Sexismus in der Klimadebatte hat System

Rechtsradikale Akteur*innen nutzen gezielt Sexismus in ihrer Klimakommunikation, um die Debatte zu verzerren und die Klimabewegung zu diffamieren. Wie machen sie das und was bezwecken sie damit?
In einem Facebook-Post von 2019 schreibt die Freiheitliche Partei Österreich: „Die FPÖ sagt: Umwelt- und Klimaschutz mit Hausverstand – selbstverständlich ohne Klima-Hysterie und Zöpferl-Diktatur“. Der FPÖ ist es in diesem kurzen Satz gelungen, gleich zweimal Frauenfeindlichkeit einzubauen. Einmal indem sie die gesamte Klimakrise als Hysterie bezeichnet, ein Begriff, der stark mit Geschlechtervorurteilen und misogynen Ansichten verbunden ist. Und dann greift die Partei Greta Thunberg persönlich an, da sie auf eine äußere weibliche Eigenschaft in abwertender Weise reduziert wird. Es gilt nun zu erläutern, warum frauenfeindliche Ausdrücke wie diese in der Klimawandelkommunikation immer wieder vorkommen. Zunächst fällt auf, dass sexistische Weltanschauungen insbesondere von Rechtsradikalen in der Klimakommunikation durch den Gebrauch misogynistischer Begriffe transportiert werden, obwohl das Thema an sich keinen direkten Bezug zu offensichtlichem Sexismus hat. Doch ein analytischer Blick zeigt, die Sache hat System, denn besonders Rechtspopulist*innen nutzen die Klimadebatte als Mittel zum Zweck, um chauvinistisches Gedankengut zu verbreiten.
Erstes Beispiel dafür ist der Begriff „Hysterie". Er wird nicht nur von der FPÖ, sondern auch von vielen anderen rechtspopulistischen Parteien in der Klimawandelkommunikation verwendet. „Hysterie" ist deshalb problematisch, weil das Wort lange als Scheindiagnose für sehr unterschiedliche körperliche und psychische Symptome bei Frauen verwendet wurde. Hysterie galt lange Zeit als typische „Frauenkrankheit". Das Spektrum der Symptome reichte von Schlaflosigkeit bis Kurzatmigkeit, von Brustschmerzen bis Schluckbeschwerden und von keinem Drang nach Sex bis hin zu unbändigem sexuellem Verlangen. Häufig suggerierte der Begriff, die Gebärmutter sei die Ursache vieler Symptome und ist dementsprechend abwertend konnotiert. Der damalige Ansatz zur Behandlung einer Hysterie bestand aus regelmäßigem ehelichen Sex, Heirat, Schwangerschaft oder Entbindung. Mittlerweile ist der Begriff medizinisch nicht mehr salonfähig und wird von der Fachwelt als sexistisch und misogyn eingestuft. Eigentlich. Doch mit dem Begriff „Klima-Hysterie" greifen viele rechtsradikale Parteien wie die AfD - tief verwurzelten Geschlechterstereotype und Vorurteile gegen Frauen aktiv und bewusst wieder auf. So schwingt ein sexistischer Subtext mit, der nahelegt, die Klimakrise sei extrem und unvernünftig - hysterisch eben.
Der zweite fragwürdige Begriff im FPÖ-Zitat ist „Zöpferldiktatur". Er zielt unmissverständlich auf die Klimaaktivistin Greta Thunberg ab. Hier wird ihre häufig gewählte Frisur, bestehend aus zwei Zöpfen, instrumentalisiert und gleichzeitig mit dem Vorwurf diktatorischen Verhaltens in Verbindung gebracht. Obwohl Demonstrationen und Aktivismus zu den zentralen Elementen einer Demokratie gehören, werden Greta Thunberg als Frontfigur der Klimabewegung „Fridays For Future" und deren Mitgliedern, Gedankengut und Aktivitäten vorgeworfen, die scheinbar diktatorische Züge besitzen. Diese und weitere Ausdrücke wie „links-grüne Gretaisten", oder„Klima-Sirenen" tragen dazu bei, die Klimaaktivistinnen zu diskreditieren und ihnen den Respekt zu entziehen. Solche Ausdrücke entmenschlichen. Gleichzeitig werden durch Begriffe wie „Klima-Fräuleinverein" kindliche oder naive Vorstellungen von Femininität suggeriert. Es reduziert die Aktivistinnen auf ein übertrieben feminines oder als „unreif" angesehenes Bild. Das Engagement und ernsthafte Anliegen und Bemühungen im Klimaaktivismus werden trivialisiert und als lächerlich abgetan.
Der Fakt, dass rechtspopulistische Politiker*innen in ihrer Klimawandelrhetorik häufig frauenfeindliche Narrative verwenden, kann auf ihre grundsätzliche ideologische Werte von traditionellen Geschlechterrollen und Hierarchien zurückgeführt werden, wo Männer Entscheidungsträger und Frauen Fürsorgerinnen sind. Zwar könnte es bloßer Zufall sein, dass sie ihr grundsätzlich sexistisches Weltbild auch in diesem Bereich kundtun. Aber nach einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit diesem Aspekt wird deutlich, dass der Sexismus in der Klimawandelkommunikation weit mehr verbirgt, als es auf den ersten Blick scheint. Vielmehr ist das Thema des Klimawandels hier von besonderer Bedeutung, da gerade durch Klimaschutzmaßnahmen das eigene konservative und neoliberale Weltbild sowie die Fortführung des Patriarchats bedroht werden könnten. Ein genauerer Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt einige zentrale Aspekte, die darauf hindeuten, dass misogyne Klimarhetorik kein Zufall ist, sondern gezielt eingesetzt wird, um vom eigentlichen Thema der Klimakrise abzulenken, die eigenen Privilegien zu sichern und patriarchale Machtgefüge zu festigen.
Vielmehr ist das Thema des Klimawandels hier von besonderer Bedeutung, da gerade durch Klimaschutzmaßnahmen das eigene konservative und neoliberale Weltbild sowie die Fortführung des Patriarchats bedroht werden könnten.
Mirjam Gruber
Ein erster Erklärungsansatz für misogyne Klimarhetorik findet sich in der Fachliteratur als „industrial/breadwinner masculinities" (auf Deutsch: industrielle/Hauptverdiener-Männlichkeiten). Dieses Konzept, beschreibt im Kontext der Klimakrise, eine bestimmte Art von Männlichkeit, die auf privilegierten Positionen in der Gesellschaft basiert und nicht aufgegeben werden will. Damit geht oft Wohlstand oder Reichtum einher, der aus der hierarchischen Verteilung und Ausbeutung von natürlichen Ressourcen hervorgeht. Anschaulichstes Beispiel hierfür ist der Medienmongul Rupert Murdoch. Der Eigentümer des Medienunternehmens News Corp, zu dem auch Fox News gehört, finanzierte diverse Medienplattformen, die menschgemachten Klimawandel herunterspielten oder leugneten. Dadurch trägt Murdoch mit seiner Medienmacht dazu bei, den Status Quo und die Interessen von mächtigen, wohlhabenden Industrien, die vom fossilen Brennstoffsektor profitieren, zu schützen und sogar weiter auszubauen. Eine Studie der University of Westminster zeigt, dass es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Misogynie, Klimawandelleugnung und rechter Ideologie gibt. Wer autoritär denkt, ist häufig automatisch gegen Umweltschutz.
Ähnlich verhält sich das Konzept der „ökomodernen Männlichkeiten". Diese findet man am rechten Rand bis hin zur politische Mitte und manchmal sogar in linken Kreisen. Ökomoderne Männlichkeiten bekennen sich zwar zur Realität und Dringlichkeit der Klimakrise, doch ihre Vertreter*innen suchen in erster Linie technologische Lösungen und erkennen auch nur solche an. Technikpionier Elon Musk beispielsweise hat sich zur Dringlichkeit der Klimakrise bekannt und setzt sich stark für technologische Lösungen wie Elektroautos (Tesla) und erneuerbare Energien (SolarCity) ein. Sein Fokus liegt auf der Vorstellung, dass technologische Innovationen allein die Klimakrise lösen können, ohne dass ein gesellschaftlicher Konsumwandel, ein Paradigmenwechsel oder eine sozioökologische Transformation erforderlich sind. Besonders im Globalen Norden manifestiert sich diese Konzept als Überschneidung von weißem männlichem Privileg, der Anhäufung von Reichtum und dem Klimawandel.
Ökomoderne Männlichkeiten bekennen sich zwar zur Realität und Dringlichkeit der Klimakrise, doch ihre Vertreter*innen suchen in erster Linie technologische Lösungen und erkennen auch nur solche an.
Mirjam Gruber
Entlang dieser beiden Konzepte wird schnell deutlich: Nicht die Umwelt oder das Klima werden als bedroht angesehen, sondern vielmehr eine spezifische Form der Industriegesellschaft, die von einer männlichen Identität aufgebaut wurde und nach wie vor von eben dieser dominiert wird. Klimaaktivismus ist hingegen oft weiblich oder wird als weiblich wahrgenommen. Das heißt Frauen, die sich für den Klimawandel engagieren, stellen eine Herausforderung für traditionelle Machtstrukturen dar und werden daher durch misogyne Klimarhetorik zu Symbolen einer „bedrohlichen" Veränderung für den Status Quo und die Fantasie einer rechtsradikalen Utopiegesellschaft.
Doch rechtspopulistische Parteien nutzen misogyne und sexistische Begriffe in ihrer Klimarhetorik auch ganz gezielt, weil sie um deren Potenzial zur Polarisierung wissen. Sexistische Rhetorik ist geradezu dafür gemacht, zu emotionalisieren und zu spalten. Frauenfeindliche Sprüche, Memes, Bilder und Posts rufen mit die stärksten emotionalen Reaktionen bei unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung hervor. Ziel der Angriffe sind nicht nur Frauen und Klimaschützer*innen, sondern all jene, die eine ähnliche Ideologie vertreten. Indem man Klimaaktivistinnen sexistisch angreift, wird die Debatte vom eigentlichen Thema – dem Klimawandel und dessen Bewältigung – abgelenkt. Anstatt die Klimakrise zu diskutieren, wird das sexistische Verhalten selbst zum Thema.
Als Donald Trump Präsident der USA war, tweetete er regelmäßig abwertend über Greta Thunberg. Als Thunberg zur „Person des Jahres" des Time-Magazins gekürt wurde, schrieb Trump sarkastisch: „So ridiculous. Greta must work on her Anger Management problem, then go to a good old fashioned movie with a friend! Chill Greta, Chill!" In diesem Tweet stellte er sie als emotional und irrational dar und griff damit auf dieselbe stereotype und herablassende Art zurück, mit der auch der Begriff „Hysterie" Frauen abwertet. Der umstrittene Influencer Andrew Tate prahlte 2022 auf Twitter gegenüber Thunberg, 33 Autos mit hohen Emissionen zu besitzen und forderte sie zu einer Diskussion über ihren CO2-Ausstoß heraus. Sie antwortete mit dem berühmten Satz: „Yes, please do enlighten me. Email me at smalldickenergy@getalife.com". Mit dieser schlagfertigen Antwort gelang es ihr nicht nur, Tates Prahlerei zu verspotten, sondern auch sein Scheinargument zu entkräften und im Gegenzug auf sein übertriebenenes Macho-Gehabe hinzuweisen.
Humor, Ironie oder Satire zu nutzen, so wie es Greta Thunberg im Schlagabtausch mit Andrew Tate tat, ist ein effektives Werkzeug, um abwertenden Aussagen den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Angriffe ins Lächerliche zu ziehen. Dies verdeutlicht die Absurdität dahinter. Greta Thunbergs Antwort auf Tate ging viral, und sie erhielt weltweit viel Zustimmung dafür. Das zeigt Solidarität und wirkt unterstützend für die Opfer solcher Attacken. Sprache und Narrative sind essenziell und eine inklusive Sprache, die Geschlechterstereotype und Sexismus vermeidet, ist ein wichtiges Gegengewicht für Sexismus in der Klimadebatte.
Solche Werkzeuge sind einerseits dringend vonnöten. Denn die Zahlen misogyner Angriffe in den Social Media nehmen ständig zu. Doch leider kostet dieser Schlagabtausch zwischen Misogynie und geschicktem rhetorischem Parieren wertvolle Aufmerksamkeit. Die große Verliererin dabei ist tragischerweise ausgerechnet die Klimadebatte, die die Aufmerksamkeit besonders dringend nötig hätte.

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