Landschaftsvielfalt: der zentrale Faktor für Biodiversität
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Landschaftsvielfalt: der zentrale Faktor für Biodiversität
Forscherteam von Eurac Research stellt Zwischenergebnisse aus dem Langzeitprojekt Biodiversitätsmonitoring Südtirol vor
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Sie hechten in der Mittagssonne mit Fangnetzen über steile Bergwiesen, um Schmetterlinge und Heuschrecken einzufangen; sie stehen um fünf Uhr morgens auf taunassen Waldlichtungen, um Vogelstimmen zu identifizieren; sie durchforsten jeden Zentimeter Boden, um die vorhandenen Pflanzen zu dokumentieren – im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol erhebt ein Forscherteam von Eurac Research systematisch die Artenvielfalt in den wichtigsten Lebensräumen des Landes. 128 Standorte wurden in zwei Jahren schon untersucht und dabei 1094 verschiedene Arten von Gefäßpflanzen erhoben, sowie 116 Vogelarten, 20 Fledermausarten und 128 Arten von Tagfaltern – und das ist nur ein Ausschnitt aus der bisherigen Arbeit. Was sich schon jetzt deutlich zeigt: Eine Kulturlandschaft, die aus vielfältigen Elementen besteht – zum Beispiel Wiesenflächen, durchbrochen von Hecken, Bäumen, Gewässern oder auch einer vielfältigen Hofstelle –, weist eine besonders hohe Artenvielfalt auf. Die Erkenntnisse aus zwei Jahren Forschungsarbeit wurden am heutigen 8. September im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.
Das Augenmerk des Biodiversitätsmonitorings Südtirol liegt auf Artengruppen, die sensibel auf Veränderungen in der Landschaft und auf den Klimawandel reagieren wie etwa Schmetterlinge, Heuschrecken, Vögel, Fledermäuse und Gefäßpflanzen. Alle vier bzw. fünf Jahre sollen genau dieselben Standorte – 320 „an Land“ und 120 in Fließgewässern – wieder untersucht werden, um Rückschlüsse auf die Entwicklung der Artenvielfalt ziehen zu können. „Südtirol ist durch die Lage im Gebirge an der Schnittstelle zwischen mediterranem und gemäßigtem Klima reich an Biodiversität – wir haben eine gute Ausgangslage. Aber wir haben auch die starke Nutzung in Gunstlagen, etwa in der Talsohle, vor allem durch Landwirtschaft, Siedlungs- und Straßenbau“, erklärt die Ökologin Ulrike Tappeiner, Leiterin des Biodiversitätsmonitorings Südtirol. „Einen Überblick über die Veränderungen der Biodiversität Südtirols werden wir erst nach mehreren Jahren erhalten. Doch bringt bereits jetzt jedes Erhebungsjahr spannende Ergebnisse.“ Tatsächlich kann das 10-köpfige Forscherteam nach zwei Jahren Erhebungsarbeit schon ein deutliches Muster erkennen: Erhebungspunkte, in deren Umkreis sich viele verschiedene Lebensräume befinden, weisen eine größere Zahl an Arten auf. Dies schließt auch Siedlungsräume mit ein, beispielsweise eine Hofstelle mit Garten in der Nähe eines Waldstückes, mit Steinmauern, Heckenreihen und Feuchtstellen. Grenzt eine Obstanlage an einen Wald und einen Fluss, finden sich hier zum Beispiel mehr Arten als in einer Obstanlage, die rundum von weiteren Apfelanlagen umgeben ist. Das gleiche gilt für eintönige Wiesenlandschaften, wie sie im Mittelgebirge zu finden sind. Flurbereinigungen, also wenn Flächen zusammengelegt bzw. dazwischen liegende Strukturelemente wie Hecken und Baumreihen entfernt werden, wirken sich negativ auf die Biodiversität aus, wie die Erhebungen zeigen. Doch spielt nicht nur die Anzahl der einzelnen Lebensräume in einer Landschaft eine Rolle, sondern auch ihre Größe und Verteilung: „Wir sehen an den erhobenen Standorten deutlich, dass wertvolle Lebensräume wie Magerwiesen oder Feuchtlebensräume sich besonders dann positiv auf die Biodiversität auswirken, wenn sie auch eine gewisse Flächengröße haben“, erklärt Andreas Hilpold von Eurac Research, Koordinator des Biodiversitätsmonitoring Südtirol. „Eine Landschaft, in der ein Lebensraumtyp wie zum Beispiel ein Weinberg flächenmäßig dominiert, weist dann eine größere Artenvielfalt auf, wenn Nischenlebensräumen wie Hecken oder Steinmauern auch ein gewisser Platz eingeräumt wird.“ Ein besonders wichtiges Element für die Artenvielfalt sind Feuchtlebensräume, die als Nahrungsquelle und Trinkstelle für die Tierwelt eine große Rolle spielen. Wie die bisherigen Ergebnisse zeigen, beherbergen Feuchtlebensräume auch die meisten Rote-Liste-Arten in Südtirol, das sind Arten, die hierzulande zu verschwinden drohen. Zusätzlich zu den 320 terrestrischen Standorten startete das Forscherteam in diesem Jahr mit der Erhebung von 120 Fließgewässerstandorten. In Flüssen und Bächen – verteilt auf alle Höhenstufen und Landesteile – wird untersucht, wie viele Arten von Wasserinsekten vorkommen. Gerade wasserlebende Larven brauchen sehr spezifische Lebensräume und sind dadurch gute Indikatoren für eine ökologisch wertvolle Gewässerstruktur und für die Wasserqualität. „Experten sehen die Bewältigung der Biodiversitätskrise und des Klimawandels als große Herausforderungen für die Menschheit. Deshalb brauchen wir auch in Südtirol ein kontinuierliches systematisches Monitoring, um zu verstehen, wie rasch sich die Biodiversität ändert und wo solche Veränderungen besonders problematisch sind,“ resümiert Vito Zingerle, Direktor der Abteilung Innovation, Forschung, Universität und Museen. Eurac Research Präsident Roland Psenner unterstreicht: „Mit unserer Forschungsarbeit im Biodiversitätsmonitoring Südtirol liefern wir die notwendige Grundlage für nachhaltige politische Entscheidungen in der Raumplanung, in der Landwirtschaft und im Naturschutz.“ Im Jahr 2019 begann Eurac Research im Auftrag der Südtiroler Landesregierung mit dem großangelegten Biodiversitätsmonitoring. Wichtigste Partner für das Monitoring sind das Naturmuseum Südtirol und die Abteilungen Landwirtschaft, sowie Natur, Landschaft und Raumentwicklung. In der Datenbank des Museums werden alle gesammelten Daten zentral gespeichert. Pflanzen- und Tierbelege, die für genauere Bestimmungen gesammelt werden müssen, werden außerdem in die Sammlung des Museums integriert.
Alle Details und laufend aktualisierte Informationen zum Biodiversitätsmonitoring Südtirol gibt es auf der Homepage des Projekts: https://biodiversity.eurac.edu/de/
Unter folgendem Link kann Videomaterial heruntergeladen werden: http://webfolder.eurac.edu/press/Biodiversity_Monitoring
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