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myCIVIS: lokales eGovernment im Spannungsfeld nationaler Systeme

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Davide MaffeiPeter Decarli
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myCIVIS: lokales eGovernment im Spannungsfeld nationaler Systeme
Notebook and cellphoneCredit: Unsplash | Amith Nair | All rights reserved

Die Zukunft der Verwaltung ist digital und eGovernment-Portale, die Dienste und Leistungen bündeln und vereinheitlichen, sind ein zentraler Baustein. Diese Portale, die es auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung gibt, stützen sich auf zentrale, nationale Systeme etwa zur Nutzeridentifikation oder als Datenquelle. Bei regionalen und lokalen Portalen müssen demnach nicht nur die Bedürfnisse der Bevölkerung, sondern auch das Zusammenspiel lokaler und nationaler Systeme berücksichtigt werden. Ziel muss sein, das Potential staatlicher Plattformen zu nutzen, ohne die Lokalverwaltung in ihrer Autonomie und Bestrebung, besser auf lokale Bedürfnisse einzugehen, einzuschränken. Vor diesem Hintergrund hat das Institut für Public Management eine Nutzerbefragung zu myCIVIS, dem Portal der Online-Dienste der öffentlichen Verwaltungen in Südtirol, durchgeführt.

In den letzten Jahren hat Italien erhebliche Fortschritte bei der Entwicklung seiner eGovernment-Infrastruktur gemacht. Der Staat hat das nationale Melderegister (Anagrafe nazionale della popolazione residente - ANPR) eingeführt, eine Datenbank der demografischen Daten der gesamten Bevölkerung. Dazu kommen nationale eID-Systeme wie SPID (Sistema Pubblico di Identità Digitale - Öffentliches digitales Identitätssystem) und der elektronische Personalausweis (Carta d’Identità Elettronica - CIE), mit denen sich die Bevölkerung im Internet ausweisen kann. Die dritte große nationale behördenübergreifende Plattform ist pagoPA: sie standardisiert und vereinheitlicht alle digitalen Zahlungen an italienische öffentliche Verwaltungen und ersetzt von einzelnen Behörden entwickelte Lösungen.

Insgesamt haben Italiens Bemühungen zur Entwicklung seiner eGovernment-Infrastruktur dazu beigetragen, die Effizienz und Zugänglichkeit öffentlicher Dienste für die Bevölkerung zu verbessern. Viele der Errungenschaften folgen dem Government as a Platform-Ansatz (GaaP) nach O'Reilly. Dies wirkt sich auch auf die Koordinierung zwischen nationalen und lokalen Behörden aus, die sich von hierarchischen, formalisierten Strukturen zu offeneren, flachen Beziehungen entwickeln. Gleichzeitig hat der nationale Kontext einen starken Einfluss auf eGovernment-Dienste auf regionaler und lokaler Ebene.

Aufbauend auf den nationalen Plattformen hat die Autonome Provinz Bozen - Südtirol ihr eigenes eGovernment-Portal myCIVIS eingerichtet. Die Plattform soll eine zentrale Anlaufstelle für den Zugang zu den öffentlichen Diensten der lokalen Verwaltung bieten. Die Nutzerinnen und Nutzer können über nationale eID-Systeme wie SPID oder CIE auf das Portal zugreifen und Dienstleistungen und Mitteilungen der öffentlichen Verwaltungen an einem Ort verwalten. Gleichzeitig geht das Portal auf die Bedürfnisse der lokalen Gemeinschaft ein, indem es alle Dienste sowohl auf Deutsch als auch auf Italienisch, den beiden Amtssprachen der autonomen Provinz, anbietet. Heute bietet die Plattform insgesamt 1.088 Dienste an, von denen 164 Full Online Services sind. Letztere ermöglichen es der Bevölkerung, mit der öffentlichen Verwaltung zu interagieren, ohne bei der zuständigen Behörde vorstellig zu werden.

Der Rückgriff auf SPID und CIE für die Benutzerauthentifizierung und die enge Integration anderer nationaler Dienste verdeutlichen die Bedeutung des GaaP-Ansatzes für moderne eGovernment-Portale. Obwohl myCIVIS ein ausschließlich regionales Portal ist, das von der Autonomen Provinz Bozen - Südtirol betrieben wird, hängt die Anmeldung und damit der Zugang zu den Diensten von den nationalen Plattformen ab. Mehr noch, der staatliche Codice dell'Amministrazione Digitale (CAD) verpflichtet die Provinz, diese Plattformen zu nutzen.

Die empirischen Ergebnisse der Nutzerzufriedenheitsmessung von myCIVIS, die im ersten Halbjahr 2023 durchgeführt wurde, weisen jedoch auf ein mögliches Spannungsfeld hin: Die Nutzerinnen und Nutzer unterscheiden nicht immer zwischen dem eGovernment-Portal selbst und den externen Plattformen, auf die es sich stützt. Dies kann zu einer wahrgenommenen geringeren Zufriedenheit mit dem eGovernment-Portal führen – obwohl die Lokalverwaltung keinen unmittelbaren Einfluss auf die Ursachen hat.

Insgesamt haben 2.006 Personen die Online-Umfrage des Instituts für Public Management vollständig ausgefüllt. Davon haben 1.770 angegeben, myCIVIS bereits verwendet zu haben und bilden somit die Grundlage für alle weiteren Analysen. Die geschlossenen Fragen zeigen eine tendenzielle Zufriedenheit insgesamt (Durchschnitt von 6,55 auf einer 10-stufigen Likert-Skala) und hinsichtlich der wichtigsten Aspekte des Portals:

Konstrukte zur Messung der Nutzerzufriedenheit, Mittelwerte einer 5-stufigen Likert-Skala, n=1.770Credit: Decarli, Maffei | All rights reserved

Die geschlossenen Fragen zur Messung der Nutzerzufriedenheit zeigen demnach ein weitgehend uniformes Bild ohne markante Ausreißer einzelner Aspekte. Um ein vollständiges Bild zu erhalten, wurden die Stärken und Schwächen von myCIVIS auch mit offenen Fragen abgefragt. Dabei zählten Probleme mit dem Login zu den größten Kritikpunkten:

Von den 251 Befragten, die das Login-Verfahren kommentiert haben, sahen 203 (80,9 %) darin eine Schwäche und nur 27 (10,8 %) bewerteten es positiv. Darüber hinaus schlugen 94 (37,5 %) der Befragten Verbesserungen am derzeitigen System vor. Vor dem Hintergrund, dass fast 95% der Befragten angeben, SPID für den Login zu verwenden, ist das eine indirekte Kritik an der nationalen eID-Plattformen. Die Kommentare legen auch nahe, dass es für die Bevölkerung schwierig ist, das lokale Portal myCIVIS von den nationalen Systemen abzugrenzen.

Ein häufiger Kritikpunkt sind beispielsweise die hohen Sicherheitsanforderungen, etwa dass das Handy als zweiter Faktor verwendet oder das Passwort alle drei Monate geändert werden muss. Da die Probleme beim Login auf myCIVIS auftreten, kritisieren die Befragten das lokale Portal, obwohl sie in diesem Moment nationale Plattformen nutzen. Selbst wenn myCIVIS eine eigene Benutzeridentifikation anbieten würden, müssten diese Anforderungen aufgrund nationaler und europäischer Sicherheitsbestimmungen trotzdem eingehalten werden.

Andere Kritikpunkte am Login-Verfahren mittels SPID sind aber durchaus gerechtfertigt. Beispielsweise wurde die mangelnde Zweisprachigkeit kritisiert: Von den elf zertifizierten Identity Provider von SPID bieten lediglich zwei eine zweisprachige Bedienoberfläche für den Login – und auch nur in Italienisch und Englisch, nicht aber in deutscher Sprache. Aus autonomiepolitischer Sicht des Rechts der Verwendung der Muttersprache im Umgang mit der Verwaltung in Südtirol ist dies bedenklich. Zumal die Nutzeridentifikation Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme aller anderen Dienste von myCIVIS ist.

Teilweise scheint es auch Probleme mit dem Support zu geben, beispielsweise bei der ersten Registrierung oder wenn das Passwort vergessen wurde. Zwar bietet die Provinz bei ihren DIGI POINTs Unterstützungsmöglichkeiten für die Bevölkerung, aber da kein direkter Draht zu den Identity Providern besteht, sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Im Zweifel wird dann eine neue eID bei einem zweiten Anbieter beantragt.

Zusammenfassend stellt sich also die Frage: Was kann die Landesverwaltung tun, um die Autonomie zu schützen und der lokalen Bevölkerung bestmögliche Dienste anzubieten? Nationale Systeme nicht zu nutzen ist nicht nur rechtlich ausgeschlossen, sondern weder wirtschaftlich noch von Vorteil für die Bevölkerung, die in anderen Bereichen ohnehin auf staatliche Plattformen angewiesen ist.

Eine Überlegung für das konkrete Beispiel der Nutzeridentifikation könnten Verhandlungen mit individuellen Identity Provider oder besser der staatlichen Aufsichtsbehörde AgID (Agenzia per l'Italia digitale) sein. So könnten die Zweisprachigkeit garantiert und bessere Supportkanäle aufgebaut werden.

Alternativ könnte die Autonome Provinz Bozen selbst als Identity Provider auftreten. In diesem Fall könnten weiterhin die Vorteile nationaler Plattformen genutzt werden, gleichzeitig behält die Lokalverwaltung aber ein größeres Maß an Kontrolle und ist insbesondere direkter Ansprechpartner für die eigene Bevölkerung. Das von Südtirols Autonomie verbriefte Recht des Gebrauchs der Muttersprache könnte so gewahrt werde, ohne auf andere öffentliche oder private Stellen angewiesen zu sein. Mehr noch, dies würde eine mehrsprachige Nutzeridentifikation nicht nur in Südtirol, sondern im ganzen Staatsgebiet ermöglichen.

Davide Maffei

Davide Maffei

Davide Maffei is a researcher at the Institute for Public Management of Eurac Research in Bolzano, South Tyrol and a PhD student in Management at the University of Innsbruck, Tyrol. His research focuses primarily on public administration digitalization, public expenditure, and place identity management. He is originally from Trentino but completed his bachelor studies in Political Science and in Management and Economics as well as the master program Management, Communication & IT in Innsbruck. It is no wonder that he is often defined as a “child of the Euregio”.

Peter Decarli

Peter Decarli

Peter Decarli is a researcher at the Institute for Public Management of Eurac Research in Bolzano, Italy, and an external lecturer at University of Innsbruck, Austria. His research focuses primarily on Government Analytics, Public sector innovation and municipal management. Exploring data-driven advancements and innovations in the public sector are his main research topics.

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Citation

https://doi.org/10.57708/bcuobvlxzqeopb4vvbpqk2g
Maffei, D., & Peter Decarli. myCIVIS: lokales eGovernment im Spannungsfeld nationaler Systeme. https://doi.org/10.57708/BCUOBVLXZQEOPB4VVBPQK2G

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