„Bei der Restaurierung antiker Textilien geht es nicht darum, ihnen ihren früheren Glanz zurückzugeben. Der Eingriff von uns Restauratorinnen und Restauratoren ist minimal: Wir kümmern uns um die Textilien, damit sie als Teil des Kulturerbes über die Zeit hinaus erhalten bleiben. Jeder Eingriff kann jederzeit rückgängig gemacht werden, ohne dem Objekt zu schaden. So kann die Maßnahme in Zukunft korrigiert und mithilfe neuer Technologien ersetzt werden.“
Das sind die Grundsätze nach denen Irene Tomedi, Restauratorin für antike Textilien, arbeitet. Sie hat in den Monaten vor der Ausstellung die Kindermumie sorgfältig restauriert und die notwendigen Konservierungsarbeiten durchgeführt. In den Laboren von Eurac Research arbeitete sie an den Gewändern, mit denen das Kind für die Bestattung bekleidet worden war. Zwei Gewänder sind aus grobem Leinengarn, eines davon ist mit Indigo gefärbt, das andere ist an den Ärmeln mit dunklem Garn bestickt. Das Obergewand ist in zweifarbigem Karomuster und aus feinem Leinengarn.
Der schlechte Erhaltungszustand der menschlichen Überreste erschwerte die Restaurierung der beschädigten Textilien und machte es notwendig, dass die Restauratorin direkt an der Mumie arbeitete, ohne deren Gewänder zu entfernen.
Die Textilien waren stark abgenutzt und beschädigt. Heute sind sie in ihrer Struktur gefestigter und in ihrem Erscheinungsbild homogen.
Nach einer Analyse der Ablagerungen auf den Stoffen (Sand, Salze, Körperflüssigkeiten), entfernte die Restauratorin diese mit einem Mikrostaubsauger.
Der tief in die Fasern eingedrungene Schmutz wurde vorsichtig mit kleinen, in entmineralisiertem Wasser getränkten Schwämmen abgetupft – so konnte der Körper angemessen geschützt werden. Durch die Nassbehandlung konnten auch die Falten im Stoff geglättet werden.
Die besonders empfindlichen Stoffteile wurden mit speziellen Nadeln gesichert, die normalerweise verwendet werden, um Insekten zu untersuchen und zu klassifizieren.
Die Gewänder wurden mit Leinen- und Seidenstoffen gestützt und in einer passenden Farbe eingefärbt.
Die Gewänder aus grobem Leinengarn wurden mit einem Leinenstoff gestützt. Das fragile Obergewand wurde ganzflächig mit einem Seidencrepeline unterlegt.
Die Konservierungsmaßnahmen wurden mit Unterstützung des MUR (FOE E-RIHS IT und PON Ricerca e Innovazione 2014-2020, CCI: 2014IT16M2OP005) vorgenommen.
Irene Tomedi wurde in Bozen geboren und arbeitet als Textilrestauratorin in ihrer Werkstatt unter den Bozner Lauben. Sie hat die staatliche Kunstschule in St. Ulrich besucht und anschließend ihr Studium an der Spezialisierungsschule für Textilkonservierung und -restaurierung der Abegg-Stiftung in Riggisberg (Kanton Bern, Schweiz) fortgesetzt.
Heute unterrichtet sie unter anderem Theorie und Praxis im Bereich der Textilrestaurierung und -konservierung. Außerdem arbeitet sie mit nationalen und internationalen Denkmalämtern und Museen zusammen. Zu ihren wichtigsten Arbeiten zählt die Restaurierung des Turiner Grabtuches im Jahr 2002. Sie ist Mitglied des Centro Internazionale di Sindonologia (Internationales Zentrum für Sindonologie) in Turin. Sindonologen beschäftigen sich mit der Echtheitsprüfung und der Datierung des vermeintlichen Grabtuchs Jesu Christi. Irene Tomedi ist außerdem Mitgründerin und Vizepräsidentin der Europäischen Textilakademie in Bozen.