Haben Frauen das Zeug, um sich in der parlamentarischen Debatte kommunikativ durchzusetzen?
Gerade vor Wahlen taucht bisweilen die Frage auf, ob Frauen überhaupt das Zeug dazu haben, sich im harten Geschäft parlamentarischer Auseinandersetzung Gehör zu verschaffen. Die Zweifel an der politischen Überlebensfähigkeit von Frauen gründen dabei auf zwei stereotypen Grundannahmen: dem Bild der Frau als zartem Geschlecht und der Vorstellung parlamentarischer Praxis als kampfbetonter Männerclub.
Frauen bilden in den Parlamenten der Welt immer noch die Minderheit und obwohl es ihnen zunehmend gelingt, in traditionell männerdominierten Bereichen des öffentlichen Lebens Fuß zu fassen, so stehen sie dort immer noch am Prüfstand. Die Maßstäbe und Normen, die im öffentlichen Diskurs an Politikerinnen angelegt werden, greifen dabei meist auf geschlechterspezifische Stereotypen zurück, die Frauen in eine Zwickmühle bringen: Agieren sie strategisch und verfolgen vehement ihre Ziele, allesamt Eigenschaften, die als notwendige Voraussetzung für politische Führung angesehen werden, dann werden sie im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen in den Medien und sozialen Netzwerken schnell als kalt und berechnend dargestellt. Zeigen Politikerinnen jedoch Mitgefühl und Verständnis, wird ihnen umgekehrt vorgeworfen, sie seien zu weich und hätten zu wenig Durchsetzungskraft, um im harten politischen Geschäft zu überleben. Im öffentlichen Diskurs scheint es fast so, als seien Frauen für die Politik generell weniger geeignet als Männer. Das liegt daran, dass die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die für die Politik als essenziell angenommen werden, sich an männlichen Stereotypen orientieren.
Innerhalb von Gruppen und Institutionen wie dem Parlament entwickeln sich im Laufe der Zeit bestimmte Gepflogenheiten und Sichtweisen, die als unausgesprochene Regeln das Verhalten bestimmen. Neulinge müssen sich einfügen und der alteingesessenen Gemeinschaft beweisen, dass sie dazugehören. Die parlamentarische Arbeit wurde lange Zeit allein von Männern bestimmt. Frauen mussten sich das Wahlrecht und den Zugang zum Parlament in den letzten hundert Jahren erst erkämpfen. Mit anderen Worten waren sie Neulinge in einer bereits etablierten, im Wesentlichen männlichen parlamentarischen Praxisgemeinschaft, die, so scheint es, immer noch von ihnen erwartet, sich zu beweisen. So zeigen Studien zum Deutschen Bundestag, dass Frauen am Rednerpult eher ironisiert und lächerlich gemacht werden. Ähnliches wurde auch für das britische Unterhaus, das französische Parlament und den schwedischen Reichstag festgestellt. Wiederholt finden sich auch sexistische Kommentare, die das Aussehen von Politikerinnen aufgreifen und etwa mit anzüglichem Bemerkungen kommentieren. Im Unterschied dazu haben Untersuchungen in verschiedenen Parlamenten ergeben, dass sich weibliche Abgeordnete im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen für weniger aggressiv und kämpferisch halten. Sie sehen ihr kommunikatives Handeln in der Politik stattdessen eher als kooperativ und konsensorientiert. Die weit verbreitete Vorstellung von unterschiedlichen Kommunikationsstilen von Männern und Frauen bezeichnen Cameron und Shaw (2016) als „Ideologie der unterschiedlichen Stimmen“. Dabei ist jedoch zu hinterfragen, ob die Vorstellung und Praxis von Politik als Kampf und die Ideologie der unterschiedlichen Stimmen Frauen wie auch Männer nicht daran hindert, gemeinsam an der Lösung der gesamtgesellschaftlichen Probleme der Gegenwart und Zukunft zu arbeiten.
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