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Klimaschutz: Mutiger Rat

Was zeigt die Erfahrung von Klimabürgerräten? Ein Klimafolgenforscher und eine Rechtswissenschaftlerin im Interview

Credit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved

Ein so tiefgreifender Transformationsprozess, wie der Klimawandel ihn fordert, ist ohne Rückhalt in der Bevölkerung nicht zu verwirklichen. Immer mehr Staaten, Regionen und Städte berufen deshalb Klimaräte ein, um Bürgerinnen und Bürger an der Suche nach Lösungen zu beteiligen – so auch Österreich, Südtirol und die Stadt Trient. Was der Vergleich dieser drei partizipativen Prozesse zeigt, erklärt die Rechtswissenschaftlerin Federica Cittadino. Der Klimafolgenforscher Marc Zebisch zieht Schlüsse aus der Erfahrung des Südtiroler Klimabürgerrats, bei dem er Leiter des Fachbeirats war.

 Drei Bürgerräte zum Thema Klima, jeder anders angelegt und umgesetzt. Ein Runder Tisch verglich die Erfahrungen in Südtirol, Österreich und Trient. Die Expertin für Umweltrecht Federica Cittadino moderierte die Diskussionsrunde und berichtet über die Ergebnisse.

 

Credit: Eurac Research | Annelie Bortolotti

Warum sind Klimaräte der Bürgerinnen und Bürger aus juristischer Sicht wichtig?

Bürgerräte sind ein wichtiges Instrument der partizipativen Demokratie. Sie sind entstanden, um die Grenzen der repräsentativen Demokratie zu überwinden und um dem schwindenden Vertrauen in demokratische Institutionen und Regierungen entgegenzuwirken. Sie ersetzen die repräsentative Demokratie nicht, sondern ergänzen sie; sie geben Menschen eine Stimme, die normalerweise von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind. Beim Problem Klimawandel ist ganz besonders offensichtlich, dass die ökologische Wende ohne die Unterstützung der Bevölkerung unmöglich zu verwirklichen ist.

Oft haben die Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage auch ehrgeizigere Ziele als die Regierenden. War dies auch bei den drei von Ihnen analysierten Erfahrungen der Fall?

In Bozen entwickelte der Bürgerrat einige neue Vorschläge, die über die im Klimaplan der Landesregierung festgelegten Maßnahmen und Ziele hinausgehen – so wurden in einigen Bereichen etwas höhere Prozentsätze für die Emissionsreduktion gefordert, oder auch neue Indikatoren vorgeschlagen, beispielsweise die Nutzung von Privatfahrzeugen durch Touristen.

In Trient war der Bürgerrat als Simulation konzipiert: Das Ziel war also weniger, einen Beitrag zum Entscheidungsprozess zu leisten, als vielmehr, das Instrument des Bürgerrats selbst zu testen.

In Österreich hatte der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger ein weniger konkretes Mandat als in Südtirol, seine Aufgabe war es nicht, ein vorhandenes Dokument zu erörtern; daher ist es schwierig zu sagen, ob die Empfehlungen mehr oder weniger ehrgeizig waren.

Abgesehen von diesen drei konkreten Fällen ist dies in der Tat ein wichtiger Punkt: Einigen Studien zufolge können die Bürgerinnen und Bürger mutigere Entscheidungen treffen, weil sie nicht unter dem gleichen Druck stehen wie die Politik. Dies vertritt auch die Bewegung Extinction Rebellion, aus deren Protesten die Simulation von Trient hervorgegangen ist. In Österreich beispielsweise waren die Namen der Mitglieder des Klimarats der Öffentlichkeit nicht bekannt, damit sie nicht beeinflusst werden konnten.

In Südtirol hatte der Bürgerrat den Auftrag, ein bestehendes Dokument – den Klimaplan der Landesregierung – zu analysieren. Wie war es in den beiden anderen Fällen?

In Südtirol waren die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, sich mit einem technischen Dokument auseinanderzusetzen; das war eine Herausforderung, aber ich glaube, dass es letztendlich von Vorteil war, einen präzisen Auftrag zu haben. Während des Runden Tisches wurde deutlich, dass der österreichische Klimarat der Bürgerinnen und Bürger, mit der sehr allgemein formulierten Aufgabe, Österreich bei der Erreichung der Klimaneutralität zu helfen, große Schwierigkeiten hatte, relevante Empfehlungen zu erarbeiten, eben weil der Sachbereich viel zu breit war. Sicherlich ist es für Laien schwierig, technische Dokumente zu bewerten, aber der Zweck von Bürgerräten ist auch, die Bevölkerung zu sensibilisieren und sie in die Politikgestaltung miteinzubinden. Diese Prozesse sehen immer eine mehr oder weniger lange Phase der Wissensvermittlung vor, um die Bürgerinnen und Bürger auf ihre Aufgabe vorzubereiten.
In Trient zum Beispiel waren von den drei Tagen Bürgerversammlung zwei den Diskussionen mit Fachleuten und städtischen Beamtinnen und Beamten gewidmet. Dieser Austausch wurde als wichtiger Mehrwert der Versammlung anerkannt, denn wer daran teilnahm, hat erkannt, dass die Beamtinnen und Beamten nicht in einem Elfenbeinturm leben, und es hat ein Dialog begonnen.


Sind die von den Bürgerinnen und Bürgern getroffenen Entscheidungen für die Politik in irgendeiner Weise bindend?

Nein. Bürgerräte sind per Definition ein demokratisches Beteiligungsinstrument, sie unterstützen die repräsentative Demokratie, aber die politischen Entscheidungsgremien sind nicht verpflichtet, die Empfehlungen zu übernehmen. Im Trentiner Partizipationsgesetz etwa steht dies explizit. In Südtirol hat die Landesregierung sich verpflichtet, zum Bericht des Bürgerrats Stellung zu nehmen – nicht weil sie dazu angehalten ist, sondern weil das Feedback bei solchen Prozessen wichtig ist; der Moment dafür sollte auch schon vereinbart werden, bevor der partizipative Prozess beginnt. Wir haben darüber beim Runden Tisch in Bezug auf Österreich gesprochen. Dort wurde die Initiative zwar von oben angestoßen, doch es fehlte von Anfang an die politische Unterstützung. Der Klimarat hat einen sehr langen Bericht erstellt, auf den das zuständige Ministerium auch geantwortet hat, aber die von der Bürgerschaft erarbeiteten Empfehlungen wurden nicht einmal im Parlament vorgestellt.


Wenn die Empfehlungen nicht verbindlich sind, wie kann dann die Wirksamkeit der Bürgerräte bewertet werden?


Hier ist zu sagen, dass es sich bei Klimaräten um ein sehr junges Phänomen handelt – in Europa wurden die ersten Klimaversammlungen erst im Jahr 2019 abgehalten. Es gibt ein Netzwerk von Fachleuten – Knowledge Network on Climate Assemblies, besser bekannt als KNOCA –, das sich mit der Auswertung dieser Erfahrungen befasst und in seinem Bericht von 2024 erklärt, die Wirksamkeit sei nicht eindeutig zu bewerten. In einigen Fällen gab es tatsächlich Auswirkungen auf gesetzlicher Ebene, wie im Fall des nationalen Bürgerrats in Frankreich oder des irischen Bürgerrats, aber das ist nicht der einzige Aspekt, der berücksichtigt werden muss. Das Engagement und der Enthusiasmus der Teilnehmenden müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Darüber hinaus tragen Bürgerräte dazu bei, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen, die Aufmerksamkeit der Medien zu erhöhen, die öffentliche Debatte zu beleben und die Polarisierung zu verringern.

Dem Bericht zufolge wäre eine stärkere Institutionalisierung nötig: Ad-hoc-Versammlungen, die zur Erörterung eines bestimmten Themas einberufen werden, sollten in ständige Bürgerräte umgewandelt werden, die jährlich zusammentreten und ihre Empfehlungen auf der Grundlage der Entwicklungen aktualisieren. In Mailand ist dies bereits geschehen, und auch der Südtiroler Landtag erwägt diese Möglichkeit.

 

Mit welchen Themen könnten Bürgerräte sich noch befassen, und welche anderen Formen der Bürgerbeteiligung gibt es?

Bürgerräte können sicherlich auch andere Fragen behandeln, nicht nur Klimaschutz – ursprünglich waren sie nämlich für andere Themen konzipiert. Ein bekanntes Beispiel für eine andere Form, Bürgerinnen und Bürger an der öffentlichen Entscheidungsfindung zu beteiligen, ist der Prozess der Bürgerhaushalte in Porto Alegre in Brasilien, der Ende der 1980er Jahre begann und mehrere Jahre andauerte. In Frankreich sind öffentliche Debatten über große Infrastrukturprojekte fest im System verankert, und ein ähnlicher Ansatz wurde kürzlich in Italien eingeführt. Unabhängig von den konkreten Themen und rechtlichen Rahmenbedingungen haben diese Initiativen das Ziel, die Demokratie zu stärken.

"Der Lernprozess für die Bürgerinnen und Bürger und die Zusammenarbeit mit den Beamten wurden sehr geschätzt."

Federica Cittadino

Was zeigen die drei analysierten Beispiele: Was war positiv und was sollte überdacht werden?


Sicherlich sollte der Zeitraum ausgedehnt werden, wobei aber natürlich zu berücksichtigen ist, wie verfügbar die Teilnehmenden sind und wie viel Einsatz erforderlich ist.

Im Allgemeinen wurden der Lernprozess für die Bürgerinnen und Bürger und die Zusammenarbeit mit den Beamten sehr geschätzt. Ein weiteres positives Element war die Stärkung der Demokratie und die stärkere Einbeziehung der Bürgerschaft.

In einem Klima, in dem das Misstrauen gegenüber der Demokratie so ausgeprägt ist, scheint mir dies ein großer Erfolg. Ein Ergebnis des Runden Tisches war, dass der Fokus von der Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Wirksamkeit des Prozesses selbst verlagert werden sollte – dieser ist als Prozess des Lernens und der Beratung zu betrachten, der niemals endet. Louisa Parks von der Universität Trient hat das während des Runden Tisches gut auf den Punkt gebracht: So wie wir uns die Klimakrise nicht als ein Problem vorstellen können, das einen Anfang und ein Ende hat und mit Einzelmaßnahmen gelöst werden kann, so hat auch der Entscheidungsfindungsprozess keinen Endpunkt, sondern ist ein Zyklus, zu dem auch diese partizipativen Erfahrungen gehören, und der immer wieder erneuert werden muss.

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Einige Momentaufnahmen des Südtiroler KlimabürgerratsCredit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved
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Einige Momentaufnahmen des Südtiroler KlimabürgerratsCredit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved
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Einige Momentaufnahmen des Südtiroler KlimabürgerratsCredit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved
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Einige Momentaufnahmen des Südtiroler KlimabürgerratsCredit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved
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Einige Momentaufnahmen des Südtiroler KlimabürgerratsCredit: LPA | Fabio Brucculeri | All rights reserved

Der Südtiroler Klimabürgerrat war der erste Bürgerrat auf Landesebene. Zwischen Januar und Juni 2024 arbeiteten 56 per Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger an insgesamt sechs Tagen an Vorschlägen zum Klimaplan Südtirol 2040 der Landesregierung. Der Abschlussbericht wurde im Dezember dem Landtag vorgestellt. Dem Bürgerrat stand ein Fachbeirat zur Seite, dessen Leiter der Klimafolgenforscher Marc Zebisch war.

 

Credit: Eurac Research | Tiberio Sorvillo

Herr Zebisch, aus Sicht des Naturwissenschaftlers: Warum sind Klimabürgerräte wichtig?

Einmal geht es darum, die Lebenswirklichkeit der Menschen einzubeziehen, also zu verstehen: Sind die angestrebten Maßnahmen zumutbar? Würden sie in abgewandelter Form vielleicht besser funktionieren?
Aber noch ein anderer Aspekt ist sehr wichtig. Beim Klimaschutz geht es ja immer auch um die Frage: Wie mutige Forderungen stellt man auf? Das Land war da in seinem Klimaplan nicht übermäßig mutig, wohl auch aus Angst, den Menschen zu viel zuzumuten. Interessanterweise hat sich jetzt aber gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger sind mutiger als die Politik, ihre Forderungen gehen über den Klimaplan hinaus. Das ist ein ganz wichtiges Signal an die Politik: Wir können den Menschen durchaus etwas zutrauen, ja sie fordern uns sogar auf, mehr für den Klimaschutz zu tun.

 

Ein Beispiel dafür?

Nehmen wir die Landwirtschaft: Im Klimaplan steht, ihre Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 10 Prozent verringert werden, der Bürgerrat hat stattdessen eine Verringerung um 20 Prozent gefordert; bis 2040 sieht der Plan eine Verringerung um 40 Prozent vor, die Bürgerinnen und Bürger sagen, bis dahin sollen es 50 Prozent weniger sein. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn der Bestand an Milchvieh reduziert wird. Deshalb hat der Bürgerrat als neues Ziel hinzugefügt: Reduktion des Viehbestandes. Das stand nicht im Plan.  

 

Haben diese weitreichenden Forderungen Sie überrascht?

In diesem Fall war ich tatsächlich überrascht. Insgesamt hat mich aber vor allem sehr beeindruckt, wie gut die Gruppen gearbeitet haben. Der Bürgerrat ist fünf Mal zusammengekommen, zweimal auch ein Wochenende lang, und die Gruppen haben unter Anleitung von Moderatorinnen die Themen Punkt für Punkt durchgearbeitet, haben sich Wissen angeeignet, Meinungen gebildet, abgestimmt.
Das ist das Besondere an diesem Format: Es handelt sich nicht einfach um eine Abstimmung zwischen verschiedenen Alternativen, sondern die Bürgerinnen und Bürger erarbeiten wirklich neue Vorschläge. Beeindruckend ist auch, dass die allermeisten Maßnahmen im Konsens entstanden sind, was ebenfalls zeigt, dass es ein Arbeitsprozess ist und nicht einfach ein Forum, wo alle ihre Meinung einbringen können.

 

"Die Bürgerinnen und Bürger sind mutiger als die Politik."

Marc Zebisch

In keinem Punkt fanden die Bürgerinnen und Bürger die Maßnahmen des Klimaplans zu streng?

Nein. Dazu muss man wissen: Der Klimaplan unterscheidet zwischen Zielen und Maßnahmen – und es ist eigentlich in fast jedem Bereich ziemlich offensichtlich, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um die Ziele zu erreichen. Das wurde den Menschen während des Arbeitsprozesses natürlich auch klar, wir Fachleute können ja nicht lügen.

 

Wie genau sah die Rolle des Fachbeirats aus?

Wir hatten eher eine Rolle im Hintergrund. Konkret sah das so aus, dass wir zu jedem der Themenblöcke, also beispielsweise Landwirtschaft, Mobilität oder Energie, zuerst in einem Inputreferat erklärt haben, was der Klimaplan vorsieht, was man noch tun könnte, was in Nachbarregionen und -staaten passiert. Außerdem haben wir die grundlegenden Zusammenhänge erklärt, für die Landwirtschaft etwa: Warum erzeugen Kühe Methan, und was bewirkt das Methan in Bezug auf das Klima?
Alles Weitere lief dann über Frage und Antwort, und hauptsächlich per Mail ab. Also die Arbeitsgruppen haben sich mit Fragen an die jeweiligen Fachleute gewandt, und die haben geantwortet. Die Bürgerinnen und Bürger konnten sich also bei uns alle Informationen holen, aber wir selbst waren nicht Teil der Diskussion.

 

War es eine Herausforderung, zufällig ausgewählten Laien das nötige Fachwissen zu vermitteln?

Sobald man in den Bereich der Maßnahmen kommt, wird es eigentlich schnell sehr praktisch; das alles findet ja im Lebensalltag der Menschen statt – Heizen, Mobilität, Konsum. Um zu beurteilen, welche Lösungen möglich sind, welche Ziele erreicht werden können, muss man nicht über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse Bescheid wissen, sondern vor allem die Südtiroler Wirklichkeit auf dem jeweiligen Gebiet sehr gut kennen. Im Fachbeirat waren deshalb auch Fachleute aus der Verwaltung, das waren sehr wertvolle Ansprechpartner, so wie es auch Vertreter von Verbänden oder aus der Privatwirtschaft sein könnten.

 

Hat der Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern auch Ihnen als Wissenschaftler etwas gebracht?

Auf jeden Fall. Denn wenn es um die Umsetzung von Ideen geht, haben wir Wissenschaftler manchmal eine Lücke – im Austausch kommt man da dann gemeinsam auf Lösungen. Vor allem aber sind in diesem Prozess immer Werteentscheidungen zu treffen, und es ist gut, dass dies die Bürgerinnen und Bürger tun, das ist nicht Sache der Wissenschaft. Bleiben wir beim Beispiel Landwirtschaft. Da könnte man beispielsweise die Haltung einnehmen: Wir rütteln nicht prinzipiell am System der Vieh- und Milchwirtschaft, sondern arbeiten daran, seine Emissionen zu reduzieren, etwa indem wir Biogasanlagen installieren. Das andere Extrem wäre, sich das Ziel zu setzten, dauerhaft von der Viehhaltung wegzukommen, weil sie nicht nachhaltig ist. Als Wissenschaftler kann man nur die jeweiligen Emissionsszenarien durchrechnen; aber was man dem Land und den Landwirten zumuten will, ist keine wissenschaftliche Frage – das entscheiden die Menschen.

 

Wo setzen die Menschen in Südtirol beim Klimaschutz die Prioritäten?  

Da zeigt sich eigentlich das gleiche Bild, das auch Umfragen ergeben: Wichtige Themen für die Südtirolerinnen und Südtiroler sind Mobilität, gesunde, regionale Nahrungsmittel, intakte Natur und Landschaft, nicht zu viel Tourismus. Der Klimaschutz stünde im Moment wohl nicht weit oben in der Rangliste, aber durch die Klimabrille betrachtet treffen sich die Anliegen – also reduzierter Tourismus, öffentlicher Nahverkehr usw. … Etwas komplizierter ist es beim Wohnen: Da wünschen sich die Menschen vor allem leistbaren Wohnraum – dass die Häuser emissionsarm sein sollen, ist nicht die Priorität.

 

Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die vielen Vorschläge des Klimabürgerrats wenig bewirken?

Dass das Dokument im Landtag vorgestellt wurde und nicht irgendwie im Stillen überreicht, ist schon einmal positiv, und das Versprechen von Seiten der Politik ist, zu all diesen Maßnahmen und Änderungsvorschlägen wirklich Punkt für Punkt Stellung zu beziehen. Es kann natürlich passieren, dass das Land bei einigen Punkten dann relativ schnell sagt, das ist unrealistisch, so viel schaffen wir nicht so schnell. Aber man muss sich mit den Vorschlägen auseinandersetzen, und ich hoffe, dass ein Teil der Maßnahmen noch einmal überarbeitet wird, und dass die Politik die Ergebnisse des Bürgerrats als Anstoß nimmt, also den Schluss zieht: Offensichtlich müssen wir unsere Hausaufgaben besser machen, denn die Maßnahmen reichen nicht aus, um die gesetzten Ziele zu erreichen.

 

Was ist Ihr Fazit aus Erfahrung?

Ehrlich gesagt war ich anfangs etwas skeptisch, aber jetzt muss ich sagen: Es war sehr beeindruckend, welch produktiven Ergebnisse die Bürgerinnen und Bürger hervorbringen, wenn sie wirklich ins Arbeiten kommen. Also es war ein spannender und sicher sehr sinnvoller Prozess – aber auch ein sehr aufwendiger und teurer, das ist der Haken daran. Um zu funktionieren muss es aber so aufwendig sein, glaube ich. Es ist also eine demokratietechnische Überlegung, bei welchen Fragen man sich für so ein Tool entscheidet. Denn beliebig oft wird man so einen Prozess nicht machen können.

Der Aktionsplan SECAP der Stadt Bozen


Auch die Bürgerinnen und Bürger von Bozen sind aufgerufen, sich zur ökologischen Wende zu äußern. Mit dem Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima (SECAP – Sustainable Energy and Climate Action Plan) will die Stadt ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent senken. Darüber hinaus wird sie sich für eine Anpassung an den Klimawandel einsetzen, um seinen negativen Auswirkungen entgegenzuwirken. Die wichtigsten Handlungsmaßnahmen des SECAP betreffen die energetische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäuden, die Förderung von städtischen Grünflächen, nachhaltige Mobilität und die Einbindung und Sensibilisierung der Bevölkerung. Aber wie können diese Ziele erreicht werden? Da die Entscheidungen unmittelbar das Leben der Bevölkerung beeinflussen werden, hat die Gemeinde beschlossen, einen partizipativen Prozess ins Leben zu rufen, der von Experten und Expertinnen von Eurac Research geleitet wird. In zwei Gremien werden die Ideen der Bürger und Bürgerinnen gesammelt: die Versammlung für das Klima – aus 30 Personen aus Bozen mit unterschiedlichen soziodemografischen Merkmalen – und das Stakeholder-Forum – mit 12 Repräsentantinnen und Repräsentanten von Interessengruppen der Stadt Bozen (sie vertreten Unternehmen, Verbände, den Handel die Zivilgesellschaft und den öffentlichen Sektor). Zwischen September und Oktober 2024 fanden fünf gut besuchte Treffen der Versammlung und des Forums statt, bei denen sich die Teilnehmenden intensiv austauschten und ihre Ideen einbrachten. Jetzt analysiert das Arbeitsteam die Vorschläge, im März 2025 ist ein weiteres Treffen für alle Bürgerinnen und Bürger geplant.

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