Österreich hat seit 1995 rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe verloren. Mit den Bauernhöfen gehen auch Vielfalt und Kulturlandschaft verloren, ihre Bewohner wandern ab, und längere Transportwege belasten die Umwelt.
Höfesterben – ein unabwendbares Schicksal?
Dass Betriebe nicht weitergeführt werden, hat verschiedenste Gründe. Fehlende Nachfolge in der Familie ist nur einer davon. Bei 29% der Betriebe ist die Hofnachfolge nicht geklärt, laut einer neuen Befragung (KeyQuest 2019) sogar bei 47%. Wenn Höfe aber keine Nachfolge finden, werden ihre Flächen meist von anderen, größeren Betrieben übernommen und es wird dem Mantra vom „Wachsen oder Weichen“ gefolgt. Welchen Verlust das sowohl auf menschlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet, wird dabei zu oft außer Acht gelassen. Für die Altbauern und -bäuerinnen, die ihr oft seit Generationen weitervererbtes Lebenswerk nicht oder nicht zeitgerecht in die Hände vertrauenswürdiger NachfolgerInnen weitergeben können, ist dies nicht nur ein großer emotionaler Verlust, sondern kann auch gesundheitliche Folgen haben: Viele arbeiten zu lange weiter, obwohl sie nicht mehr können. Erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, konfrontieren sie sich mit der schwierigen Entscheidung zur Betriebsaufgabe.
Landwirtschaft als Schicksal und andere Berufswünsche
Gleichzeitig ist es für potentielle HoferbInnen oft ein belastendes Thema: die Verantwortung dafür zu tragen, ob der Hof weitergeführt wird oder nicht, ist eine so emotionale und mit Druck verbundene Anforderung, dass sie den eigenen Ausbildungs- und Berufsweg massiv beeinflussen kann und das Gefühl, frei entscheiden zu können, in zu vielen Fällen fehlt. Das kann auch erhebliche Belastungen für das familiäre Sozialgefüge bedeuten. Dieser Druck entsteht oftmals durch das drohende Aus des Hofes, da Landwirtschaft eher als Schicksal denn als bewusst getroffene Entscheidung wahrgenommen wird. Wenn keines der Kinder zur Nachfolge bereit ist oder es keine Kinder gibt, wird außerfamiliäre Hofübergabe noch in eher geringem Ausmaß als Alternative in Betracht gezogen.
Neue LandwirtInnen – neue Perspektiven
Aufgrund des durchdringenden Wesens der neoliberalen Logik vom „Wachsen oder Weichen“ und der damit einhergehenden zunehmenden Abwertung kleinstrukturierter Betriebe kommen viele alternde LandwirtInnen gar nicht dazu, sich mit den Alternativen zu einer Hofnachfolge in der Familie zu beschäftigen: Es muss über den Tellerrand geschaut werden, um Denkmuster aufzubrechen.
So gibt es seit einigen Jahren immer mehr Initiativen, die neue Wege des Umgangs mit der Hofnachfolge-Thematik gehen: sei es durch rechtzeitige Aufklärungs- und Bewusstseinsbildungsarbeit, um BetriebsleiterInnen schon viel früher zur Auseinandersetzung mit der Zukunft ihres Hofes zu animieren und dabei kompetent zur Seite zu stehen; durch die Förderung, Ausbildung und Unterstützung motivierter QuereinsteigerInnen; oder gar durch die Vermittlung möglicher außerfamiliärer HoferbInnen an angehende HofübergeberInnen (vgl. Hagenhofer 2015).
Letzteres hat sich das Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft zur Aufgabe gemacht: Hofsuchende und Hofübergebende können auf der Webseite „Perspektive Landwirtschaft“ einen Steckbrief anlegen und miteinander in Kontakt treten. Die Plattform bietet Infos und Begleitung zur außerfamiliären Hofübergabe und schafft mit Veranstaltungen auch analog Möglichkeiten, sich kennenzulernen und auszutauschen. Viele Kontakte zwischen Generationen, aber auch zwischen Hofgemeinschaften und MitbewirtschaftterInnen sind bereits zustande gekommen.
Innovationspotential außerfamiliärer Hofnachfolge
Außerfamiliäre Hofnachfolge ist nichts Neues: Rechtliche Möglichkeiten wie die Leibrente, bei der die Hofübergebenden bis zum Lebensende eine monatliche Summe und je nach Absprache bestimmte Naturalien oder Dienstleistungen als Kaufpreis für ihren Hof erhalten, bieten schon lange die Möglichkeit, Höfe auch außerhalb der üblichen Erblinien auf eine für die Hofsuchenden leistbare Weise weiterzugeben. Was aber neu ist, ist ein Phänomen, das van der Ploeg als “new peasantries“ bezeichnet, das neue Kleinbauerntum: Immer mehr Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund entscheiden sich bewusst für die Landwirtschaft, interessieren sich dabei insbesondere für ökologisch nachhaltige Produktionsweisen und erkunden neue Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens.
Diese Menschen sind oft gut ausgebildet, haben umfassende landwirtschaftliche Erfahrungen im In- und Ausland gesammelt und begegnen den Herausforderungen des bäuerlichen Alltags mit einer Experimentierfreude, einem frischen Blick und einem Handwerkszeug in Sachen Vernetzung und Querdenken, die zur Innovationsfähigkeit der Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Neben den NeueinsteigerInnen sind es häufig weichende ErbInnen, die einen Betrieb suchen. Der elterliche Betrieb geht an Bruder oder Schwester, der Wunschberuf Bauer/Bäuerin aber bleibt. Außerfamiliäre Hofübergabe kann eine Perspektive bieten für BetriebsleiterInnen ohne Nachfolge und Menschen auf der Suche nach einem landwirtschaftlichen Betrieb.
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