Teenage-Mütter neigen dreimal häufiger zu postpartalen Depressionen

Eine frühe Schwangerschaft stürzt viele Teenager in große Schwierigkeiten. Zwar sinken die Geburtenzahlen unter Jugendlichen in Europa, doch es fehlt an finanzieller und sozialer Unterstützung. Auch im reichen Südtirol, sagt Hebamme Genny Mauroner im Interview mit Eurac Blogs.
Frau Mauroner, Sie haben in Ihrer Abschlussarbeit untersucht, wie sich eine Geburt im Jugendalter auf das Leben der Mutter und des Neugeborenen auswirkt. Wie häufig ist das denn der Fall?
Die WHO schreibt in einem Fact-Sheet, dass es 2023 unter jungen Frauen zwischen 15 und 19 zu 41 Geburten pro 1.000 Frauen kam. Das klingt erst einmal nicht viel, doch in absoluten Zahlen sind das weltweit 21 Millionen Geburten. Bei den noch jüngeren Schwangeren zwischen 10 und 14 Jahren lag die Geburtenrate bei 1,5 von 1.000 Frauen. Die gute Nachricht ist: Seit dem Jahr 2013 ist diese Rate um etwa ein Viertel gesunken. In Italien machten Teenager-Geburten 2022 0,82 Prozent der Geburten aus. In Südtirol lag der Anteil bei etwa der Hälfte der gesamtitalienischen Teenager-Geburtenrate, also bei 0,49 Prozent. Die meisten der Südtiroler Teenage-Mütter im Jahr 2022 waren italienische Staatsangehörige, und etwa ein Fünftel waren ausländische Staatsbürgerinnen.
Welche Faktoren begünstigen eine Teenagerschwangerschaft?
Verschiedene Studien haben zwei Haupt-Risikofaktoren für Teenagerschwangerschaften identifiziert: einen niedrigen sozioökonomischen Status und ein geringes Bildungsniveau. Im Globalen Süden spielen auch eine mangelnde Sexualerziehung und ein eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsdiensten eine Rolle. In der EU hingegen gilt letzterer nicht als eindeutiger Risikofaktor. Doch es zeigt sich, in der EU reicht ein guter Zugang zu Gesundheitsdiensten allein nicht aus, um die Rate der Teenagerschwangerschaften zu senken.
Also ist es nicht ein reines Entwicklungsproblem?
In der EU erhöhen vor allem riskante Verhaltensweisen wie frühe sexuelle Aktivität, unregelmäßige Verhütung sowie Konsum von Alkohol und Drogen das Risiko einer Schwangerschaft unter Teenagern. Eine höhere Wahrscheinlichkeit für frühe Schwangerschaften besteht auch dann, wenn Jugendliche in einkommensschwachen oder bildungsfernen Familien aufwachsen oder wenn ihre Geschwister selbst früh Eltern werden. Eine italienische Studie zeigt, dass Jugendliche mit starker sozialer Unterstützung häufiger Verhütungsmittel nutzen. Ethnie, Religion und Wohnort haben jedoch keinen Einfluss. Wer einen älteren Partner hat oder schon früh mit diesem zusammenzieht, läuft häufiger Gefahr, schwanger zu werden als “behütete” Teenager, die noch zuhause wohnen
Wann kommt es zu Schwangerschaftsabbrüchen?
Im Jahr 2019 endeten weltweit 55 Prozent aller Schwangerschaften bei Jugendlichen mit einem Schwangerschaftsabbruch. Auf die Gesamtzahl aller durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche machten Schwangerschaftsabbrüche bei Mädchen und jungen Frauen unter 18 Jahren hatten im Jahr 2021 in Italien mit nur 2,7 Prozent nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtzahl aller durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche. Da sie keine medizinische Hilfe erhalten, greifen viele Jugendliche auf unsichere Methoden zum Schwangerschaftsabbruch zurück. Dazu gehören insbesondere Eingriffe, die von unqualifizierten Personen mit gefährlichen und teils invasiven Verfahren durchgeführt werden, wodurch erhebliche Risiken wie beispielsweise eine Sepsis entstehen können. Die meisten möchten weiterhin zur Schule gehen oder ihre Zukunftspläne verfolgen, ohne dass jemand von ihrer Schwangerschaft erfährt, um dem Stigma einer frühen Schwangerschaft zu entkommen. Wer es sich nicht leisten kann, vergewaltigt wurde oder bei transaktionellem Sex wie Prostitution schwanger wird, entscheidet sich häufiger für einen Abbruch.
Entscheiden die jungen Schwangeren das selbst oder braucht es die Zustimmung der Eltern?
An und für sich ist die Zustimmung der Eltern oder eines Vormunds für einen Schwangerschaftsabbruch bei Minderjährigen in Italien zwingend nötig. Das schreibt in Italien das Gesetz vor. Fehlt diese Zustimmung oder gibt es schwerwiegende Gründe gegen eine Einbeziehung der Eltern, können eine sozialmedizinische Einrichtung oder Vertrauensmediziner*innen beim Vormundschaftsgericht einen Antrag auf einen Schwangerschaftsabbruch stellen. Das Gericht kann dann nach Anhörung der Schwangeren den Abbruch genehmigen oder ablehnen. Besteht Gefahr für die Mutter oder wenn das ungeborene Kind schwer krank ist, dürfen Ärzt*innen den Eingriff auch ohne Zustimmung durchzuführen.
Wie riskant ist eine Teenage-Schwangerschaft überhaupt?
Die Neugeborenen wiegen häufig zu wenig, weil die Gebärmutter der jungen Mütter noch nicht voll ausgebildet ist. Das ist auch einer der Gründe, warum es häufig zu Früh- und leider auch Stillgeburten kommt. Außerdem wachsen die Teenager ja noch während der gesamten Schwangerschaft. Das verschlechtert mitunter die Nährstoffversorgung der Embryos. Dazu kommt: Häufig haben schwangere Teenager wenig Körperfett und ein noch nicht vollständig entwickeltes Becken. Unterm Strich haben junge Frauen zwischen 13 und 19 ein doppelt so hohes Risiko, bei einer Geburt zu sterben wie Mütter zwischen 20 und Mitte dreißig. Postnatale Blutungen, Infektionen und Bluthochdruck sind hier am häufigsten verantwortlich.
Und was macht eine frühe Schwangerschaft mit der Psyche der Teenage-Mütter?
Das hängt vor allem von der Familie und dem sozialen Umfeld ab. Grundsätzlich neigen Teenage-Mütter dreimal so häufig zu Depressionen wie Mütter in einem normalen Alter. Etwa ein Fünftel von ihnen stillen deshalb ihre Kinder nicht. Besonders häufig passiert das in instabilen und sozial schwachen Familien. Doch wenn die Familie, Freunde und Fachleute die jungen Mütter unterstützen und im Alltag mit anpacken, dann wird auch im Teenage-Alter eine Schwangerschaft und Geburt zu einem positiven Erlebnis – zumindest innerhalb des engsten Kreises. Der familiäre Rückhalt ist wichtig für die psychische Gesundheit, auch weil die jungen Mütter ohnehin schon schwer durch das gesellschaftliche Stigma und ihren häufig sozial schwachen Status belastet sind.
Was lässt sich präventiv gegen Teenager-Schwangerschaften machen?
Jugendliche benötigen umfassende Aufklärung über die Folgen von Schwangerschaften in ihrem Alter und bessere Verhütungsmöglichkeiten. Studien zeigen, dass Programme, die auf die individuellen Bedürfnisse, insbesondere von Mädchen, zugeschnitten sind, besonders effektiv sind. Das allein löst allerdings nicht die finanziellen und sozialen Hindernisse, die nach wie vor den Zugang zu Verhütungsmitteln erschweren. Deshalb brauchen wir kostenlose, langwirksame, reversible Verhütungsmethoden. Das können zum Beispiel Intrauterinpessare (IUPs) und Implantate sein. Wenn wir das mit einer guten Beratung kombinieren, können wir Teenagerschwangerschaften weiter reduzieren. Dazu brauchen wir auch Politiker. Sie müssen unbedingt dafür sorgen, dass alle Jugendlichen, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, diese Mittel erhalten.
Wie wichtig sind Hebammen in der Versorgung von Teenage-Müttern?
Genau das habe ich in meiner Abschlussarbeit untersucht. Dabei bin ich auf zahlreiche Studien gestoßen, die belegen, dass eine durchgängige Betreuung durch eine Hebamme große Vorteile für die werdenden Mütter hat. Die Müttersterblichkeit sinkt, die Föten haben bessere Überlebenschancen in der Gebärmutter und es kommt seltener zu Frühgeburten. Aus meiner Analyse ergeht auch, dass diejenigen jungen Frauen, die von einer Hebamme betreut werden und an Geburtsvorbereitungskursen teilnehmen, sich besser informiert fühlen und einer Mutterschaft positiver entgegensehen. Das gilt übrigens auch für die Zeit nach der Geburt. Hausbesuche und praktische Hilfe von Hebammen vermitteln ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Genau das ist der Schlüssel für eine junge Mutter, wenn die sozialen Umstände ohnehin schon schwierig sind. In Südtirol wird diese Kontinuität vom Sanitätsbetrieb gezielt unterstützt, auch mit psychologischer Hilfe, die bei postnataler Depression dringend angeraten ist.
Wenn Sie einen Wunsch für die Betreuung von Teenage-Müttern hätten, welcher wäre das?
Es fällt mir immer wieder auf, dass nur wenige Jugendliche an Geburtsvorbereitungskursen teilnehmen oder von einer Hebamme betreut werden - obwohl sie Anspruch auf diese Betreuung hätten. Meiner Meinung nach sollte die Bedeutung der Hebammenbetreuung während der Schwangerschaft besser bewerben und der Zugang zu diesen Leistungen erleichtert werden, um eine umfassendere Betreuung vom Beginn der Schwangerschaft bis lange nach der Entbindung zu erreichen. Je niederschwelliger das alles ist, desto besser.
Weiterführende Literatur
Autonome Provinz Bozen - Südtirol. (2024). Beratung für Schwangere, junge Eltern, Babys und Kleinkinder 0-3 Jahre. https://familie.provinz.bz.it/de/beratung-schwangere-eltern-0-3-jahre
Autonome Provinz Bozen - Südtirol. (2024). Sozialsprengel. https://familie.provinz.bz.it/de/home
Weltbevölkerungsbericht 2022: Die Krise unbeabsichtigter Schwangerschaften. https://dgvn.de/meldung/weltbevoelkerungsbericht-2022-die-uebersehene-krise-unbeabsichtigter-schwangerschaften
Legge 22 Maggio 1978, n. 194, Norme per la tutela sociale della maternita' e sull'interruzione volontaria della gravidanza. (1978).
Genny Mauroner
Genny Mauroner absolvierte ihren Laureatsstudiengang für Hebammenwissenschaften am Universitären Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe Claudiana, Università Cattolica del Sacro Cuore. Besonders prägend war für sie der persönliche Kontakt mit jungen Schwangeren aus schwierigen Verhältnissen während eines mehrmonatigen Freiwilligenaufenthalts als Hebammenpraktikantin am Daraja Mbili Hospital in Tansania. Ihre Erfahrungen dort inspirierten sie dazu, sich intensiv mit dem Thema Teenagerschwangerschaften zu befassen.

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