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Editorial: Warum wir einen Gender-Blog launchen

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Mirjam GruberAnna Lea Bernhard von SchlechtleitnerMartin W. Angler
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Editorial: Warum wir einen Gender-Blog launchen
Credit: Eurac Research | Oscar Diodoro

Gender matters!

Geschlecht ist mehr als nur eine persönliche Identität. Es bestimmt die Chancen, die wir im Leben haben, und die Ungleichheiten, die wir erleben. In patriarchalen und konservativen Gesellschaften werden diese Unterschiede besonders deutlich. Und sie zeigen sich in einer Vielzahl erhobener Daten, so etwa beim Gender Pay Gap: Frauen verdienen in Südtirol bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation durchschnittlich 17 Prozent weniger als Männer. Sie zeigen sich in der Statistik zu Gewalt gegen Frauen. Über 600 Frauen in Südtirol suchten im Jahr 2022 Hilfe bei Gewalt-Kontaktstellen, und alle 72 Stunden wird in Italien eine Frau Opfer eines Femizids. Die Ungleichheit zeigt sich auch in der Care-Arbeit. Frauen übernehmen in Italien 74 Prozent der unbezahlten Betreuungs- und Pflegearbeit. Schlecht sieht es mit der Repräsentanz in der Politik aus: Nur 26 Prozent der Gemeinderäte in Südtirol sind Frauen.

Geht es um die Gesundheit, kann dieses Ungleichgewicht mitunter lebensgefährlich werden, denn Frauen erhalten mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent häufiger eine Fehldiagnose wie Männer. LGBTQIA+ Personen sind in den Medien stark unterrepräsentiert, und auch in der Wissenschaft ziehen Frauen regelmäßig den Kürzeren. Trotz hervorragender Ausbildung liegt der Frauenanteil in der Forschung in der EU bei nur 33 Prozent.

Es mag zwar sein, dass jeden Juni viele Unternehmen und Organisationen den Pride Month feiern, doch dahinter steckt meist eine kalkulierte Marketingstrategie. So genanntes Pinkwashing täuscht lediglich vor, eine echte Unterstützung für die Community zu sein, in Wahrheit geht es einzig um Profit. Echte Hilfen sind hingegen die Einführung von bezahlter Menstruationsfreistellung in Spanien, was ein wichtiger Schritt zur Anerkennung von geschlechterspezifischen Gesundheitsbedürfnissen ist. Oder Schwedens Elternzeitmodell mit geteilter verpflichtender Elternzeit für Mütter und Väter. Oder Frankreichs Gesetz zur Verpflichtung der Offenlegung der Lohnunterschiede von Männern und Frauen in großen Unternehmen. Es gibt also durchaus wichtige Fortschritte, die den Weg zu einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft ebnen. Auch die wollen wir auf diesem Blog zeigen.

Trotz aller Fortschritte können die Rechte von Frauen, von LGBTQIA+ Personen oder anderen Minderheiten in patriarchalen Gesellschaften nicht als gesichert betrachtet werden. So hat kürzlich US-Präsident Trump durch die Unterzeichnung einer Durchführungsverordnung das Geschlecht als eine unveränderliche biologische Klassifikation festgelegt, die ausschließlich die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ anerkennt. Auch das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper wird in westlich orientierten Gesellschaften immer öfter, hinterfragt, herausgefordert oder sogar eingeschränkt, wodurch Ungleichbehandlung propagiert wird.

Werden diese Entwicklungen und Unterschiede nicht angesprochen und aufgezeigt, wird sich auch gesellschaftlich nichts verbessern. Dieser Blog ist deshalb unser Beitrag dazu, strukturelle Unterschiede, die sich aus der ungleichen Verteilung von Macht, Ressourcen und Care-Arbeit ergeben, sowie die tiefverwurzelten Stereotype zu beleuchten und zu diskutieren. Wir wollen in diesem Blog aber auch Fortschritte, positive Beispiele und inspirierende Perspektiven aufzeigen, die zu einer gerechteren Zukunft beitragen können. Nur so können wir in kleinen, aber entscheidenden Schritten eine geschlechtergerechtere Gesellschaft schaffen.

Mirjam Gruber

Mirjam Gruber

Mirjam Gruber ist promovierte Politikwissenschaftlerin am Center for Advanced Studies von Eurac Research. Sie widmet sich seit einigen Jahren der Forschung zu Diskursen rund um die Klimakrise, Klimablockade sowie Populismus, wobei sie immer wieder mit Gender-Aspekten konfrontiert wird. Kürzlich hat sie das Buch "Climate Politics in Populist Times" bei Routledge veröffentlicht.

Anna Lea Bernhard von Schlechtleitner

Anna Lea Bernhard von Schlechtleitner

Anna Lea Bernhard von Schlechtleitner ist Forscherin am Institut für Minderheitenrecht und spezialisiert auf die interdisziplinäre Analyse gesellschaftlicher Herausforderungen im Bereich Geschlecht und Gender. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Geschlechtergleichstellung, Nichtdiskriminierung, LGBTQIA+-Rechte sowie die Analyse von Anti-Gender-Backlashes. Sie ist Mit-Herausgeberin des Gender Matters-Blogs. Derzeit promoviert sie im Fach European Law an der NOVA School of Law in Lissabon. Zuvor erwarb sie dort einen LL.M. in European and International Law sowie einen BSc in Economics and Business an der LUISS Guido Carli in Rom.

Martin W. Angler

Martin W. Angler

Martin Angler ist Wissenschaftsautor und leitet die Eurac Research Blogs seit ihrer Entstehung im Jahr 2019. Er ist Autor der Bücher "Science Journalism: an introduction" und "Telling Science Stories (Routledge 2017 and 2020)" (Routledge 2017 und 2020), sowie der Springer-Handbücher "Science Storytelling" und "Science Blogging" aus der Reihe Journalistische Praxis des Springer-Verlags.

Citation

https://doi.org/10.57708/bibftfd_yrgqludy6u2-eoq
Gruber, M., Bernhard von Schlechtleitner, A. L., & Angler, M. Editorial: Why we are launching a Gender Blog. https://doi.org/10.57708/BIBFTFD_YRGQLUDY6U2-EOQ
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