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Südtirols Bierlandschaft im Wandel: Die Stimme der Frauen

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Laimer Maria-ElisabethAmoruso Claudia
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Südtirols Bierlandschaft im Wandel: Die Stimme der Frauen
Freedl Bier - © Freedl

Das faszinierende und vielschichtige Thema der Rolle von Frauen in der Bierwelt reicht bis zu den Ursprüngen des Bierbrauens zurück. Wir durften Maria-Elisabeth Laimer von der Hausbrauerei Pfefferlechner zum Interview treffen, um ein umfassenderes Verständnis für die Situation in Südtirol zu erlangen. Durch dieses Gespräch wollen wir einen authentischen Einblick aus erster Hand in die Verbindung von Frauen und Bier in Südtirol gewinnen.

Welche Herausforderungen beobachten Sie, wie Frauen in der Bierbranche (Ausbildung, Branche etc.) wahrgenommen werden, bzw. sich behaupten müssen? Welche Fortschritte wurden in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter gemacht?

Ursprünglich wurde Bier ja von Frauen in der Küche gebraut, dann wurde es im Mittelalter durch die Mönche zu einem Männerthema und heute ist die Branche sehr stark von männlicher Dominanz geprägt. In letzter Zeit sehe ich jedoch einen Wandel oder zumindest eine Auflockerung. Das bedeutet nicht, dass nur Frauen die Kontrolle gerade übernehmen. Vielmehr findet eine gewisse Diversifizierung statt. Davon profitieren meiner Meinung nach alle, da nicht mehr solche Klischees bedient werden, wie: "Bier ist nur etwas für echte Kerle". Stattdessen wird es als wunderschönes Handwerksprodukt betrachtet, das sowohl von Frauen als auch von Männern genossen und gebraut werden kann.

Wie gut sind Frauen in der Brauwelt in Südtirol integriert? Gibt es spezifische Dynamiken oder Stereotypen, die die Beteiligung von Frauen in dieser Branche beeinflussen?

Man mag es nicht glauben, aber in Südtirol sind wir Frauen sehr oft involviert. Bei uns spielen Frauen wie Petra Töchterle von Finix oder Benita Moser von Mendelbier eine wichtige Rolle. Wir haben also schon Frauen in der Bierbranche in Südtirol, aber ihre Sichtbarkeit ist wichtig. Die Bierbranche in Südtirol ist noch klein, somit freuen wir uns immer, wenn neue Gesichter dazukommen und wenn diese auch noch Frauen sind, dann freue ich natürlich umso mehr Es ist wichtig zu betonen, dass Bier nicht nur in Brauereien entsteht und getrunken wird, sondern auch in anderen Bereichen, bevor und nachdem es gebraut wurde. Wir haben nämlich eine größere Wertschöpfungskette, welche wir in Betracht ziehen müssen. Diese kann von Getreide Anbau bis hin zum Biergenuss im Restaurant sein. Zum Beispiel gibt es die Frauen, die als Bier-Sommeliers oder als Kellnerinnen in der Gastronomie arbeiten. Diese stehen in unmittelbarem Austausch mit den Gästen und können somit beeinflussen, wer das Bier probiert. Dementsprechend muss man bei Frau und Bier an die ganze Wertschöpfungskette denken.

alt© Eisath Gabriel
Hausbrauerei Pfefferlechner

Wie fühlen Sie sich in dieser Brauwelt selbst wahrgenommen und integriert? Welche Hindernisse oder Vorteile haben Sie erfahren, um sich insbesondere als Frau in dieser Branche zu behaupten/beweisen?

Die Bierbranche hier ist generell offen, aber als Frau fällt man natürlich auf. Wir bei Pfefferlechner fallen sowieso besonders auf, weil wir uns auf alkoholfreies Bier konzentrieren. Wir stehen also doppelt im Fokus. Meiner Meinung nach glaube ich, dass eine gewisse Differenzierung in der Branche, sowohl bei den Braumeisterinnen als auch bei anderen in der Brauerei Beschäftigten, eine Bereicherung für die Vermarktung und Kommunikation ist. Wenn also mehr Frauen in die Branche einbezogen werden, könnte das neue Perspektiven eröffnen. Besonders im Bereich des alkoholfreien Bieres sehen wir das, da es etwas ganz Neues ist. Wir sind erst am Anfang und werden hier sicher in den nächsten 10 Jahren einen weiter fortschreitenden Wandel erleben. Am Ende profitieren alle von einer facettenreichen Branche, die offen ist für die vielfältigen Perspektiven, die die Bierbranche zu bieten hat.

Welche Strategien haben Sie angewendet oder welche Vision haben Sie, um das Interesse von Frauen am Bierbrauen zu fördern und eine inklusive Branche zu schaffen? Glauben Sie, dass die Schaffung eines neuen Marktes speziell für Frauen notwendig ist, oder gibt es andere Ansätze, um die Vielfalt in der Branche zu fördern?

Wir haben keine bewusste Strategie verfolgt, um das Interesse von Frauen am Bier zu fördern, sondern vielmehr haben wir uns darauf konzentriert, ein offenes und einladendes Umfeld zu schaffen, das für alle, unabhängig von Geschlecht, zugänglich ist. Somit ist unser Produkt weder speziell für Männer noch speziell für Frauen bestimmt, sondern für alle, die Freude an diesem Handwerksprodukt haben. Wir unterteilen nicht nach Geschlechtern, sondern betrachten, welcher Trink- und Genussmoment auf die jeweilige Zielgruppe zutrifft. Frauen und Bier sind ein großes Thema, das in der Vergangenheit oft vernachlässigt wurde. Wir haben zum Ziel, Biere zu kreieren, die allen schmecken und geschlechtsunabhängig vermarktet werden. Das Thema des alkoholfreien Bieres ist vielleicht noch einmal mehr stereotypisiert, denn traditionell wird Bier als männlich dominiert angesehen, während das alkoholfreie Bier eher mit Frauen in Verbindung gebracht wird. Da wir mit beiden Perspektiven konfrontiert sind, haben wir uns früher und bewusster damit auseinandergesetzt und uns entschieden, unser Produkt so geschlechtsneutral wie möglich zu gestalten, indem wir dem alkoholfreien Bier den männlichen Namen “Freedl” gegeben haben um uns nicht auf Stereotypen festzulegen.

alt© Freedl
Freedl Bier

Wie kann die Bierbranche insgesamt dazu beitragen, ein attraktiveres Umfeld für Frauen zu schaffen? Welche Veränderungen auf struktureller und kultureller Ebene sind notwendig, um nicht nur symbolisch akzeptiert zu werden?

Ein entscheidendes Thema sind immer Vorbilder. Wenn man jemanden in dieser Rolle kennt, und diese Personen öffentlich sichtbar sind und mit der Außenwelt kommunizieren, ist das besonders hilfreich. Denn die Sichtbarkeit von Frauen, die in diesem Bereich tätig sind, ist äußerst wichtig, um das Vorurteil, dass Bier ein reiner “Männerclub” ist, endlich zu durchbrechen. Niemand profitiert davon, wenn diese Branche ausschließlich von Männern dominiert bleibt. Organisationen wie "Le donne della birra" können dabei helfen, diese Sichtbarkeit zu erhöhen. In dieser Organisation sind Frauen vertreten, die die gesamte Lieferkette von der Rohstoffproduktion bis zum Bierkonsum abdecken. Gemeinsam organisieren wir Verkostungen, Ausflüge und betreiben Stände auf verschiedenen Messen, um den Austausch zu fördern.

Wie sehen Sie die Zukunft der Bierbranche in Bezug von Frauen in der Bierbranche (Braumeisterin, Biersommelier, Marketing, Konsumentin, etc.)?

Es wäre großartig, wenn generell mehr Leute in der Bierbranche von Südtirol aktiv wären. Verglichen mit dem Stand der Bierbranche vor dem Ersten Weltkrieg sind wir eine sehr kleine Gruppe. Sicherlich ist es jetzt schon viel besser als noch vor 20 Jahren, aber trotzdem ist hier viel Platz noch zu wachsen. Es wäre sehr schön, wenn die Menschen, die in der Bierszene dazukommen, nicht nur Männer wären. Mehr Brauerinnen und Braumeisterinnen zu haben, wäre natürlich ein Traum und würde ein diverseres Spektrum bieten.

Kann die Craft Beer Szene in den kommenden Jahren zu einer Veränderung des Rollenbilds der Frau in der Branche beitragen?

Absolut! Ich denke insbesondere die Craft-Bier-Szene ist hier relevant, da sie für Vielfalt und Diversität steht. Denn leider denken viele bei Bier an den kalorienhaltigen und schweren, herben Geschmack. Aber das ist überhaupt nicht der Fall, besonders wenn man sich die Craft-Bier-Szene anschaut. Die verschiedenen Stile und Geschmäcker sind so vielfältig und inklusiv und können somit einfach nicht nur Männern schmecken. Das Craft-Beer-Event könnte daher der ideale Ort sein, um die Vorurteile bezüglich Frauen und Bier zu durchbrechen und jeder Person, unabhängig vom Geschlecht, die Möglichkeit zu geben, sich durch eine Vielzahl von Stilen und Geschmäckern zu probieren.
Außerdem organisieren die Bierbrauereien in Südtirol diesen August eine Bierwanderung in Schenna (Auf der „Biersch“), bei der in den Hütten jeweils eine Brauerei ihre Biere zur Verkostung ausschenkt. Alle sind eingeladen. Diese Events, ähnlich wie das Beer Craft Event Ende Mai, haben das gleiche Ziel: die Bierkultur zu stärken, indem sowohl Frauen als auch Männer verschiedene Bierstile kennenlernen. Dadurch entdecken sie möglicherweise neue Geschmacksrichtungen und werden zu neuen BierliebhaberInnen. Es tut sich also seit einigen Jahren etwas in Südtirol!

Laimer Maria-Elisabeth

Laimer Maria-Elisabeth

Die Südtirolerin Maria-Elisabeth Laimer von der Hausbrauerei Pfefferlechner ist eine inspirierende Craft-Bier Produzentin mit einer besonderen Leidenschaft für alkoholfreie Biere. Ihre innovative Arbeit in diesem Bereich hat sie zu einer führenden Figur gemacht, die zeigt, dass Bier auch Frauensache ist.

Amoruso Claudia

Amoruso Claudia

Claudia Amoruso macht seit einigen Monaten ein Praktikum am Institut für Regionalentwicklung von Eurac Research. Sie ist Teil der Forschungsgruppe Rural Resources und befasst sich vor Allem mit Themen rund um nachhaltige Ernährungssysteme.

Citation

https://doi.org/10.57708/bclgyxtmys9w4ev5g9_xgia
Laimer, M.-E., & Amoruso, C. Südtirols Bierlandschaft im Wandel: Die Stimme der Frauen. https://doi.org/10.57708/BCLGYXTMYS9W4EV5G9_XGIA

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