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Nachhaltiges Ernährungssystem: Die Restaurantküche als Motor des Wandels

Im Zusammenspiel von Landwirtschaft, Großhandel, Veredelung und Gastronomie gibt es in Südtirol noch viel ungenutztes Potenzial, zeigt eine detaillierte qualitative Befragung von Eurac Research.

by Laura Defranceschi

Kreative und nachhaltigere Menüs inspirieren Gäste. Gleichzeitig fördern Restaurantküchen mit ihrem Einkauf die Produktion und Abnahme ökologischer und lokaler Lebensmittel. Doch gibt es trotz positiver Ansätze in Südtirol noch Hürden, die eine Zusammenarbeit zwischen den Betrieben entlang der Produktions- und Versorgungskette erschweren. Das zeigt eine Studie mit knapp 80 Befragten aus Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Großhandel und Gastronomie. Sie ist Teil des Forschungsprojekts „NEST – Gestaltung eines nachhaltigen Ernährungssystems in Südtirol“.

Befragt wurden Personen, die in der Landwirtschaft, Veredelung, Gastronomie oder dem Großhandel arbeiten und von der Idee einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit bereits überzeugt sind. „Uns ging es darum, gerade von denen mehr zu erfahren, die schon den Schritt getan haben und begeistert sind von der Idee einer regionalen Zusammenarbeit. Durch ihre Erfahrungen können wir am besten verstehen, wo Schwierigkeiten bestehen und wo Potenziale ausgeschöpft werden können“, erklärt der Ökonom Lion Glückert vom Institut für Regionalentwicklung von Eurac Research. Trotz des Willens zur Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure, hakt es vor allem an der Schnittstelle zwischen Angebot und Nachfrage: Obwohl Regionalität in den Restaurantküchen sehr hoch gewertet wird – höher als ökologische Kriterien –, ist der Anteil der Menüs mit regionalen Produkten auf den Tellern vergleichsweise gering. Was die lokalen Bauernhöfe an die Gastronomie liefern, macht bei den befragten Bauernhöfen weniger als zehn Prozent ihres Gesamtumsatzes aus. Das liegt auch daran, dass die Nachfrage aus den Küchen bei bestimmten Produkten nicht ausschließlich durch die regionale Landwirtschaft abgedeckt werden kann.

Es geht auch um kulinarische Nachhaltigkeit. „Hier sind mitunter die Küchenchefs mitgefragt, an einer Umstellung ihrer Menüs zu arbeiten und eine Sensibilität dafür zu entwickeln, den Einkauf nicht regionaler Produkte nachhaltiger zu gestalten: mehr saisonal abgestimmte und vegetarische Speisen anzubieten, die Produkte – auch Gemüse - ganzheitlich zu verarbeiten und an die Gäste zu kommunizieren. Bewusster einkaufen verlangt mehr Planung, kann aber auch Lebensmittelabfälle und Kosten senken”, fasst Verena Kircher, Sozioökonomin von Eurac Research, auf Grundlage der Befragungen zusammen. Entsprechend müssten die Köchinnen und Köche ausgebildet und geschult werden. Denn eine Ernährungsumstellung und ein nachhaltiger Beschaffungsprozess, ist neben der Ökologisierung, dem Stärken von regionalen Kreisläufen und einer entsprechenden Anpassung der Landnutzung die Grundlage für ein nachhaltiges Ernährungssystem.

Die meisten der von uns befragten Betriebe, die biologisch anbauen, machen es aus Überzeugung und weniger aus ökonomischen Gründen.

Lion Glückert, Eurac Research

Was die Ökologisierung angeht, zeigt die Befragung, dass viele Landwirtschaftsbetriebe nach biologischen Prinzipien arbeiten, aber nicht als Biobetriebe zertifiziert sind. „Die meisten der von uns befragten Betriebe, die biologisch anbauen, machen es aus Überzeugung und weniger aus ökonomischen Gründen“, führt Glückert aus. „Gleichzeitig zählt bei der Nachfrage Regionalität mehr als die biologische Anbauweise, weshalb die Landwirte von einem entsprechenden Siegel absehen, das Aufwand und Geld kosten würde.“ Eine reine Regionalisierung ist aber nicht zwangsläufig auch gleichbedeutend mit Nachhaltigkeit – sie sollte immer auch umweltfreundlich, ethisch tragbar und sozial gerecht sein und muss sich nach den lokalen Bedürfnissen und Besonderheiten richten.

Auf der Grundlage der Befragung arbeitete das Forschungsteam eine Reihe von Empfehlungen aus, das Südtiroler Ernährungssystem regionaler, ökologischer und fairer zu gestalten. Eine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage durch eine gemeinsame Anbauplanung bereits vor der Aussaat könne sowohl den Küchen als auch den Landwirtinnen und Landwirten mehr Sicherheit in ihrem Wirtschaften bieten. Der anfängliche Mehraufwand in der Planung erleichtert die Vermarktung und Beschaffung während der Saison. Plattformen besetzten ebenso eine Schlüsselfunktion, die das Angebot der verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebe bündeln und damit der lokalen Gastronomie, Veredelung oder dem Großhandel zugänglicher machen. „Teilweise sind es einzelne Freiwillige, die WhatsApp-Gruppen verwalten und Produktion und Küche zusammenbringen Solange sie neben der Arbeit diesen Service unentgeltlich anbieten, funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Betrieben gut. Zukünftig stellt sich die Frage, wie man solche Plattformmodelle rentabel gestalten und erweitern kann“, resümiert Glückert.

Die Empfehlungen werden im weiteren Projektverlauf gemeinsam in Fokusgruppen mit Interessensgruppen aus Landwirtschaft, Großhandel, Veredelung und Gastronomie ausgearbeitet und veröffentlicht.

Mehr Informationen zum Projekt NEST


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