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Students, entren in Klasse, ju lutem!
Explorative Studie zur Mehrsprachigkeitsdidaktik in Südtirols Schulen
Mehr Kompetenzen sowie konkrete Beispiele und Anregungen für den Unterricht – das wünscht sich ein Großteil der mehr als 600 befragten Lehrkräfte in Südtirol querbeet durch alle Fachrichtungen und Schultypen im Rahmen eines Fragebogens zur Mehrsprachigkeitsdidaktik. Den Linguistinnen zufolge sind die befragten Lehrkräfte bereits sehr engagiert.
Da gibt es den Sportlehrer, der Anweisungen zum Hochsprung in verschiedenen Sprachen gibt, und die Informatiklehrerin, die Tutorials zu neuen Programmen auf Englisch in den Unterricht einbringt mit der Aufgabe, ein entsprechendes Handbuch auf Italienisch zu erstellen. In der Grundschule gibt es stattdessen den Lehrer – oder die Lehrerin –, der oder die die Abenteuer der Maus, die dem Grüffelo-Monster begegnet, in drei Sprachen vorliest: im Original „The Gruffalo“ und die Übersetzungen in den lokalen Sprachen. Und dann gibt es den Spanischunterricht, wo es um die Verbindungen mit dem Arabischen geht und wo der Lehrer jene um Hilfe bittet, die zu Hause mit ihren Eltern Arabisch sprechen. Dieses Bild zeichnet die Auswertung eines nicht repräsentativen Fragebogens, der von Sprachwissenschaftlerinnen von Eurac Research ausgearbeitet und im vergangenen Jahr von mehr als 600 Lehrkräften aller drei Sprachgruppen und aller Schulstufen ausgefüllt worden war. „Unsere Absicht war es, eine Erhebung über mehrsprachige Unterrichtsaktivitäten in Klassen durchzuführen, das heißt Aktivitäten, bei denen in derselben Unterrichtsstunde gleichzeitig zwei oder mehr Sprachen oder Varietäten, einschließlich Dialekte, verwendet werden“, erklärt die Linguistin Marta Guarda. „Wir haben eine Vielzahl an Ideen gesammelt, die wir ins Netz stellen wollen.“ Obwohl die Antworten in den Fragebögen zeigen, dass die Jahre der Pandemie und des Fernunterrichts große Rückschläge mit sich brachten, ist das Interesse der befragten Lehrpersonen an der Mehrsprachigkeit deutlich erkennbar. Etwa 75 Prozent der Befragten möchten sich in diesem Bereich neue Kenntnisse aneignen, und von diesem Prozentsatz wünschen sich fast 80 Prozent den Austausch von praktischen Ideen und Lehrmaterialien mit Kolleginnen und Kollegen.
Zahlen aus dem Fragebogen zur Mehrsprachigkeitsdidaktik
75%
möchten neue Kompetenzen erwerben (% gerundet)
80%
möchten einen Austausch von ideen und Lehrmaterialien (% gerundet)
„Das bestätigt die Bedürfnisse, die wir auch in unseren Mehrsprachigkeits-Workshops mit Schulen schon beobachtet haben“, erklärt die Linguistin Sabrina Colombo. „Wir sind kürzlich von einer Schule in Graun im Vinschgau kontaktiert worden, und die Anfragen von Schulen außerhalb der städtischen Räume nehmen zu. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Phänomen der Migration – aber nicht nur das – ein neues Interesse an der Mehrsprachigkeit ausgelöst hat. Vor zehn Jahren wäre das noch schwer vorstellbar gewesen.“ Dies spiegelt sich auch in der Beteiligung am Fragebogen wider: Die Stichprobe umfasst Lehrerinnen und Lehrer unter anderem aus dem Ahrntal, aus dem Vinschgau, dem Pfitschertal und dem Unterland.
Die Zahl der befragten Lehrkräfte , die nach einer speziellen Schulung oft mehrsprachige Unterrichtsaktivitäten anbieten, ist doppelt so hoch wie die Zahl derjenigen, die keine spezielle Schulung gemacht haben.
Wie oft wird „Translanguaging“ als pädagogische Strategie betrieben, ohne es so zu nennen?
Die Aktivitäten, die die befragten Lehrkräft e ihren Klassen vorschlagen, sind bereits sehr vielfältig. „Wir haben bewusst Lehrkräfte aus allen Fachbereichen einbezogen, und obwohl die sprachlich-literarischen Fächer etwas stärker vertreten sind (37 Prozent), haben wir auch 22 Prozent Lehrkräfte aus dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich und 20 Prozent aus dem historisch-geografisch-sozialen Bereich“, erklärt Marta Guarda weiter. „Jenseits der eher formalisierten Erfahrungen mit Kopräsenz und CLIL („Content and Language Integrated Learning”, d. h. ein Ansatz, bei dem die Zweit- oder eine Fremdsprache zur Vermittlung der Lehr- und Lerninhalte im Unterricht verwendet wird) sind es meist Eigeninitiative und eigene Kreativität, die Lehrerinnen und Lehrer motiviert, und selbst wenn sie ihre Aktivitäten nicht in offizielle Definitionen einordnen, decken sie doch verschiedene Ansätze einer mehrsprachigen Didaktik ab, die in theoretischen Studien beschrieben werden.“ Unter den Beispielen, die von den Lehrkräften berichtet werden, gibt es viele Fälle, die in der Fachsprache als „pädagogisches Translanguaging“ bezeichnet werden, das heißt es werden die Fähigkeiten genutzt, die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Sprachen haben, um das Lernen in einem Fach zu fördern. So gibt es Materialien zur Vertiefung desselben Themas oder Vorlesungen oder Videos in anderen Sprachen als jener, in der die Abschlussprüfung stattfindet. Auch an Aktivitäten zur Entwicklung eines „metalinguistischen Bewusstseins“ mangelt es nicht: Bei diesen Aktivitäten werden die Klassen dazu angeregt, über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Wörtern und Satzstrukturen in verschiedenen Sprachen nachzudenken. Etwas seltener, aber dennoch präsent, sind interkulturelle Aktivitäten, z. B. im Zusammenhang mit gastronomischen Traditionen, mehrsprachigen Theatererlebnissen oder der Darstellung von Sprachbiografien der Klassen. Schließlich gibt es noch eine Kategorie, die zwar nur selten genannt wurde statistisch nicht relevant ist, die die Forscherinnen aber für sehr interessant halten: die „sprachliche Flexibilität“. Neun Lehrkräfte, die zumeist in Berufsbildungseinrichtungen arbeiten, aber nicht nur, lassen die Möglichkeit offen, nach Belieben mehrere Sprachen zu verwenden, um im Unterricht zu kommunizieren oder eine Aufgabe zu erledigen.
Wenn auch mit unterschiedlicher Häufigkeit, überwiegt die Zahl derer, die mehrsprachige Aktivitäten im Unterricht vorschlagen, gegenüber denen, die sie nie in Betracht ziehen.
Mehrsprachige Lehrkräfte: ein Vorteil, den es zu nutzen gilt
„In den befragten Südtiroler Schulen wird bereits viel getan. Die Bemühungen, die sich im Rahmen dieser Studie zeigen, sind eine wichtige Grundlage für den Austausch, wie ihn die befragten Lehrerinnen und Lehrer auch selbst fordern“, betonen die Forscherinnen. „Wenn wir einen Wunsch äußern dürfen, dann den, dass diese mehrsprachigen Aktivitäten nicht nur die Landessprachen, den Südtiroler Dialekt und die verschiedenen Fremdsprachen verstärkt in den Schulunterricht einbeziehen, sondern den ganzen Reichtum des Sprachenrepertoires in den Klassenzimmern.“ Und mit Repertoire meinen die Linguistinnen die Sprachen, die die Kinder und Jugendlichen, aber auch die Lehrkräfte kennen. Mehr als 25 Prozent der Befragten sprechen mindestens eine weitere Sprache, die nicht unbedingt mit schulischen Aktivitäten zu tun hat: von Spanisch bis Russisch, über Sardisch, Koreanisch, Albanisch, Japanisch und Rumänisch.
Sprachen und Varietäten in mehrsprachigen Unterrichtsaktivitäten
Die Publikation und das didaktische Material
Die Publikation mit der detaillierten Analyse der Fragebogenergebnisse kann von der Projektwebseite SMS 2.0 - Sprachenvielfalt macht Schule heruntergeladen werden, wo auch zahlreiche Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stehen.