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Das Patriarchat am Steuer der Klimakrise

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Das Patriarchat am Steuer der Klimakrise
Und wer steht ganz vorne? Zwischen Klimakrise und Patriarchat lassen sich schon früh unangenehme Zusammenhänge feststellen.Credit: McLaurin, John J. (John James), b. 1841, Public domain, via Wikimedia Commons | All rights reserved

Warum man von man-made climate change anstatt human-made climate change sprechen sollte.

An einer Dissertation zu schreiben, bedeutet Hürden zu überwinden. Manche dieser Hürden sind begrifflicher Natur, wie ich auch wieder bei der Verschriftlichung meiner Dissertation zur Kommunikation unterschiedlicher politischer Parteien zur Klimakrise feststellen durfte. So stand ich nämlich vor der Frage, ob ich im Englischen von human-made (menschengemachtem) oder man-made (mann-gemachtem) Klimawandel schreibe. Genderinklusive Sprache ist für mich eine Selbstverständlichkeit und so stand zu Beginn des Schreibprozesses außer Frage, von human-made und nicht von man-made zu sprechen. Diese Sicherheit sollte nicht lange anhalten. Im Laufe der weiteren Literaturrecherche bin ich nämlich auf einige Artikel von Autorinnen und Autoren gestoßen, die den Begriff man-made verwendeten. Nun, das wäre an sich nichts Verwunderliches. Gendern ist schließlich kein Muss. Da ich einige der Autorinnen und Autoren aber bereits kannte, nahm ich an, dass mehr dahinterstecken müsse als reines Vergessen oder bewusstes Nicht-Gendern. Könnte man-made climate change auch unter dem Gesichtspunkt des Genderns die richtige Begriffswahl sein?

Das Patriarchat wirkt sich nicht nur negativ auf Frauen und andere nicht-männliche Personen aus. Männer sind genauso betroffen.

Ich möchte betonen, dass sich der Begriff man-made nicht auf einzelne Männer bezieht, sondern vielmehr auf das Patriarchat oder das patriarchale System als Ganzes, das in unserer Gesellschaft vorherrscht. Ziel dieses Beitrages ist es, die Rolle des Patriarchats in Bezug auf den Klimawandel aufzuzeigen und auf die strukturellen Zusammenhänge hinzuweisen, die weit über das Individuum hinausgehen. Denn es ist trotz aller emanzipatorischen und feministischen Bewegungen und vieler Errungenschaften - danke an alle Feministinnen und Feministen da draußen - nicht zu leugnen, dass (heterosexuelle) Cis-Männer in unserer Gesellschaft noch immer über mehr Macht, Privilegien und Autorität verfügen, als es Frauen und andere nicht-männliche Personen tun. Das Patriarchat ist durch traditionelle Geschlechterrollen, Stereotype und Erwartungen bestimmt. Es gibt vor, wie sich Personen je nach Geschlecht verhalten und welche Rolle sie in der Gesellschaft einnehmen sollten. Das Patriarchat wirkt sich nicht nur negativ auf Frauen und andere nicht-männliche Personen aus. Männer sind genauso betroffen. Hier sei etwa toxische Männlichkeit genannt. Auch ein spannendes Thema, doch zurück zum Klimawandel: Warum kann trotz Genderinklusivität von man-made climate change gesprochen werden? Was hat die Klimakrise mit dem Patriarchat zu tun?

Weltweit sind Frauen überproportional von den Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen.

Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen der Klimakrise und dem Patriarchat zeigen sich zuallererst in der ungleichen Auswirkung des Klimawandels auf Männer und Frauen. Weltweit sind Frauen überproportional von den Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen. Besonders im Globalen Süden tragen Frauen oft die Verantwortung für die Beschaffung von Wasser, Nahrung und Brennstoffen, was durch anhaltende Dürren, Ernteausfälle und häufiger auftretende Naturkatastrophen als Folgen des Klimawandels erschwert wird. Da Frauen auch stärker von Armut betroffen sind, verfügen sie über weniger Ressourcen, um sich an die Veränderungen anzupassen. Auch im Kampf gegen die Klimakrise spielt das Patriarchat eine wenig rühmliche Rolle. Macht und Entscheidungsprozesse sind in patriarchalen Gesellschaften ungleich verteilt. Das bedeutet, dass Frauen auch in Prozessen und Entscheidungen in Bezug auf die Klimakrise weniger Einfluss haben, wodurch ihre Perspektiven, Erfahrungen und Lösungsansätze im gesamten Diskurs unterrepräsentiert sind. So finden sich in den Führungspositionen der fossilen Brennstoff-Industrie weit mehr (heterosexuelle) Cis-Männer als Frauen, genauso im Bankensektor.

Konsumverhalten und Geschlechterdynamik hängen ebenso zusammen. Toxische Männlichkeitsbilder tragen dazu bei, dass „männliches“ Konsumverhalten, insbesondere im Zusammenhang mit Statussymbolen, ressourcenintensiven Aktivitäten oder hohem Fleischkonsum, gefördert und belohnt wird. Von Männern wird eine höhere Risikobereitschaft erwartet. Das Fahren schneller Autos weit jenseits der gesetzlichen Geschwindigkeitsbegrenzung ist eine klassische Klimasünde, die eher von Männern begangen wird und um dem vermeintlichen Männerbild zu entsprechen, gilt es außerdem, Emotionen zu unterdrücken und eine gewisse Gewaltbereitschaft an den Tag zu legen.

Toxische Männlichkeitsbilder tragen dazu bei, dass „männliches“ Konsumverhalten, insbesondere im Zusammenhang mit Statussymbolen, ressourcenintensiven Aktivitäten oder hohem Fleischkonsum, gefördert und belohnt wird.

Ein weiterer Aspekt ist sicherlich der Fokus auf eine technologische Lösung für die Klimakrise. Zahlreiche Länder des Globalen Nordens, aber auch supranationale Organisationen wie die EU, suchen angesichts der immer deutlichen werdenden Entwicklungen, ihr Heil in der Technologie. In meiner Dissertation konnte ich aufzeigen, dass dieser Fokus besonders von konservativen Parteien vorangetrieben wird. Frauen tendieren dazu, Verhaltensänderungen den teilweise hochriskanten technologischen "Lösungen" vorzuziehen. Auch der Klimaaktivismus trägt ein meist weibliches Gesicht. Viele europäische Frontfiguren von Fridays for Future sind junge Frauen, angefangen bei Greta Thunberg bis hin zu Luisa Neubauer oder der Südtirolerin Majda Brecelj. Aus dem Globalen Süden sind Namen wie Vanessa Nakate, Joanita Babirye und Hindou Oumarou Ibrahim bekannt.

Es scheint also durchaus so, als ob das patriarchale System sowohl Einfluss auf den Klimawandel an sich als auch auf die Lösungsansätze hat. Natürlich sind damit auch zahlreiche weitere Gesellschaftsordnungen und Entwicklungen verbunden, wie etwa der Kapitalismus. Wenn ich also von man-made climate change schreibe, ist das kein simples Versäumnis oder eine Vernachlässigung einer genderinklusiven Sprache. Im Gegenteil, die Formulierung liefert genauere Hinweise auf eine wichtige Ursache der Krise: patriarchale Strukturen. Wichtig und notwendig ist es aber auch, zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden zu unterscheiden, da letztere viel weniger Verantwortung für die globalen Emissionen tragen und schon heute stark unter den Folgen der Klimakrise leiden. Ich plädiere also für eine weitere Präzisierung, nämlich die Verwendung des Begriffs industrialised man-made climate crisis.

Mirjam Gruber

Mirjam Gruber

Mirjam Gruber ist Politikwissenschaftlerin am Center for Advanced Studies von Eurac Research.

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Citation

https://doi.org/10.57708/b168330713
Gruber, M. Das Patriarchat am Steuer der Klimakrise. https://doi.org/10.57708/B168330713

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