Frühmittelalter in Südtirol: Genetischer Austausch und abwechslungsreiche Ernährung
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Frühmittelalter in Südtirol: Genetischer Austausch und abwechslungsreiche Ernährung
Die Bioarchäologie rekonstruiert die Lebensweisen der Vergangenheit
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In einer paläogenetischen Studie wurden Skelettreste von 94 Individuen untersucht, die an 11 archäologischen Fundstellen im Vinschgau, im Eisacktal, im Etschtal und in Meran gefunden wurden. Sie stammen aus der Zeit zwischen dem 5. und 12. Jahrhundert n. Chr. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass sich die Menschen in ganz Südtirol bewegt und miteinander genetisch vermischt haben, wenn auch mit interessanten Unterschieden zwischen den Tälern. Auch die Ernährung war abwechslungsreich. Das Forschungsteam hat die gesamte mitochondriale DNA analysiert, d. h. die DNA, die über die mütterliche Linie vererbt wird, sowie einige Isotope, die Aufschluss über Ernährung und Mobilität geben.
Das Forschungsteam verglich mitochondriale Daten aus Südtiroler Tälern mit den Daten anderer frühmittelalterlichen europäischen Proben und fanden genetische Ähnlichkeiten zwischen diesen Gruppen und den untersuchten Bevölkerungsgruppen im Eisacktal, Etschtal und Meran. Die vorhandenen Daten lassen auf keine eindeutige Migrationslinie aus einer bestimmten Richtung schließen – die sich übrigens auch aus keiner archäologischen Dokumentation ergibt -, sondern vielmehr auf eine genetische Vermischung, die auf mehr oder weniger große Bewegungen zurückgeht, die vermutlich für die damalige Zeit normal waren. Allerdings war die genetische Vermischung nicht in allen Tälern gleich stark. So unterscheidet sich beispielsweise der Vinschgau von den anderen Tälern. „Für den Vinschgau kann man nicht unbedingt von einer völligen Isolation sprechen, denn auch dort haben wir – wie in den anderen Tälern – eine hohe genetische Variabilität festgestellt. Aber im Vergleich zu den anderen Tälern und zu europäischen Proben, deuten unsere Daten auf einen geringeren genetischen Austausch in diesem Gebiet hin, als beispielsweise im Eisacktal. Dort lassen die Isotopendaten auch auf eine größere Anzahl an nicht-ortsansässigen Menschen schließen, während die Bestatteten im Vinschgau überwiegend Ortsansässige sind“, erklärt Valentina Coia, Biologin von Eurac Research und Erstautorin des soeben im Fachjournal „Archaeological and Anthropological Sciences“ veröffentlichten Artikels. „Eine mögliche Erklärung ist, dass es im Alpenraum während und nach dem Untergang des Römischen Reiches ein komplexes Kommunikationsnetz gab, das die Mobilität und den Austausch vor allem im Etschtal, im Eisacktal und in Meran, weniger aber im Vinschgau begünstigt haben könnte.“ Auch bei der Ernährung wurden in der Studie Unterschiede zwischen den einzelnen Tälern festgestellt. „So wurde im Vinschgau und im Eisacktal mehr tierische Proteine wie Fleisch oder Milchprodukte verzehrt. Im Etschtal wurde Hirse bevorzugt, während in den anderen Tälern Weizen bevorzugt wurde, was wahrscheinlich auf klimatische und landschaftliche Faktoren zurückzuführen ist“, erklärt die Anthropologin Alice Paladin. Schließlich konnte das Forschungsteam auch Daten aus alten DNA-Proben mit Daten aus modernen Populationen vergleichen, die für dieselben Gebiete, mit Ausnahme von Meran, verfügbar waren. Das Ergebnis deutet auf eine genetische Kontinuität der alpinen Gruppen vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart hin. Nur das Eisacktal, wo sich deutliche Unterschiede zeigten, bildet eine Ausnahme. „Bisher wurden Studien zu alter DNA meist an geografisch und zeitlich verstreuten antiken Proben durchgeführt. Damit konnte man beispielsweise Wanderungsbewegungen auf globaler Ebene untersuchen“, erklärt Coia. „Diese Studie sticht heraus, weil sie die biologische Vielfalt auf mikroregionaler Ebene analysiert und zeigt, dass selbst in einem relativ kleinen Gebiet wie Südtirol diese Vielfalt komplex ist. Das muss nicht nur in Studien zur Bevölkerungsgeschichte, sondern auch in biomedizinischen Studien berücksichtigt werden.“
Das Forschungsprojekt BioArchEM wurde von der Autonomen Provinz Bozen im Rahmen des Landesgesetzes Nr. 14 zur Förderung von Forschung und Innovation finanziert; es wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und mit Unterstützung mehrerer Studentinnen und Studenten verschiedener nationaler und internationaler Universitäten durchgeführt.
Link zum vollständigen Artikel: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s12520-022-01679-z.pdf
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