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Daten und Szenarien für Null-Emissions-Busse
Eine Reihe von Studien und ein eigenes Monitoring untersuchen, wie fossile Brennstoffe aus dem öffentlichen Verkehr verbannt werden können
Ist es möglich, eine gesamte öffentliche Busflotte auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen? Im Rahmen einiger EU-Projekte hat ein Team von Eurac Research in Zusammenarbeit mit Südtiroler Verkehrsunternehmen und anderen lokalen Akteuren ein Simulationsmodell entwickelt und reale Verbrauchswerte gesammelt, um die Durchführbarkeit zu prüfen.
Derzeit besteht der öffentliche Straßenverkehr in den Alpen hauptsächlich aus Transportmitteln, die mit Diesel, Erdgas oder hybrid angetrieben werden. Nur ein kleiner Prozentsatz sind so genannte „Null-Emissions“-Fahrzeuge, die elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben werden.
Die von Eurac Research entwickelten Machbarkeitsstudien prüfen die unterschiedlichen Faktoren für den Umstieg des gesamten öffentlichen Straßenverkehrs auf ein emissionsfreies System. Die Fragen, die das Modell beantwortet, sind sehr spezifisch: Wie viel Energie würden diese Busse für ihren Betrieb benötigen? Welche Technologien und welche Modelle sollten verwendet werden, wie groß sollten die Batterien im Falle von Elektrofahrzeugen sein? Und weiter: Wo sollten Ladeinfrastrukturen stehen und wie müssten die Busrouten geändert werden, um Ladezeiten und -orte optimal zu nutzen? Und schließlich: Wie nachhaltig sind diese Fahrzeuge, wenn man ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet?
An den Projekten waren mehrere lokale Akteure aus der Region beteiligt: die STA – Südtiroler Transportstrukturen AG, die SASA AG, die Neogy GmbH und das Institut für Innovative Technologien Bozen IIT.
„Ziel dieser Studienreihe ist es, allen Akteuren, die am Umstieg auf emissionsfreie Technologien interessiert sind, reale Daten, spezifische Analysen für ihre Fahrzeugflotten und vertiefte Informationen zum Lebenszyklus der Technologien zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen ermöglichen es, fundiertere Entscheidungen zu treffen“
Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie.
Simulationen und die Wichtigkeit von Fakten: das Verbrauchsmonitoring
Viele öffentliche Verwaltungen und Verkehrsbetriebe stellen sich heute die Frage: Ist ein Umstieg auf Null-Emissionen wirklich möglich? Welche Technologie ist am besten für die jeweils spezifischen Anforderungen geeignet? Und mit welchen wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen?
„Um diese Frage beantworten zu können, muss man einerseits die verfügbaren Technologien gut kennen und andererseits sehr genaue Studien über den Fuhrpark und die konkreten Umstände durchführen: Man muss zum Beispiel die Art der Nutzung, die Beschaffenheit der Region, den zurückzulegenden Höhenunterschied (ein sehr wichtiges Element in den Alpen) und die klimatischen Bedingungen bewerten“, erklärt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie von Eurac Research. „Während in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten Jahren viele Simulationsarbeiten durchgeführt wurden, sind reale Daten über Flotten, die sich tatsächlich im Einsatz befinden, eher dürftig.“
Expertinnen und Experten von Eurac Research haben daher zum einen ein Modell entwickelt, das all diese Faktoren berücksichtigt, aber zum anderen auch reale Daten aus dem Monitoring emissionsfreier Fahrzeuge in Südtirol gesammelt. Die Studie konnte sich dabei auf eine Besonderheit des öffentlichen Verkehrs in Bozen stützen: Bereits seit einiger Zeit sind hier emissionsfreie Busse mit zwei unterschiedlichen Technologien - Wasserstoff und Elektro - im Einsatz. „Die wenigen verfügbaren Monitoringdaten sind normalerweise sehr fragmentiert. In Südtirol haben wir das Glück, dass die verschiedenen Technologien alle im selben Kontext eingesetzt werden. Diese Besonderheit ist ein weiteres Element, das die veröffentlichten Daten interessant macht.“
Die Ergebnisse des Monitorings der emissionsfreien Busse in Bozen
Das Forschungsteam hat in Zusammenarbeit mit der SASA AG - der Gesellschaft für den öffentlichen Straßenverkehr der inner- und außerstädtischen Linien von Bozen, Meran und Leifers - Daten von 21 Bussen gesammelt, die keine fossilen Brennstoffe verwenden: 5 Elektro- und 16 Wasserstoffbusse. Die Daten wurden zwischen Januar 2021 und April 2022 erhoben. In diesem Zeitraum hat die Flotte in den Gemeinden Bozen und Leifers rund 537.500 km zurückgelegt (56 % davon mit Wasserstoffbussen). Die Daten wurden anschließend ausgewertet und mit internationalen Analysen und Benchmarks verglichen.
„Beim Umstieg auf einen emissionsfreien öffentlichen Verkehr geht es nicht nur um die Fahrzeuge, sondern um einen Systemwechsel. Verkehrsmittel und Infrastruktur müssen zusammen gedacht werden“
Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie
„Die Studie zeigt, dass beide Technologien problemlos im täglichen öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden können: Beide funktionieren, beide sind effizienter als Busse mit fossilen Brennstoffen und beide verursachen keine Emissionen vor Ort,“ kommentiert Aaron Estrada, einer der Forscher des Teams, und fügt hinzu: „Dies ist im Hinblick auf politische Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität vor Ort von entscheidender Bedeutung.“
Die Studie zeigte auch die jeweiligen Vorteile von Wasserstoff- und Elektrobussen auf. Einerseits bedeutet die hohe Effizienz von Elektrobussen, dass sie für die gleiche Anzahl von gefahrenen Kilometern weniger Energie verbrauchen als Wasserstoffbusse. Andererseits haben Wasserstoffbusse eine geringere Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen gezeigt: Bei Elektrobussen steigt im Winter der Energieverbrauch stärker an als es bei Wasserstoffbussen der Fall ist.
„Beim Umstieg auf einen emissionsfreien öffentlichen Verkehr geht es nicht nur um die Fahrzeuge, sondern um einen Systemwechsel“, warnt Wolfram Sparber. „Es geht nicht nur um das Fahrzeug, sondern auch um die Infrastruktur, die man dafür schaffen. Verkehrsmittel und Infrastruktur müssen zusammen gedacht werden, sonst besteht die Gefahr, dass man viel Geld ausgibt und am Ende keine optimale Lösung hat.“ Deshalb hat das Forschungsteam noch diverse andere Faktoren berücksichtigt: z. B. wo die Ladeinfrastruktur platziert werden soll und welche Art von Infrastruktur verwendet werden soll.
Und die Batterieproduktion?
In einer weiteren Studie hat das Forschungsteam seinen Blickwinkel ausgeweitet: Bei der Analyse der täglichen Nutzung erwiesen sich die emissionsfreien Busse als effizienter als die dieselbetriebenen, aber ändert sich etwas, wenn man den gesamten Lebenszyklus dieser Technologien betrachtet?
Oder anders formuliert: Wie schwer wiegen Produktion und Entsorgung in der Energie- und Emissionsbilanz von Elektro- und Wasserstoffbussen? „Wir haben festgestellt, dass bei Bussen die tägliche Nutzung mit Abstand die Phase mit dem höchsten Energieverbrauch ist und daher diejenige, auf die wir uns konzentrieren sollten,“ sagt Gianluca Grazieschi, Forscher am Institut für Erneuerbare Energie. Alle anderen Phasen – zu denen beispielsweise auch die Batterieproduktion und -entsorgung gehören – machen nur einen geringen Anteil von deutlich unter zehn Prozent vom Gesamtenergieverbrauch und den Emissionen aus.
„Es ist natürlich wichtig, den gesamten Lebenszyklus der Technologie zu betrachten, aber letztendlich hat sich herausgestellt, dass der wichtigste Teil die Art des Treibstoffs bleibt und wie effizient das Fahrzeug im täglichen Gebrauch ist,“ so der Forscher abschließend.
Und was denken die Busfahrer und Busfahrerinnen?
Neben der quantitativen Analyse, bei der die Effizienz, der Verbrauch und die Kosten pro Kilometer untersucht wurden, wurde auch eine Studie zur Zufriedenheit der Fahrer und Fahrerinnen durchgeführt.
„Soziale und menschliche Aspekte werden bei der Einführung innovativer Technologien oft nicht berücksichtigt, sie sind aber für einen wirksamen Wandel sehr wichtig“
Jessica Balest, Soziologin am Institut für Erneuerbare Energie
„Tatsächlich wechseln die Fahrer häufig den Fahrzeugtyp, ihre Wahrnehmung und der Fahrkomfort der umweltfreundlichen Busse müssen berücksichtigt werden,“ kommentiert die Soziologin Jessica Balest, die an der Studie mitgewirkt hat. „Soziale und menschliche Aspekte werden bei der Einführung innovativer Technologien oft nicht berücksichtigt, sie sind aber für einen wirksamen Wandel sehr wichtig. Die Akzeptanz des Personals ist für die Umstellung des Verkehrssektors auf nachhaltigere Systeme eine der wichtigen Variablen, die es zu berücksichtigen gilt.“
Der Zufriedenheitsgrad der Fahrer und Fahrerinnen war eindeutig positiv, und der Stress scheint geringer zu sein, auch aufgrund der Verringerung von Lärm und Vibrationen von Nullemissionsbussen im Vergleich zu herkömmlichen Bussen.. Auch die Überzeugung, dass der Einsatz von Wasserstoff- und Elektrobussen im öffentlichen Verkehr in Bozen etwas Innovatives und Pionierhaftes ist, wurde hervorgehoben.
Ein zu 100% emissionsfreier öffentlicher Verkehr?
„Zum jetzigen Zeitpunkt ist vorrangig, dass uns der Übergang zum emissionsfreien Verkehr gelingt, und zwar schnell“, so Wolfram Sparber abschließend: „Diese Reihe von Studien ist dafür ein weiterer Baustein: Sie liefert allen Akteuren, die am Umstieg auf emissionsfreie Technologien beteiligt sind, reale Daten, spezifische Analysen für ihre Fahrzeugflotten und vertiefte Informationen zum Lebenszyklus der Technologien zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen ermöglichen es, fundiertere Entscheidungen zu treffen.“ Die Elektrifizierung des Verkehrssektors ist eine der wichtigsten Triebkräfte für die Dekarbonisierung der Energie- und Mobilitätssysteme und eine Möglichkeit, lokale erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund können auch Busflotten zu einer raschen Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen.
Der Umstieg auf emissionsfreie öffentliche Verkehrsmittel ist jedoch nicht unbedingt nur auf den Straßenverkehr begrenzt. Die Forscher und Forscherinnen von Eurac Research haben zum Beispiel auch den öffentlichen Schiffsverkehr in Skandinavien untersucht, wo in einigen Fällen Elektrofähren eingesetzt werden. Diese Art von Fahrzeuge können auch in der Alpenregion Anwendung finden. „Im Bereich der Elektromobilität auf dem Wasser gibt es wenig Erfahrung und eine geringere Auswahl an Modellen, aber unsere Simulationen zeigen, dass es für die italienischen Seen definitiv eine Option sein kann. Diese Technologien würden eine emissionsfreie Schifffahrt ermöglichen, die zudem viel leiser und komfortabler ist als die derzeitige,“ kommentiert Matteo Prina, Forscher am Institut für Erneuerbare Energie.
Die von Eurac Research entwickelten Modelle können auch dazu genutzt werden, um den öffentlichen Verkehr in anderen Regionen und Städten zu bewerten. Dies ist zum Beispiel für den Busverkehr in der Provinz Verbano Cusio Ossola geschehen. Aber auch in Kontexten, die völlig anders erscheinen mögen, kann das Modell Anwendung finden. Ein Beispiel in Südtirol ist die Milchsammlung, die nach einer ähnlichen Logik funktioniert wie der öffentliche Verkehr: tägliche, vorgegebene Routen, welche ständig wiederholt werden. Auch viele andere Transportsysteme funktionieren auf ähnliche Weise: etwa die von Lebensmittel-Lieferanten, sowie von anderen Betrieben und Sparten.
Wäre es denkbar auch diese Transport- und Mobilitätssysteme auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen?
Die Studien und Modelle von Eurac Research wurden in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht.
• Aaron Estrada Poggio, Jessica Balest, Alyona Zubaryeva, Wolfram Sparber, “Monitored data and social perceptions analysis of battery electric and hydrogen fuelled buses in urban and suburban areas”, Journal of Energy Storage, Vol 72, 2023. https://doi.org/10.1016/j.est.2023.108411.
• Gianluca Grazieschi, Alyona Zubaryeva, Wolfram Sparber, “Energy and greenhouse gases life cycle assessment of electric and hydrogen buses: A real-world case study in Bolzano Italy,” Energy Reports, Vol. 9, 2023. https://doi.org/10.1016/j.egyr.2023.05.234.
• Wolfram Sparber , Andrea Grotto, Pietro Zambelli, Roberto Vaccaro, and Alyona Zubaryeva. "Evaluation of Different Scenarios to Switch the Whole Regional Bus Fleet of an Italian Alpine Region to Zero-Emission Buses" World Electric Vehicle Journal 14, no. 4: 91, 2023. https://doi.org/10.3390/wevj14040091
• D’Alonzo, Valentina, Pietro Zambelli, Samuele Zilio, Alyona Zubaryeva, Andrea Grotto, and Wolfram Sparber. "Regional Infrastructure Planning Support Methodology for Public and Private Electrified Transport: A Mountain Case Study" Applied Sciences 13, no. 12: 7181, 2023. https://doi.org/10.3390/app13127181
• Prina, Matteo Giacomo, Alyona Zubaryeva, Giuseppe Rotondo, Andrea Grotto, and Wolfram Sparber.. "Optimal Fleet Transition Modeling for Sustainable Inland Waterways Transport" Applied Sciences 13, no. 17: 9524, 2023. https://doi.org/10.3390/app13179524