RAAV
Ländliche Erreichbarkeit & Automatisierte Fahrzeuge
- Project duration: -
- Project status: finished
- Funding: Provincial Joint Programme – IT-FWF (Province BZ funding / Project)
- Total project budget: 382.891,00 €
- Website: https://www.fwf.ac.at/en/research-radar/10.55776/I5224
- Institute: Institut für Regionalentwicklung
Die Bewohner des ländlichen Raums müssen sich oft mit schlechter Erreichbarkeit auseinandersetzen. Dies betrifft vor allem ältere Menschen und Schüler, die meist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, oder erwachsene Mitglieder großer Haushalte, die stärkere zeitliche Einschränkungen haben. Automatisierte Fahrzeuge (AVs) können diesen Zustand erheblich verändern. Dank der Kosteneinsparungen, die sie bewirken sollen, könnten AVs die Wettbewerbsfähigkeit des traditionellen öffentlichen Verkehrs erhöhen oder die Einführung alternativer, bedarfsgerechter Dienste ermöglichen. Diese Verbesserungen des Angebots könnten sich wiederum auf die Erreichbarkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen und ländlicher Gemeinden insgesamt auswirken.
ZIEL UND STRUKTUR DES PROJEKTS
Durch die Entwicklung einer Reihe von Verkehrsangebotsszenarien und die Abschätzung ihrer Auswirkungen auf die räumlich-zeitliche Erreichbarkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen, die typischerweise Probleme mit der Erreichbarkeit im ländlichen Kontext haben, untersucht das RAAV-Projekt die Auswirkungen auf die Erreichbarkeit von AVs in ländlichen Gebieten.
Um das Ziel des Projekts zu erreichen, werden vier zentrale Forschungsfragen behandelt:
- Welche AV-basierten Versorgungsszenarien können in ländlichen Gebieten eingeführt werden?
- Wie könnten solche Szenarien die individuelle Erreichbarkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen verändern?
- Wie könnten sie die kollektive Erreichbarkeit der ländlichen Bevölkerung insgesamt verändern?
- Basierend auf den Ergebnissen: Was sind die Hauptmerkmale der AVs, welche die Erreichbarkeit verbessern können und welche politischen Maßnahmen können sie fördern?
Um diese Fragen zu beantworten, wird ein Arbeitsplan in acht Phasen befolgt:

PHASE 1: KONZEPTIONELLER UND METHODISCHER RAHMEN
Die potentiellen Auswirkungen von AVs auf die Zugänglichkeit (und die Unterschiede in der Gesellschaft) wurden auf der Grundlage einer Literaturrecherche, die von den Autoren durchgeführt wurde, zusammengefasst. Dadurch wurde der konzeptionelle Rahmen verfeinert. Der methodische Rahmen konzentrierte sich auf räumlich-zeitliche Zugänglichkeitsmodelle und deren Anpassung an das spezifische Ziel des Projekts. Insbesondere wurde die Zugänglichkeit zu obligatorischen Aktivitäten mit der Zugänglichkeit zu den nicht-obligatorischen integriert und damit eine Variante des traditionellen räumlich-zeitlichen Modells definiert.
PHASE 2: IDENTIFIZIERUNG LÄNDLICHER UNTERSUCHUNGSGEBIETE
Zwei ländliche und abgelegene Untersuchungsgebiete wurden ausgewählt, um Angebotsszenarien mit AVs zu entwickeln und deren mögliche Auswirkungen auf die Erreichbarkeit zu analysieren. Dabei handelt es sich um die Gemeinden Mühlwald (in Südtirol) und Sooß (in Niederösterreich). Sie wurden aufgrund ihrer Größe (EinwohnerInnenzahl unter 1.500), des Mangels an lokalen Dienstleistungen und der begrenzten Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, sowie der Menge an relevanter soziodemographischer Gruppen wie kinderreiche Familien, Frauen, ältere Personen und Kinder ausgewählt. Im Herbst 2022 wurde über eine Telefonbefragung mit über 220 BürgerInnen der beiden Gemeinden ein sogenanntes Reisetagebuch erarbeitet. Damit konnten Daten zu den aktuellen räumlichen, zeitlichen und verkehrstechnischen Einschränkungen von EinwohnerInnen erhoben werden, die die Grundlage für die Berechnung der räumlich-zeitlichen Erreichbarkeit auf individueller Ebene bilden. Die anonymisierten Daten der Erhebung stehen zur Einsichtnahme zur Verfügung.
PHASE 3: AUFBAU DER AV-BASIERTEN ANGEBOTSSZENARIEN
Die AV-basierten Angebotsszenarien wurden in einem zweistufigen Prozess entwickelt. In der ersten Stufe entwickelte das Projektteam eine Reihe von konzeptionellen Anwendungen von AVs, die aus der wissenschaftlichen Literatur zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im ländlichen Raum abgeleitet wurden. Diese Anwendungen spiegeln wiederkehrende Muster und deren wichtigste Merkmale wider. Sie wurden auf der CORP 2022-Konferenz in Wien vorgestellt.
In der zweiten Stufe des Prozesses wurden die konzeptionellen Anwendungen in konkrete Versorgungsszenarien für die untersuchten Gebiete umgewandelt. Zu diesem Zweck definierte das Team eine Entwurfsmethodik, die auf einer Schätzung der Verkehrsleistung, der Betriebskosten und der Kapazität der Szenarien beruht. Jedes Szenario wurde nach zentralen Kriterien entworfen: Kosteneinsparungen, die durch die Automatisierung des Verkehrs erzielt werden, werden neu investiert, um die Verkehrsleistung so weit wie möglich zu verbessern. Hier wurden das aktuelle Betriebskostenbudget, die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln und die Servicekapazität als feststehend betrachtet. Es wurden fünf Szenarien entwickelt und für die beiden untersuchten Gebiete quantifiziert.
PHASE 4: ANALYSE DER GEGENWÄRTIGEN ERREICHBARKEIT
Auf der Grundlage der im methodischen Rahmen bereitgestellten Inputs wurde das traditionelle Modell für die Raum-Zeit-Erreichbarkeit an die Anforderungen des Projekts angepasst. Dies führte zur Definition eines sogenannten ÖPNV-Raum-Zeit-Erreichbarkeitsmodells (PT-STA-Modell). Dieses Modell berechnet zwei zentrale Output-Indikatoren auf individueller Ebene: 1) die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den täglichen festen Aktivitäten (STA-fix) und 2) die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den täglich erreichbaren Freizeitaktivitäten (STA-dis).
Das Modell wurde in den Untersuchungsgebieten von Mühlwald und Sooß getestet, um die heutige Erreichbarkeit einer Stichprobe von Einwohnern mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu schätzen. Diese Status-quo-Erreichbarkeitsabschätzung wurde als Referenz für die folgende Berechnung der Auswirkungen einer Automatisierung des öffentlichen Verkehrs (siehe die in STEP 3 entwickelten AV-Szenarien) in den beiden Untersuchungsgebieten verwendet.
PHASE 5: EINFLUSS AUF DIE INDIVIDUELLE ERREICHBARKEIT
as PT-STA-Modell, das in PHASE 4 entwickelte wurde, wurde auf die in PHASE 3 entwickelten AV-Szenarien angewandt, um die potenziellen Auswirkungen der Automatisierung des öffentlichen Verkehrs auf die Erreichbarkeit in den beiden Untersuchungsgebieten Mühlwald und Sooß zu berechnen. Diese (STA-fix und STA-dis) wurden zunächst auf individueller Ebene für alle an der Stichprobe beteiligten Personen in den beiden Untersuchungsgebieten berechnet.
Die individuellen Auswirkungen wurden dann für die gesamte Stichprobe sowie für sechs Untergruppen der Bevölkerung zusammengefügt, die nach der Literatur zu stärkeren Erreichbarkeitsproblemen neigen. Zu diesen Untergruppen gehören: a) Menschen ohne Zugang zu einem privaten Pkw; b) Menschen, die in sehr abgelegenen Gebieten leben; c) Minderjährige und Senioren; d) Frauen; e) Mitglieder großer Haushalte; f) Vollzeitbeschäftigte. Diese Untergruppen haben in der Regel stärkere räumliche, zeitliche und verkehrstechnische Einschränkungen aufgrund ihres geringen Zugangs zu privaten Verkehrsmitteln, ihres abgelegenen Wohnorts oder ihres typischerweise engen Tagesablaufs. Die Ergebnisse zeigen, dass die AV-Szenarien mit einer stärkeren Integration von bedarfsgerechten Diensten tendenziell die stärksten Erreichbarkeitsvorteile im Allgemeinen und für die genannten Untergruppen im Besonderen bieten.
PHASE 6: EINFLUSS AUF DIE KOLLEKTIVE ERREICHBARKEIT
Nach der Schätzung des Einflusses auf die individuelle Erreichbarkeit (PHASE 5) werden auch die kollektiven Auswirkungen ermittelt. Zu diesem Zweck wird eine Variante des PT-STA-Modells definiert, das sogenannte kollektive Raum-Zeit-Erreichbarkeitsmodell (CSTA). Dessen Zweck besteht darin, die individuellen Erreichbarkeitszahlen, die von jedem Stichprobenmitglied in Mühlwald und Sooß erhalten wurden, einzusetzen, um kollektive Erreichbarkeitszahlen zu erhalten, die auf räumlicher Ebene dargestellt werden. Dies wird durch eine räumlich gewichtete Überlagerung der individuell berechneten Raum-Zeit-Erreichbarkeitswerte erreicht.
Mit diesem Modell wird für jedes AV-Szenario eine Erreichbarkeitskarte erstellt und die Ergebnisse werden verglichen. Die kollektiven Zahlen zeigen, dass AV2 und 5 auch auf kollektiver Ebene die vielversprechendsten Szenarien sind. Der Vorrang dieser Szenarien hängt jedoch von den beobachteten räumlichen Rahmenbedingungen (Erreichbarkeitsgewinne innerhalb und außerhalb des Untersuchungsgebiets) und dem Zeitrahmen (Erreichbarkeitsgewinne in den Haupt- und Nebenverkehrszeiten) ab.
PHASE 7: AUSWERTUNG DER SZENARIEN AUF DER GRUNDLAGE DER AVs
Die individuellen und kollektiven Einflüsse der Szenarien auf die Erreichbarkeit (Pase 5 und 6) werden in der letzten Projektphase mit den lokalen Akteuren diskutiert. Fünf Vertreter von Südtiroler Institutionen, die sich mit der Planung und Verwaltung des öffentlichen Verkehrs befassen, nehmen an der Auswertung teil. Diese erfolgt durch die sogenannte "MCDA“ (Multi-Criteria Decision Analysis) Analyse. Deren Ziel ist es, die AV-Szenarien nach ihren Auswirkungen auf die Erreichbarkeit und die regionalen Prioritäten zu klassifizieren.
Die Ergebnisse der MCDA bestätigen im Allgemeinen die Ergebnisse des Erreichbarkeitsmodells: AV2 und AV5 sind die bevorzugten Szenarien. Die Beteiligten betonen jedoch, dass AV5 den unterschiedlichen Bedürfnissen des Tals besser gerecht werden kann, insbesondere den Bedürfnissen von Pendlern und Studenten, die während der Hauptverkehrszeiten unterwegs sind. In der Tat wird in diesem Szenario während der Hauptverkehrszeiten eine Buslinie mit hoher Kapazität entlang der Talsohle beibehalten.
PHASE 8: EMPFEHLUNGEN FÜR SELBSTFAHRENDE FAHRZEUGE
Die beiden Szenarien mit der höchsten Punktzahl aus der MCDA-Analyse (Phase 7) werden mit lokalen Interessengruppen weiter diskutiert, um künftige politische Empfehlungen zu ermitteln. Zu diesem Zweck wird ein zweistufiges Verfahren angewandt. In der ersten Phase werden die Stakeholder gebeten, mögliche „Treiber“ und „Hemmnisse“ zu identifizieren, die die Einführung der Szenarien AV2 und AV5 in Mühlwald erleichtern oder behindern könnten. Das Forschungsteam erstellt eine vorläufige Liste. In der zweiten Phase werden die Interessengruppen aufgefordert, politische Empfehlungen auszuarbeiten, die Treiber begünstigen und Hemmnisse angehen könnten. Auch hier stützen sie sich auf eine vom Forschungsteam erstellte Liste von Vorschlägen.
Im Rahmen dieses Prozesses wurden insgesamt 12 fördernde und hemmende Faktoren und 11 daraus resultierende politische Empfehlungen ermittelt und formuliert. Die politischen Empfehlungen betreffen verschiedene infrastrukturelle, regulatorische, finanzielle und städtebauliche Maßnahmen, wie z. B. die Festlegung von rechtlichen Rahmenbedingungen für die öffentlich-private Zusammenarbeit im öffentlichen Verkehrssektor und die Entwicklung ländlicher Mobilitätsknotenpunkte für multimodale Dienstleistungen, sowohl im Linienverkehr als auch auf Abruf.
Dianin A, Gidam M, Hauger G, Ravazzoli E (2024)
Zeitschriftenartikel
European Transport Research Review
Weitere Informationen: https://doi.org/10.1186/s12544-024-00636-2
Dianin A, Gidam M, Ravazzoli E, Stawinoga AE, Hauger G (2024)
Zeitschriftenartikel
Journal of Public Transportation
Weitere Informationen: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1077291X2 ...
Chizzali C (2024)
Vortrag
Conference: Spring School Researching Care and Care Policy in Europe| challenges for care resilience in turbulent times | Milan : 5.6.2024 - 7.6.2024
Dianin A, Fian T, Hauger G (2024)
Vortrag
Conference: 26th Euro Working Group on Transportation Meeting (EWGT 2024) | Lund | 4.9.2024 - 6.9.2024
Dianin A, Gidam M, Ravazzoli E, Hauger G (2024)
Zeitschriftenartikel
International Journal of Transportation Science and Technology
Weitere Informationen: https://doi.org/10.1016/j.ijtst.2024.11.004
Gidam M, Dianin A, Hauger G, Ravazzoli E (2023)
Datenbank
Weitere Informationen: https://doi.org/10.48436/h0mwh-grx90
Gidam M, Dianin A, Hauger G, Ravazzoli E (2023)
Datenbank
Weitere Informationen: https://doi.org/10.48436/hq7b7-xsa12
Dianin A, Ravazzoli E (2023)
Internet
Weitere Informationen: https://www.eurac.edu/it/blogs/regionalstories/come-migliora ...
Chizzali C, Dianin A (2023)
Internet
Weitere Informationen: https://www.eurac.edu/de/blogs/regionalstories/gibt-es-unter ...
Dianin A, Gidam M, Hauger G (2023)
Zeitschriftenartikel
Public Transport
Weitere Informationen: https://doi.org/10.1007/s12469-023-00333-8
Dianin A, Gidam M, Ravazzoli E, Hauger G (2022)
Beitrag in Konferenzband
Conference: REAL CORP 2022, 27th International Conference on Urban Development, Regional Planning and Information Society | Vienna | 14.11.2022 - 16.11.2022
Weitere Informationen: https://doi.org/10.48494/REALCORP2022.5014
Dianin A (2022)
Vortrag
Conference: VisionAlps Forum - Bolzano | Bolzano | 3.11.2022 - 3.11.2022
Weitere Informationen: https://www.visionalps.com/bolzano-forum/
Dianin A, Gidam M, Hauger G (2022)
Zeitschriftenartikel
Applied Sciences
Weitere Informationen: https://doi.org/10.3390/app12073309
Dianin A, Gidam M, Ravazzoli E, Hauger G (2022)
Vortrag
Conference: REAL CORP 2022, 27th International Conference on Urban Development, Regional Planning and Information Society | Vienna | 14.11.2022 - 16.11.2022
Weitere Informationen: https://www.eurac.edu/en/institutes-centers/institute-for-re ...
Dianin A, Chizzali C (2022)
Vortrag
Conference: RAAV meeting with the Mühlwald citizenship | Mühlwald | 11.10.2022 - 11.10.2022
Weitere Informationen: https://www.eurac.edu/en/institutes-centers/institute-for-re ...
Dianin A, Ravazzoli E, Hauger G (2021)
Zeitschriftenartikel
Sustainability
Weitere Informationen: https://www.mdpi.com/2071-1050/13/8/4448