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"Kein Zusammenhang zwischen Covid-19 und Höhenlungenödem"

Forscherteam spricht Warnung aus

Covid-19-Patienten würden stark an Patienten erinnern, die aufgrund der Höhenkrankheit an einem Lungenödem leiden und müssten demnach auch genauso behandelt werden. Diese Hypothese stellten US-amerikanische Mediziner auf, als die Corona-Pandemie die Staaten erfasste. Gemeinsam mit Fachkollegen veröffentlichte ein Forscherteam rund um Hermann Brugger und seinen Instituts-Co-Leiter Giacomo Strapazzon eine offizielle Stellungnahme zu den Unterschieden zwischen den beiden Erkrankungen und warum sie nicht gleich behandelt und therapiert werden dürfen.

Die Hypothese stellten US-amerikanische Mediziner auf, als die Corona-Pandemie die Staaten erfasste - zuerst in einem wissenschaftlichen Artikel, danach in einem Facebook-Video eines jungen New Yorker Arztes, das schnell viral wurde: Covid-19-Patienten würden stark an Patienten erinnern, die aufgrund der Höhenkrankheit an einem Lungenödem leiden und müssten demnach auch genauso behandelt werden. „Es ist für mich unverständlich, dass es möglich war, so etwas zu publizieren und die Reviewer, also die wissenschaftlich zuständigen Gutachter, keinen Einwand hatten“, wundert sich Hermann Brugger, Leiter unseres Instituts für Alpine Notfallmedizin, das auch im Bereich der Höhenmedizin forscht. Denn es sei geradezu schädlich, wenn nicht sogar tödlich, die für das Höhenlungenödem wirksamen Medikamente und Therapien bei Covid-Patienten einzusetzen, unterstreicht Brugger und hofft gleichzeitig, dass sein Appell rechtzeitig gehört wird. „Derzeit zirkulieren so gennannte Pre-Prints im Internet, Fachartikel, die nicht begutachtet sind. Fast alle renommierten Journals geben jetzt diese Artikel preis. In diesem Ausmaß hat es das vorher noch nie gegeben“, macht Brugger deutlich. Daher sei es besonders wichtig, nicht rezensierte Artikel mit Vorsicht zu lesen. Viele vorgeschlagenen Therapien seien nicht validiert. „Wir befinden uns weltweit in einem riesen Experiment. In gutem Glauben werden Therapien angewandt, die nicht die normalen Genehmigungsprozesse durchlaufen. Das kann im besten Fall zu Gunsten des Patienten sein, ist aber auch mit erhöhtem Risiko verbunden“, warnt der Mediziner. Gemeinsam mit Fachkollegen der ISMM (Internationale Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin), UIAA Medcom (Medizinische Kommission der Internationalen Organisation der Alpinismusverbände) und ICAR Medcom (Internationale Kommission für Alpine Notfallmedizin), veröffentlichte das Bozner Forscherteam rund um Brugger und seinem Instituts-Co-Leiter Giacomo Strapazzon eine offizielle Stellungnahme zu den Unterschieden zwischen den beiden Erkrankungen und warum sie nicht gleich behandelt und therapiert werden dürfen. Im Anschluss ein zusammenfasender Auszug aus der Stellungnahme, die im renommierten BMJ (British medical Journal) publiziert wurde, sowie in High Altitude Medicine & Biology und im European Respiratory Journal.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen Covid-19 und dem Höhenlungenödem

  • Ein Höhenlungenödem ist eine Flüssigkeitsansammlung (Ödem) in der Lunge, die beim Bergsteigen ab 3.000 Metern Meereshöhe auftreten und die Atmung stark behindern kann.
  • Betrachtet man Covid-19 und das Höhenlungenödem, dann ist beiden Erkrankungen gemeinsam, dass die Patienten unter schwerem Sauerstoffmangel (Hypoxie) leiden. Die Kausalität ist jedoch völlig verschieden: Beim Höhenlungenödem ist die Hypoxie die Ursache für die Beschwerden, bei Covid-19 ist die Hypoxie hingegen die Folge aufgrund der Lungenschäden.
  • Beim Höhenlungenödem führt die Hypoxie zu einer schnell eintretenden starken Erhöhung des Blutdrucks im Lungenkreislauf. Auch bei Covid-19 kommt es zu einem erhöhten Blutdruck im Lungenkreislauf, doch tritt dies nicht so ausgeprägt und erst im Verlauf der Erkrankung auf.
  • Covid-19 ist eine hoch ansteckende virale Erkrankung – das Höhenlungenödem ist keine Infektionskrankheit .
  • Was Entzündungszeichen in der Lunge anbelangt, können diese bei Patienten mit Höhenlungenödem zu einem späteren Zeitpunkt in minimaler Form auftreten. Bei Covid-19 zerstört das Virus die Lungenzellen und führt zu einem starken Entzündungsprozess.
  • Das Höhenlungenödem betrifft ausschließlich die Lunge, während Covid-19 Lunge, Niere, Herz, Nervensystem und Gefäßsystem befallen kann. Demnach versterben Höhenlungenödem-Patienten nie an einem Multiorganversagen, während dies bei Covid-19 durchaus der Fall sein kann.
  • Wie die Krankheit verläuft, hängt beim Höhenlungenödem nicht davon an, ob vorbestehende Krankheiten vorliegen. Hingegen zeigt sich bei Covid-Patienten, dass Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes den Verlauf wesentlich verschärfen.
  • Das Höhenlungenödem ist nicht altersabhängig, während bei Covid-19 das Alter den Verlauf beeinflussen kann.

Warum Covid-19 und Höhenlungenödem nicht gleich behandelt werden dürfen

Wenn man bei Patienten mit Höhenlungenödem Sauerstoff zuführt, verschwinden die Symptome innerhalb weniger Tage. Kann man die Patienten nicht unmittelbar aus der Höhe in tiefere Lagen evakuieren, können Medikamente wirksam sein, welche die Lungengefäße erweitern (Calziumantagonisten und Phosphodiesterasehemmer). Diese Therapien wären aber für Covid-Patienten sogar schädlich: Sie verschlechtern das Ventilations-Perfusionsverhältnis und fördern damit das akute Lungenversagen, das die zweite Phase von Lungenentzündungen in der Covid-Erkrankung kennzeichnet. Daher unterstreichen die Forscher, dass Covid-19-Patienten keinesfalls gleich wie Patienten mit Höhenlungenödem behandelt werden dürfen.

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