Territoriale Marken – die Lösung zum Erhalt traditioneller Lebensmittel?
Territoriale Marken – die Lösung, um traditionelle Lebensmittel zu erhalten?
Können regionale Marken traditionelle lokale Lebensmittel vor dem Verschwinden bewahren? Wer sind die Akteure und wer profitiert davon? Helfen sie auch, die Umwelt zu schonen? Wie erfolgt die Zertifizierung? Durchaus kontrovers haben darüber Experten für nachhaltigen Lebensmittelkonsum vor kurzem an der Eurac diskutiert.
„Die höchste Wirkung ist das Verschwinden“. Das meinte der Schriftsteller, Pionier des Nature Writing und Enzyklopädist Hans Jürgen von der Wense (1894-1966). Er wanderte viele tausend Kilometer durch das deutsche Mittelgebirge und registrierte jede Veränderung genau. Ist etwas erst mal verschwunden, dann wird uns erst richtig bewusst, was das bedeutet, welche Lücke sich auftut. Vorausgesetzt, man bekommt das Verschwinden von Flora und Fauna überhaupt mit, wie Robert MacFarlane im Guardian feststellt, ein Merkmal des Anthropozän, dem vom Menschen geprägten Zeitalter, ist.
Viele Fähigkeiten und Traditionen verschwinden
Unsere Fähigkeiten schwinden, sei es die Natur „zu lesen“ oder althergebrachte kulinarische Spezialitäten herzustellen und zu kochen. Angespornt von den negativen Folgen unserer Konsumgewohnheiten, setzt sich eine stetig wachsende Zahl an Genossenschaften, Vereinen, Marketing-, und Kommunikationsplattformen für das lokale landwirtschaftliche und kulinarische Kultur- und Naturerbe ein. Sie organisieren sich unter dem Dach sogenannter „territorialer Marken“ (“territorial brands”). Sie stemmen sich gegen das Verschwinden von traditionellem Wissen und Fertigkeiten: Was sich über Generationen bewährt hat, wollen sie an die nächste Generation weitergeben, sie dafür begeistern und einbinden. Das sind ihre Motive.
Kriterien für die Produktion von lokalen Qualitätsprodukten
Die Vielfalt an handwerklich hergestellten Qualitätsprodukten ist enorm. Das verdeutlicht auch das Projekt AlpFoodWay. Es finden sich nicht nur spezifische lokale Käse-, Wein- und Wurstsorten, Kräutertees und Marmeladen, sondern auch Holzhandwerk und Arbeiten von Künstlern. Für alle gelten genaue Kriterien , die festlegen, in welchem Gebiet, wie und auf welche Weise die Rohstoffe produziert und verarbeitet werden müssen. In vielen Fällen gelten die Richtlinien des biologischen Landbaus. Vor allem die Rohstoffe müssen aus der unmittelbaren Region kommen. Vermarktet wird unter einer gemeinsamen Plattform, die jeden Produzenten genau porträtiert.
Speisen und Lebensmittel von hoher Qualität – Die Tagung an der Eurac
Im Alpenraum existieren bereits einige innovative Plattformen, die das kulinarische und handwerkliche Erbe vermarkten . Der Rote Hahn und Pur Südtirol sind Beispiele aus Südtirol. AlpinaVera und 100%ValPoschiavo sind bekannte Schweizer Marken. Es ist auffallend, dass sie alle verschiedene Ansätze, Kriterien, Zertifizierungskonzepte verfolgen und individuelle Schwerpunkte setzen. Das macht es schwierig, sie wirklich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen oder gar eine Definition von territorialen Marken abzuleiten. 100%ValPoschiavo z.B. vermarktet ausschließlich Produkte aus einem einzigen Tal, möglichst aus biologischer Landwirtschaft. Es geht deshalb vielmehr darum, sich über grundsätzliche Merkmale zu einigen und was darunter jeweils genau zu verstehen ist. Das sind insbesondere die Förderung traditioneller Lebensmittel eines spezifischen geographischen Raumes und die Schaffung von Einkommen für die lokale Bevölkerung.
Die Teilnehmer der Tagung Territorial Brands in the Alpine Region diskutierten, wie diese und andere Plattformen funktionieren, welche die Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren für ihre Entwicklung entscheidend sind. Damit wurde ein erster Schritt gemacht, eine Übersicht über die existierenden Lokalmarken im Alpenraum zu gewinnen. Alternative Lebensmittelnetzwerke wie Lokalmarken, Solidarische Landwirtschaft und Direktvermarkter verfolgen innovative und für die Zukunft richtungsweisende Konzepte. So vielfältig sie sind, so sehr bauen sie alle auf ihrem “Terroir” auf: der Einzigartigkeit landwirtschaftlicher Standorte und den damit verbundenen speziellen Qualitätsmerkmalen.
Thomas Streifeneder ist Wirtschaftsgeograph und leitet das Eurac-Institut für Regionalentwicklung. Ihn beeindrucken engagierte Menschen im ländlichen Raum, Querdenker, die etwas wagen. Mit seinen Posts will er auf innovative soziale und ökologische Initiativen hinweisen und damit andere zum Umdenken inspirieren. Besonders interessiert ihn, wie die ländlichen Lebens- und Wirtschaftsweisen in der Prosa darstellt werden, wie genau sie diese wahrnimmt und welche Aussagen damit gemacht werden. |
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