstüchtig ist, wie es von der Verordnung EASA CS-29 der Europäischen Agentur für Flugsicherheit vorgeschrieben wird.
Die ersten Testergebnisse sind vielversprechend, und die Chancen stehen gut, dass bald Flugtests unter freiem Himmel stattfinden können. Möglicherweise können Rettungsdrohnen bald mit dem Anti-Icing-System ausgestattet werden, damit sie auch unter schwierigen Bedingungen fliegen können.
Das Projekt DRONE-AED: Können mit Defibrillatoren bestückte Drohnen Leben retten?
Wie desaströs sich Icing auf Drohnen auswirken kann, zeigen einige Flugtests, die ein Forschungsteam von Eurac Research rund um Ricardo Parin im Zuge des Projektes DRONE-AED im Icing-Wind-Tunnel durchgeführt hat: Schon nach kürzester Zeit waren die Rotorblätter von einer dicken Eisschicht überzogen, sodass der Flug nach nur zwei Minuten abgebrochen werden musste. So konnte gerade noch verhindert werden, dass die Drohne abstürzte und beschädigt wurde. Riccardo Parin, Senior-Researcher im terraXcube, sagt dazu: „Dieser Test zeigt, wie gefährlich diese Bedingungen sind. Aus diesem Grund dürfen Helikopter, aber auch alle anderen Flugfahrzeuge, bei Icing nur mit einer entsprechenden Zertifizierung fliegen. Was den Hubschraubersektor betrifft, so gibt es nur sehr wenige Modelle, die für den Flug unter Vereisungsbedingungen zugelassen sind.“
Der Einsatz von unbemannten Drohnen kann bei Rettungsmissionen neue Möglichkeiten eröffnen. Im Projekt Drone AED forscht ein Team aus dem Institut für Alpine Notfallmedizin, dem Center for Sensing Solutions und dem terraXcube zusammen zu diesem Thema. Drohnen können die Zeit bis zum Beginn der Behandlung eines Herzstillstands bei Bergrettungseinsätzen verkürzen, indem sie einen automatisierten externen Defibrillator (AED – automated external defibrillator) zum Patienten oder zur Patientin fliegen, die andernfalls nicht in angemessener Zeit erreicht werden könnten. Dabei geht es auch darum, die Reichweite der eingesetzten Drohne der Firma MAVTech mit dem AED unter verschiedenen Bedingungen zu ermitteln und die Drohne unter Extrembedingungen zu testen. Wie erwartet war der Effekt von Icing dramatisch und hat die Flugtüchtigkeit der Drohne schon nach kürzester Zeit stark beeinträchtigt, nachdem sie in die eisige Wolke des Icing-Wind-Tunnel eingetaucht war.
Eis auf Rotorblättern – eine bislang unbekannte Variable
Das Eis auf den Rotorblättern erhöht das Gewicht der Drohne und damit den Energieverbrauch, den die Drohne zum Fliegen aufwenden muss. Außerdem beeinträchtig es ihre Aerodynamik. Selbst wenn sie es schafft in der Luft zu bleiben, verbraucht die Drohne so viel mehr Strom und ihre Reichweite sinkt drastisch. Die Eisschicht, die sich über die Drohne legt, verändert außerdem die Form der Propellerflügel und damit ihre Leistungsperformance. „Die Bauweise und Form der Propellerblätter sind wohlgehütete Industriegeheimnisse“, weiß Riccardo Parin. „Das Eis macht ihre aerodynamischen Eigenschaften zunichte.“ Variiert das Eis nämlich die Form und die Oberfläche der Flügel, geht ein ausschlaggebender Faktor für die Qualität einer Drohne verloren.
Aber was wissen wir über das Eis, das sich auf den Propellern der Drohnen – auch als UAV (unmanned aerial vehicle) bezeichnet – bildet, wenn sie durch kalte Wolken fliegen? Sehr wenig – denn, so erklärt Riccardo Parin: “Icing-Wind-Tunnel gibt es nur sehr wenige und ihre Nutzung ist kompliziert und teuer. Noch seltener sind jene mit den richtigen Eigenschaften, um ein komplettes UAV zu testen, wie wir es in terraXcube tun. Deshalb wird meistens auf Computersimulationen zurückgegriffen, um das Phänomen der Eisbildung auf festen Flügeln oder Rotorblättern zu untersuchen. Diese experimentellen Tests vermitteln eine Vorstellung von der Form und den Eigenschaften, die das Eis unter den Bedingungen der im Labor nachgebildeten Wolken aufweist.“ Dazu wird ein 3D Scanner der Firma SolidWorld verwendet, der es ermöglicht, die Oberflächen von Gegenständen – in diesem Fall von der Eisschicht auf den Rotorblättern – zu erfassen und ein 3D Modell davon zu erstellen. Das ist deshalb interessant, da sich je nach Bedingungen unterschiedliche Arten von Eis bilden können, so ändert sich etwa die Oberflächenstruktur oder aber auch die Dichte des Eises.
Je nach Temperatur gefrieren die Wassertröpfchen entweder sofort beim ersten Kontakt mit einem Objekt oder rutschen noch ein wenig über seine Oberfläche, bevor sie erstarren. Dadurch erhält das Eis unterschiedliche Strukturen und Transparenzgrade, je nachdem wieviel Luft beim Gefrierprozess eingeschlossen wurde. Durch die 3D Modelle des Eises wird es möglich sein, eine vollständige Charakterisierung des Phänomens zu liefern.
„Unser langfristiges Ziel ist es, die Daten, die wir dank der Tests im Icing-Wind-Tunnel erheben, für eine Charakterisierung der verschiedenen Eistypen, die sich beim Icing bilden können, zu verwenden. Und damit Softwares für eine korrekte Simulation des Phänomens zu validieren und zu entwickeln, wie beispielsweise das Polimice der Polytechnischen Universität von Mailand“, sagt Parin.
Verschiedene Forschungseinrichtungen arbeiten zusammen
Parin koordiniert die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Padua und der Polytechnischen Universitäten von Turin und Mailand bei der Durchführung der Tests im Icing-Wind-Tunnel von terraXcube und arbeitete mit unibz in diesem „Monat des Eises“ zusammen. Die vielfältige Anwendbarkeit dieser Infrastruktur lässt sich auch aus ihren verschiedenartigen Studien ablesen: So wurde etwa ein Sensor getestet, der die Größe der Wassertröpfchen in der Luft misst und damit die Wolke charakterisieren kann, die vom Icing-Wind-Tunnel produziert wird; erstmals gab es einen Indoor-Flug einer Drohne bei Vereisungsbedingungen; und es wurden Tests für eine Studie über die Wirksamkeit von hydrophoben Stoffen, die zur Verhinderung der Eisbildung auf Oberflächen eingesetzt werden, durchgeführt.
Außerdem ist der terraXcube Partner des Marie Skłodowska-Curie Projektes TRACES – sein ausgeschriebener Name ist Programm: training the next generation ice researchers. In diesem Network forschen 15 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Universitäten interdisziplinär an ihren PhD-Projekten rund um das komplexe Thema Icing und die Risikominderung für Luftfahrzeuge und Triebwerke. Im kommenden Herbst wird der Icing-Wind-Tunnel das nächste Mal im terraXcube aufgebaut werden, dann werden unter anderem sie diese innovative Infrastruktur nutzen können, um unter kontrollierten Bedingungen Daten zu erheben, mit dem Ziel, das Fliegen noch sicherer zu machen.